Wenn die Pokémon-Jagd den Job gefährdet

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Mit Hingabe jagen derzeit Jung und Alt digitale Monster auf ihren Smartphones. Allerdings nicht nur in der Freizeit.

Die Fahrgäste in der Straßenbahn staunten nicht schlecht, als der Fahrer der Straßenbahn während einer Rotphase einer Ampel auf einmal die vordere Tür öffnete, aufsprang, von der Straßenbahn auf den Gehsteig hechtete, seine Arme in der Luft herumwirbelte und plötzlich zufrieden „Hob i di!“ ausrief. Die Szene, die vor wenigen Tagen im vierten Gemeindebezirk zu beobachten war, ist derzeit gar nicht einmal so außergewöhnlich. Denn das „Pokémon“-Fieber hat nicht nur Kinder und Jugendliche gepackt, auch ältere Semester haben sich mit Passion auf die virtuelle Jagd nach Pikachu und Co. begeben.

Überstunden werden Thema

Wer auch während seiner Arbeitszeit dieser Leidenschaft frönt, sollte allerdings beachten, dass er den digitalen Viecherln nicht zu viel Aufmerksamkeit zuteilwerden lässt. Denn: „Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit seine gesamte Aufmerksamkeit seiner Arbeitstätigkeit zu widmen“, sagt Rechtsanwalt Mario Spanyi (Eisenberger & Herzog). „Eine moderate Smartphone-Nutzung wird von den meisten Arbeitgebern erlaubt oder aber zumindest geduldet.“ Zu „moderater Nutzung“ zählen etwa Telefonate oder SMS, die dazu dienen, die Kinderbetreuung zu organisieren oder Arzttermine auszumachen. „Die virtuelle Jagd nach Pokémons wird aber nicht darunter fallen“, so Spanyi.

Brenzlig wird es vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitspensum nicht mehr in der dafür vorgesehenen Zeit erledigt und deshalb womöglich Überstunden anfallen, die betriebsbedingt nicht notwendig wären. Selbst wenn die Arbeitszeit flexibel gestaltbar ist und der Mitarbeiter die „Jagdzeit“ später aufholt, kann das Ganze problematisch werden. Arbeitet er nämlich über die vereinbarte Kernzeit hinaus, fallen ebenfalls Mehrstunden an, für die der Arbeitgeber kein Verständnis aufbringen muss.

Was dann? „Im ersten Schritt wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen. Weigert sich dieser beharrlich, die Weisung des Arbeitgebers zu befolgen, kann unter Umständen sogar eine Entlassung gerechtfertigt sein.“
Nun hat der „Pokémon“-begeisterte Straßenbahnfahrer sicher gegen seine Pflichten verstoßen, bei seiner Aktion ist aber glücklicherweise niemand zu Schaden gekommen. Dennoch gilt für ihn – wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer: Im Straßenverkehr auf dem Smartphone zu spielen ist ein absolutes No-go, und zwar zur eigenen Sicherheit und der aller anderen. Wer also die Jagd auf die Monster am Steuer fortsetzt, verletzt gleich mehrfach verkehrsrechtliche Vorschriften, selbst wenn dabei nichts Schlimmes passiert. Seit Juni 2016 erlaubt der Gesetzgeber die Verwendung des Mobiles während der Fahrt nämlich nur mehr in zwei Fällen: zum Telefonieren, wenn das Fahrzeug über eine Freisprechanlage verfügt, oder zur Navigation, sofern das Gerät im Fahrzeug befestigt ist. Spielen fällt nicht darunter, im Gegenteil, es kann wirklich teuer werden. Wer erwischt wird, muss mit einer Strafe bis zu 2180 Euro rechnen.

Ist die private Nutzung erlaubt?

Doch zurück zur Arbeitswelt: Vorsicht ist auch geboten, wenn der Arbeitnehmer sein Diensthandy für das „Pokémon“-Spielen verwendet. Denn ob er diese Gaming-App überhaupt auf seinem Diensthandy installieren darf, ist fraglich: „Das hängt davon ab, inwieweit der Dienstgeber eine private Nutzung der dienstlichen Mobiltelefone gestattet“, sagt Spanyi. Allen Dienstgebern rät der Anwalt, die Art und das Ausmaß der erlaubten Privatnutzung in einer entsprechenden Richtlinie festzulegen. Spiele-Apps wie „Pokémon Go“ verbrauchen nämlich nicht nur Strom, sondern auch große Mengen an Datenvolumen. Sie können daher auch zusätzliche Kosten verursachen. „Deshalb sollte vorweg klar geregelt sein, wer welche Kosten zu tragen hat. Außerdem wird derartigen Apps bei der Installation der Zugriff auf zahlreiche Userdaten gewährt, wie insbesondere den Standort, auch die Identität und die gespeicherten Fotos und Daten des Nutzers. „Dies könnte auf unternehmenseigenen Geräten für gefährliche Sicherheitslecks sorgen.“ Spanyis Fazit: Eine verbotene private Nutzung des Handys kann für den Arbeitnehmer auch arbeitsrechtliche Folgen bis hin zur Entlassung haben. „Das gilt vor allem dann, wenn der Dienstgeber – genau um die genannten Risken zu vermeiden – private Installationen auf dem Diensthandy verboten hat und der Mitarbeiter die IT-Richtlinien seines Unternehmens missachtet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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