„Paradigmenwechsel“ im Geschäftsbericht

Symbolbild.
Symbolbild.(c) BilderBox
  • Drucken

Änderung. Sachverhalte, die von Wirtschaftsprüfern künftig intensiv unter die Lupe genommen werden, kann die Öffentlichkeit bald nachlesen.

Wien. Er steht am Ende eines jeden Geschäftsberichts, bleibt dort aber von vielen unbemerkt: der Bestätigungsvermerk. In diesem gibt der Abschlussprüfer ein Urteil über den Jahresabschluss eines Unternehmens ab. Meist war das Testat nicht weiter von Interesse, es sei denn, der Prüfer tat entsprechende Einwände bezüglich der Fortführung des Betriebes kund.

Das wird sich nun ändern. Denn die meist letzten Seiten eines Konzernlageberichts werden derzeit einer Änderung unterzogen, die vor allem die Öffentlichkeit interessieren dürfte. Das Testat wird nicht nur transparenter. „Es wird individuell“, sagt Helmut Maukner, Chef des Wirtschaftsprüfers EY. Er bezeichnet die Neuregelung als „Paradigmenwechsel in der Berichterstattung über die Abschlussprüfung“. Die Änderung gilt für alle börsenotierten Unternehmen bereits ab dem Geschäftsjahr 2016. Im Rahmen der EU-Reform der Abschlussprüfung müssen sich ein Jahr später auch alle Kreditinstitute und Versicherungen dem neuen Regime unterwerfen, selbst wenn sie nicht an der Börse notieren, so Maukner.

„Der Hintergrund dieser Neuregelung besteht darin, dem Publikum mehr Informationen darüber zu liefern, wofür eine Gesellschaft verantwortlich ist und was der Abschlussprüfer gemacht hat“, sagt Michael Vertneg, Partner beim Wirtschaftsprüfer Deloitte. Von Bedeutung für die Öffentlichkeit dürften dabei vor allem jene Sachverhalte sein, „die die besondere Aufmerksamkeit des Prüfers“ auf sich ziehen. Diese werden nämlich künftig im Rahmen des Bestätigungsvermerks veröffentlicht. Derlei Themen wurden früher zwischen dem Prüfungsausschuss des Unternehmens (der sich aus Mitgliedern des Aufsichtsrats zusammensetzt) und dem Wirtschaftsprüfer besprochen. „Solange besondere Prüfungssachverhalte nicht zu einer Versagung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks geführt haben, kamen sie nicht an die Öffentlichkeit“, sagt Vertneg.

Doch was sind besondere Sachverhalte? Das sind laut Maukner Fragestellungen, denen im Rahmen der Prüfung besondere Beachtung gewidmet wurde, etwa weil es sich um komplexe oder ungewöhnliche Sachverhalte handelt. Dabei kann es etwa um die Bewertung von Firmenwerten, besondere Rückstellungen oder Unternehmenskäufe und -verkäufe gehen. Ziel dieser erweiterten Berichterstattung sei auch, die Arbeit des Abschlussprüfers transparenter zu machen und den Prüfer dazu zu bewegen, Themen, die ihn am stärksten bewegt haben, mitzuteilen, so Maukner.

Mehr Aufwand, mehr Seiten

Für Unternehmen könnte die Adaptierung des Testats etwas unangenehm werden. Denn damit gelangen Sachverhalte an die Öffentlichkeit, die zuvor hinter verschlossenen Türen behandelt wurden. Es bedürfe daher einer intensiven Auseinandersetzung des Wirtschaftsprüfers mit dem Prüfungsausschuss, ist Vertneg überzeugt. Am Ende des Tages ist aber der Prüfer für das Testat verantwortlich. „Gibt es keinen Konsens mit dem Unternehmen, sticht die Meinung des Prüfers“, so Maukner.

Die Neuausrichtung der Bestätigungsvermerke verursacht jedoch mehr Aufwand für die Wirtschaftsprüfer. Denn die Formulierungen im Testat sollen nicht nur transparent sein, sondern auch von Dritten verstanden werden. Die Erfahrung aus anderen Ländern lehre zudem, so Vertneg, dass künftig mit vier bis fünf Sachverhalten zu rechnen sei, die im Testat von „besonderer Bedeutung“ sein werden.

Bei der Telekom Austria, einem der großen börsenotierten Konzerne, sieht man der Regelung gelassen entgegen: Man begrüße einheitliche Vorschriften zur Erhöhung der Transparenz in Europa. Ihre Praxistauglichkeit werde sich dann im Anwendungsfall zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.