Wenn sich der Kunde am Kopftuch stößt

(c) Clemens Fabry
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Eine als Projektingeneurin tätige Frau verlor ihren Job, weil einem Kunden ihr Kopftuch nicht passte. Der Fall landete beim EuGH.

Wien. Wieder ist das muslimische Kopftuch ein Thema vor dem EuGH. Diesmal geht es um einen Fall aus Frankreich: Eine Frau, die bei der IT-Beratungsfirma Micropole SA als Projektingenieurin arbeitete, verlor ihren Job, weil ein Kunde an ihrem Kopftuch Anstoß nahm. Bei diesem Kunden das Tuch nicht zu tragen hatte sie abgelehnt.

Die EuGH-Generalanwältin, Eleanor Sharpston, gibt in ihrem Schlussantrag der Arbeitnehmerin recht: Dass ihr Dienstvertrag aufgelöst wurde, sei eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung (C-188-15). Es sei nicht ersichtlich, dass die Frau ihren beruflichen Aufgaben nicht habe nachkommen können, weil sie ein Kopftuch trug. Noch dazu hatte der Arbeitgeber ihr sogar noch im Kündigungsschreiben ihre fachliche Kompetenz bescheinigt.

Scheinbarer Widerspruch

Eine andere Generalanwältin, Juliane Kokott, vertrat kürzlich eine gegenteilige Position zum selben Thema. Es ging um einen Fall aus Belgien: Ein Anbieter von Sicherheits- und Rezeptionsdienstleistungen hatte Richtlinien erlassen, die das Tragen auffälliger religiöser Symbole untersagten. Der Rest der Geschichte war ähnlich: Eine muslimische Mitarbeiterin trug trotzdem ihr Kopftuch, auch ihr Dienstvertrag wurde aufgelöst. Kokott sah den Arbeitgeber im Recht: Eine für alle geltende Politik religiöser und weltanschaulicher Neutralität sei legitim, wenn sie einem rechtmäßigen Zweck dient und keine unangemessenen Anforderungen an die Mitarbeiter stellt (C-157/15).

Noch weiß niemand, wie der EuGH in den beiden Fällen entscheiden wird. Aber sind die Schlussanträge wirklich so widersprüchlich, wie es auf den ersten Blick scheint? Bei näherem Hinsehen nicht: In dem Fall aus Frankreich gab es nämlich keine generelle Policy religiöser Neutralität. Auch Sharpston hält fest, dass ein völlig neutraler Dresscode im geschäftlichen Interesse gerechtfertigt sein kann. Nur müsste es dafür einen guten Grund geben – und den sieht sie hier nicht. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2016)

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