Strafermittlungen: Wenn Verfahren endlos dauern

Gegen Grasser wurde in der Causa Buwog sieben Jahre lang ermittelt.
Gegen Grasser wurde in der Causa Buwog sieben Jahre lang ermittelt. (c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Bei komplexen Wirtschaftsfällen dauern Ermittlungen oft viele Jahre lang. Aktuelles Beispiel: die Causa Buwog. Mehr Teamarbeit könnte abhelfen, meinen Juristen.

Wien. Jetzt gibt es also eine Anklageschrift in der Causa Buwog. Damit beginnt das nächste Kapitel einer fast schon unendlichen Geschichte: Sieben Jahre haben die Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser und weitere Mitbeschuldigte gedauert, bis zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss werden höchstwahrscheinlich wieder Jahre vergehen. Selbst der Prozessauftakt steht noch nicht unmittelbar bevor, gerechnet wird damit erst für das kommende Jahr.

Einzelfall ist das keiner, zumindest nicht, wenn es um komplexe Wirtschaftscausen geht. So dauerte das Verfahren im Fall Libro rund zwölf Jahre. Der OGH wertete das als Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention, nicht zuletzt deshalb wandelte er die Strafen gegen Ex-Libro-Chef André Rettberg und Ex-Finanzvorstand Johann Knöbl in bedingte um.

Und dann der YLine-Prozess: Auch da ging es um eine Firmenpleite, auch da standen ehemalige Manager viele Jahre lang unter Verdacht. Ermittelt wurde fast 13 Jahre lang, dann kam der Fall vor Gericht – und endete im Dezember 2015, gut 14 Jahre nach der YLine-Insolvenz, mit Freisprüchen.

Oft keine volle Rehabilitation

Die Liste überlanger Wirtschaftsstrafverfahren ließe sich weiter fortsetzen. Und alle haben eines gemeinsam: „Der Beschuldigte badet es aus“, sagt Andreas Pollak, Partner in der auf Konfliktlösung und Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Kanzlei Petsche Pollak. Paradoxerweise gilt das besonders dann, wenn es am Ende zu einem Freispruch kommt. Wer jahrelang unter Tatverdacht steht, dessen wirtschaftliche Existenz ist höchstwahrscheinlich angeschlagen bis ruiniert. Und nicht verurteilt zu werden ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit voller Rehabilitation. „Oft heißt es dann nur, der Vorwurf konnte nicht erwiesen werden“, sagt Pollak. „Die Unschuld wird nicht festgestellt.“

Bei einem Schuldspruch kann man es differenzierter sehen – jedenfalls seit das Höchstgericht postuliert hat, dass ein überlanges Verfahren beim Strafausmaß zu berücksichtigen ist. Überspitzt gesagt, darf jemand jetzt, wenn er erst nach vielen Jahren verurteilt wird, schon allein wegen der langen Dauer mit Strafmilderung rechnen.

Aber warum gibt es überhaupt noch immer so lange Ermittlungen? Immerhin trat Anfang 2015 eine Strafprozessreform in Kraft, die ein Beschleunigungsgebot enthält. Dieses besagt aber lediglich, dass nach drei Jahren Ermittlungsdauer ein Gericht prüfen muss, ob ein Einstellungsgrund vorliegt. Wie sich das auswirken wird, ist noch nicht absehbar: Anhängige Fälle, bei denen die Ermittlungen früher begannen, betrifft die Reform noch nicht. Und auch künftig bleiben längere Verfahren möglich. Sieht das Gericht keinen Einstellungsgrund, verlängert sich die Ermittlungsdauer um zwei Jahre, auch wiederholte Verlängerungen sind möglich.

Preis des Rechtsstaates?

Nun kann aber auch zu viel Tempo bei Ermittlungen schaden, wenn es zulasten der Sorgfalt geht. Lange Verfahren würden oft als „Preis des Rechtsstaates“ gesehen, sagt Pollak. Der Jurist kennt die Problematik von beiden Seiten: Er war früher Staatsanwalt bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Letztlich sei es eine Frage von Ressourcen und Organisation, wie rasch komplexe Ermittlungen zu Ende gebracht werden können, meint er. Das jetzige System eigne sich gut für die übliche Vielzahl kleiner Fälle, aber nicht unbedingt für die ganz großen. „In Anwaltskanzleien würden an vergleichbar komplexen Causen, etwa einem großen M & A-Prozess, 20 Juristen arbeiten.“ Pollak meint, es sollte auch für Staatsanwälte „organisatorische Möglichkeiten geben, geballter vorzugehen“ – durch Arbeit in größeren Teams und mit Unterstützung eines Stabs fixer, juristisch ausgebildeter Fachkräfte. „Hier mehr Ressourcen zu haben wäre auch gesamtstaatlich ökonomisch“, ist er überzeugt.

„Mehr Teamarbeit wäre wichtig“, sagt auch ein anderer Anwalt, Mathias Preuschl. Er hat im Libro-Prozess Johann Knöbl vertreten. Bei Rechtsanwälten, auch Strafverteidigern, sei Zusammenarbeit inzwischen üblich, sogar kanzleiübergreifend. „Aber auch das war eine Entwicklung. Das war nicht immer so.“ Die Causa Libro landete übrigens sogar vor dem Menschenrechtsgerichtshof (EGMR), Knöbl brachte dort wegen der langen Verfahrensdauer Beschwerde ein. Der Richterspruch fiel kurz und bündig aus: Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt. Die Entscheidung fiel nach fast zwei Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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