Lohndumping: Strafe wegen nicht bezahlter Löhne?

A man speaks on his phone on a sunny morning as he walks past the columns of the Bank of England in the City of London
A man speaks on his phone on a sunny morning as he walks past the columns of the Bank of England in the City of London(c) REUTERS (ANDREW WINNING)
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Ein Arbeitgeber wurde bestraft, weil er einer Mitarbeiterin den Lohn nicht zahlen konnte. Der VwGH hob die Strafe auf – Entwarnung für Unternehmen bedeutet das aber nicht.

Wien. Lohndumping ist strafbar – das gilt schon seit Jahren. Aber kann sich ein Unternehmer auch strafbar machen, wenn er in wirtschaftliche Probleme schlittert und Löhne nicht auszahlen kann?

Dazu gab es bislang keine höchstgerichtliche Judikatur, jetzt liegt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vor (Ra 2016/11/0007). Für Firmen mit Zahlungsproblemen ist diese einigermaßen alarmierend: Auch in einem solchen Fall sei das objektive Tatbild des Lohndumping erfüllt, heißt es da sinngemäß. Aus welchem Grund nicht gezahlt wurde, spielt demnach nur für die Beurteilung des Verschuldens eine Rolle. Bei bloß geringfügigem Verschulden kann man ohne Strafe wegkommen – freilich nur, wenn man zum ersten Mal gegen das Lohndumping-Verbot verstoßen hat und den ausstehenden Lohn innerhalb einer Frist, die die Behörde festsetzt, nachzahlt.

Was war in dem konkreten Fall passiert? Der Geschäftsführer einer GmbH hatte im Juni und Juli 2014 einige Wochen lang eine Arbeitnehmerin beschäftigt, ihr aber das vereinbarte Entgelt nicht gezahlt. Bei der Bezirkshauptmannschaft Melk fasste er deshalb 1000 Euro Verwaltungsstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe aus. Der Geschäftsführer legte Beschwerde dagegen ein, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bestätigte die Strafe jedoch. Zu Unrecht, wie der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nun entschied. Aber nicht etwa, weil der Vorfall das Tatbild nicht erfüllt hätte – sondern bloß deshalb, weil die Unterinstanz nicht geprüft hatte, wie gravierend das Verschulden des Geschäftsführers war, und ihm keine Chance zur Nachzahlung des ausständigen Lohnes gab.

Anlass war die Ostöffnung

Aber kann ein Vorfall wie dieser überhaupt Lohndumping sein? Diese Regelung ist ja nicht dazu gedacht, Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen abzustrafen, sondern soll verhindern, dass Arbeitnehmer unter dem kollektivvertraglich festgesetzten Mindestlohn bezahlt oder innerhalb des KV zu niedrig eingestuft werden. Eingeführt wurde sie mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz im Jahr 2011, Anlass war die Ostöffnung des Arbeitsmarkts. So argumentierte auch der betroffene Geschäftsführer: Fälle wie der vorliegende, in dem es um eine bloße Unmöglichkeit der Zahlung gehe, seien von der Strafnorm nicht erfasst. Dafür gebe es ohnehin die Möglichkeit, die Forderung gerichtlich geltend zu machen. Und im Fall einer Insolvenz seien Arbeitnehmer durch das Insolvenzentgeltsicherungsgesetz geschützt.

Der VwGH sah das jedoch anders: Nach dem Wortlaut der Regelung erfülle es das Tatbild, wenn man einen Arbeitnehmer beschäftigt und ihm nicht das zahlt, was ihm als Grundlohn zusteht – und gar nichts zu zahlen sei die extremste Form der Unterentlohnung. Und, so das Höchstgericht weiter: Laut den Gesetzesmaterialien wolle es der Gesetzgeber in solchen Fällen eben nicht den Arbeitnehmern allein überlassen, sich mit gerichtlichen Schritten zu wehren – denn aus Angst um ihren Job ziehen Arbeitnehmer nur höchst selten gegen ihren Arbeitgeber vor Gericht. Der Verwaltungsstraftatbestand solle ihnen deshalb zusätzlichen Schutz vor Unterentlohnung bieten. Fazit: Auch wenn ein Unternehmen den Lohn schlicht nicht zahlen kann, kann Lohndumping vorliegen.

Fragen bleiben offen

Der Grund für das Ausbleiben der Zahlung kommt erst bei der Prüfung des Verschuldens ins Spiel. Und da gab das Höchstgericht dann doch dem Geschäftsführer recht: Er habe die Behörde informiert, dass er seiner Arbeitnehmerin „infolge einer Zahlungsstockung“ den Lohn nicht zahlen könne, aber an der Behebung des Problems arbeite. Die Behörde hätte daher nicht von vornherein davon ausgehen dürfen, dass er überhaupt nicht zahlen werde. Möglicherweise sei sein Verschulden nur geringfügig gewesen, die Behörde habe sich aber mit der subjektiven Tatseite gar nicht auseinandergesetzt. Und ihm auch keine Frist für eine Nachzahlung eingeräumt, ihm also die Chance verwehrt, straffrei auszugehen.

Das heißt aber auch, dass dem Arbeitgeber – selbst wenn ihn nur ein geringes Verschulden trifft – die Strafe nicht erspart bleibt, wenn er bis zum Ende der Frist noch immer nicht zahlen kann. Um welches Verschulden es hier überhaupt geht, bleibt freilich offen: Mitarbeiter zu beschäftigen, obwohl man sich ihre Löhne nicht (mehr) leisten kann? Dass man Zahlungsprobleme zu spät erkannt hat? Oder womöglich sogar, ob und inwieweit man die wirtschaftliche Misere verschuldet hat? Klären können auch das nur die Gerichte. Oder der Gesetzgeber.

LEXIKON

Lohndumping. Strafbar macht sich, wer einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. Sind höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe 1000 bis 10.000 Euro pro Arbeitnehmer, im Wiederholungsfall oder bei mehr Betroffenen sind die Strafen höher. Straffreiheit ist bei bloß geringer Unterschreitung des Mindestlohns oder geringfügigem Verschulden möglich, wenn man fristgerecht nachzahlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)

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