Wenn der Baumeister zum Hearing muss

(c) Clemens Fabry
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Die neue Rechtslage bei Vergabeverfahren mache KMU das Leben nicht leichter, sagen Experten. Oft scheitern sie an Formalitäten.

Wien. Anfang März dieses Jahres trat eine Vergaberechtsnovelle in Kraft. Sie soll das Bestbieterprinzip bei öffentlichen Auftragsvergaben stärken. Zwingend vorgeschrieben ist dieses jetzt zum Beispiel für geistige Dienstleistungen und für Bauaufträge mit einem geschätzten Auftragswert ab einer Million Euro. Speziell im Baubereich soll das die regionale Wirtschaft fördern, dem Lohndumping entgegenwirken und nicht zuletzt ausländischer Billigkonkurrenz den Marktzugang erschweren.

Aber geht diese Rechnung auf? Nach so kurzer Zeit lässt sich das noch nicht sagen. Manche Insider bezweifeln jedoch, dass es gerade die regionalen KMU sein werden, die von der neuen Rechtslage profitieren. Selbst wenn sie qualitativ tatsächlich die Besten wären, können sie sich bei Ausschreibungen oft nicht alle Punkte abholen, sagt Rechtsanwalt Manfred Essletzbichler, Leiter der für Verbgaberecht zuständigen Praxisgruppe bei Wolf Theiss. Denn die neuen Qualitätskriterien machen schon das Erstellen des Angebots viel komplizierter– und das kann kleine Unternehmen mit wenig Personal leicht überfordern.

Auch die Judikatur macht ihnen das Leben nicht leichter, denn sie schränkt die Möglichkeiten, Fehler in Angeboten zu korrigieren, seit jeher massiv ein: „Wenn etwas fehlt, darf der Auftraggeber nur ein Mal nachfragen, ein zweites Mal nicht mehr“, sagt Essletzbichlers Teamkollege Johann Hwezda. Viele Angebote müssen somit wegen bloßer Formalitäten ausgeschieden werden. „Das mangelfreie Angebot ist noch nicht erfunden – und oft scheitert gerade der fachlich Beste an formalen Kriterien“, sagt Hwezda.

„Performance oft wichtiger“

Das ist aber noch nicht alles. Um die Qualität beurteilen zu können, verlangen Auftraggeber jetzt oft die Vorlage eines Konzepts und die Präsentation vor einer Jury. Kleine Baufirmen haben aber meist keine Routine darin, ein professionelles Konzept zu erstellen und bei einem Hearing zu überzeugen. Dort beeindrucke eine gekonnte Performance oft mehr als die inhaltliche Qualität der Antworten, sagt Essletzbichler. Großfirmen, die geschultes Personal für solche Auftritte haben, tun sich da meist leichter als „der kleine Baumeister aus der Region“.

Dass die neuen Anforderungen gerade KMU vor Probleme stellen, bestätigt auch eine andere Vergaberechtsspezialistin, Katharina Trettnak-Hahnl von der Kanzlei KWR. Das beginne schon mit dem Umfang der Ausarbeitungen: „Was man da an Unterlagen zusammentragen muss, ist ein ordentlicher Stundenaufwand. Und erfahrungsgemäß muss man ja zehn Angebote hinausschicken, damit man einen Auftrag bekommt.“ Für den Auftraggeber wiederum stelle sich eine Kostenfrage: „Ist mir zum Beispiel ein Konzept wirklich so viel wert, dass ich dafür 500.000 Euro extra zahle?“ Denn der Mehraufwand für die Angebotserstellung schlägt sich letztlich auch im Preis nieder. Der Hintergrund für die Novelle sei verständlich und nachvollziehbar, sagt die Juristin, „Problembewusstsein wäre aber wichtig. Wünschen würde ich mir auch eine wirtschaftliche Evaluierung für KMU.“

Kriterienkatalog

Für die Bauwirtschaft gibt es seit Kurzem einen „Bestbieterkriterienkatalog“, der den Umgang mit den neuen Vorschriften erleichtern soll. Herausgegeben wurde er von der Initiative Faire Vergaben, in der Fachgewerkschaften, Bundesinnungen und Fachverbände zusammenarbeiten – also Vertreter der Bieterseite. Auch eine auf Vergaberecht spezialisierte Anwaltskanzlei, Heid Schiefer, ist mit an Bord. Gedacht ist der Katalog als Hilfsmittel für die Auftraggeber, die enthaltenen Kriterien und Bewertungsregeln sind freilich nicht verbindlich.

Vieles, was in dem Katalog steht, hätte man auch schon bisher, vor der Novelle, als Eignungskriterium festlegen können, meint Essletzbichler dazu. Sein Fazit: „Man könnte die neuen Regeln zwar mit Leben füllen und dadurch wirklich die Qualität steigern. Aber das erfordert viel Aufwand.“

Geschehe das jedoch nicht, bestehe die Gefahr, dass die zusätzlichen Ressourcen, die Auftraggeber wie Bieter jetzt aufwenden müssen, vor allem in ein mühsames Vergabeverfahren fließen – und nicht wirklich in mehr Qualität. Und: „Wenn es nur darum geht, Lohndumping zu bekämpfen – was natürlich ein legitimes Ziel ist – dann gibt es dafür andere Rechtsvorschriften.“ Zu allem Überfluss besteht das Lohndumpingproblem oft auch bei kleineren Aufträgen unterhalb der Millionengrenze – bei solchen greifen die neuen Regeln aber von vornherein nicht.

Nebenbei bemerkt: Die regionale Wirtschaft gegen ausländische Konkurrenz abzuschotten ist kein legitimes Ziel des Vergaberechts, schon gar nicht in der EU – auch wenn dieser Wunsch immer wieder durchklingt. Und, so der Jurist: „Warum sollen ausländische Firmen qualitativ schlechter sein, etwa schlechteres Schlüsselpersonal haben?“ Wenn sie scheitern, dann oft bloß an der Sprachbarriere. Bei einem Hearing zum Beispiel.

AUF EINEN BLICK

Vergaberechtsnovelle. Die „kleine“ Novelle, die im März in Kraft getreten ist, soll das Bestbieterprinzip bei Vergaben stärken. Betroffen ist insbesondere die Bauwirtschaft – so müssen bei Bauaufträgen ab einer Million Euro zwingend Qualitätskriterien definiert werden. Es zählt also nicht mehr nur der günstigste Preis, Ausschreibungen und Angebote werden dadurch jedoch auch aufwendiger und komplexer. Eine „große“ Novelle, die EU-Vorgaben umsetzt, steht noch aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2016)

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