Verurteilter Frauenarzt klagt seinen Versicherungsmakler

Symbolbild
Symbolbild(c) . (Erwin Wodicka)
  • Drucken

Hat ein Versicherungsmakler einen Arzt über aktuelle Judikatur zu informieren, die sein Risiko zu haften deutlich erhöht? Ja, sagte der OGH.

Wien. Welche nachvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten treffen Versicherungsmakler? Mit dieser Frage hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) jüngst anlässlich eines sehr tragischen Falls zu befassen.

Eine Frau brachte im August 2007 ein schwer behindertes Kind zur Welt. Schon zu Beginn ihrer Schwangerschaft war sie besorgt, ihr Kind könne behindert sein. Das teilte sie ihrem Frauenarzt auch mehrfach mit und bat ihn, er möge alles veranlassen, um eine Behinderung ihres Kindes auszuschließen. Ihr Gynäkologe beruhigte sie jedoch, da er nichts Auffälliges bei seinen Untersuchungen bemerkte. Und er empfahl ihr auch nicht, eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu lassen.

Die Frau bekam ein behindertes Kind und klagte ihren Frauenarzt auf den Ersatz des gesamten bisher entstandenen und künftig noch anfallenden Unterhalts- und Pflegeaufwands sowie auf alle Vermögensnachteile im Zusammenhang mit der Obsorge und Pflege ihres kranken Kindes.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab ihr recht, denn es sah im Verhalten des Arztes einen Aufklärungsfehler. Es folgte damit der Judikatur des OGH, der in seinem Erkenntnis vom 7. März 2006 (Anm.: eine der sogenannten Wrongful-Birth-Entscheidungen) ausgesprochen hatte, dass den Eltern eines behinderten Kindes bei Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Arzt Schadenersatz in Höhe des gesamten Unterhalts für das behinderte Kind zustehe – und nicht nur der Unterhaltsmehraufwand, der aufgrund der Behinderung des Kindes entsteht.

Der Gynäkologe klagte daraufhin seinen Versicherungsmakler. Sein Standpunkt: Es wäre die Verpflichtung des Beraters gewesen, ihn auf die neue OGH-Judikatur hinzuweisen und mit ihm unter diesem Blickwinkel seinen bestehenden Versicherungsschutz zu diskutieren. Die Tatsache, dass Gynäkologen nach dem Urteil den gesamten Unterhalt für ein behindertes Kind zu leisten hätten, bedeute nämlich eine massive Risikoerhöhung für ihn als Arzt.

Der Versicherungsmakler entgegnete, es sei seinem Berufsstand weder zumutbar, laufend alle veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zu studieren, die bei Kunden ein höheres Risiko verursachen könnten, noch dieselben dann zusätzlich über die möglichen Konsequenzen zu verständigen. Dieser Auffassung schloss sich der OGH nicht an. Von einem auf Ärzte spezialisierten Versicherungsmakler könne sehr wohl erwartet werden, über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und seine Kunden darüber richtig zu informieren. Umso mehr in diesem Fall: Die besagte OGH-Entscheidung hatte nämlich für breites mediales Interesse und großes Aufsehen unter Ärzten gesorgt.

Ein Versicherungsmakler habe überdies nicht nur die Aufgabe, seinen Kunden wichtige Entscheidungen zur Kenntnis zu bringen, sondern auch die Verpflichtung zu einem Best-Risk-Management. Er müsse also mit dem Versicherungsnehmer besprechen, ob eine Erhöhung der Versicherungssumme empfehlenswert ist.

Und wie steht es mit einem Mitverschulden des Frauenarztes? Wenn er von der OGH-Entscheidung wusste, hätte er dann nicht selbst aktiv nach einem höheren Versicherungsschutz fragen müssen? Ja, selbstverständlich, sagte der OGH. Bloß konnte im konkreten Fall nicht geklärt werden, wann der Arzt erstmals von der neuen Judikatur erfuhr. Das muss nun in einem fortgesetzten Verfahren geklärt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.