Droht das Aus für öffentliches Gratis-WLAN?

(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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EuGH-Urteil. Anbieter könnten verpflichtet werden, von Nutzern Ausweis zu verlangen.

Wien. Bahnfahrer sollen ab Dezember auch in der zweiten Klasse kostenloses WLAN nutzen können, verkündete erst am Dienstag die Deutsche Bahn. 250 ICE-Züge werden entsprechend aufgerüstet, in den kommenden Jahren will man das Angebot auf immer mehr Bahnhöfe, S-Bahnen und Nahverkehrszüge ausweiten.

Freuen dürfte das nicht nur deutsche Bahnfahrer, sondern auch die EU-Kommission – denn die hätte am liebsten freien Internetzugang für alle. Erst kürzlich präsentierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Initiative, 6000 bis 8000 europäische Städte mit Gratis-WLAN auf öffentlichen Plätzen auszustatten.

Ausgerechnet der EuGH bremst nun aber indirekt solche Pläne: Wie in der „Presse“ am Montag kurz berichtet, ging es um das Thema Gratis-WLAN und Urheberrecht – konkret darum, ob jemand, der einen freien Internetzugang anbietet, womöglich für Schäden haftet, die Internetnutzer durch Urheberrechtsverletzungen verursachen. Eine solche Haftung bestehe zwar nicht, entschied der EuGH. Aber: Anbieter von Gratis-WLAN können auf Antrag eines Rechteinhabers sehr wohl gezwungen werden, konkrete Urheberrechtsverletzungen zu stoppen oder zu verhindern (C-484/14).

Grundsätzlich muss zwar der Anbieter die Wahl haben, welche technischen Maßnahmen er dafür ergreift. Laut EuGH kann es aber darauf hinauslaufen, dass der Internetanschluss durch ein Passwort gesichert werden muss, wobei „die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können“. Faktisch hieße das: Wenn es kein technisches System für die Zugangskontrolle gibt, müsste sich jeder, der den Gratiszugang nützen will, vorher ausweisen. Worauf es in der Praxis wohl oft hinausliefe.

Nun mag das etwa in Hotels, in denen Gäste ohnehin einchecken müssen, kein besonderes Problem sein. Ja selbst in einem überschaubaren Geschäftslokal wäre es theoretisch vorstellbar. In Einkaufszentren, auf Flug- oder Bahnhöfen funktioniert das aber nicht, auch nicht auf österreichischen Autobahnrastplätzen der Asfinag, wo es ebenfalls Gratis-WLAN gibt. Genauso wenig sind auf öffentlichen Plätzen, auf denen sich die EU-Kommission künftig freien WLAN-Zugang wünscht, Ausweiskontrollen für Internetnutzer vorstellbar.

Eingriff in Grundrechte?

Nun bedeutet das EuGH-Urteil nicht, dass es solche öffentlich zugänglichen Angebote von vornherein nicht mehr geben dürfte. Ein Problem entstünde erst, sollte an einem öffentlichen Hotspot eine Urheberrechtsverletzung passieren und der Rechteinhaber auf Unterlassung klagen. Sobald aber jemand mit einer solchen Klage durchdringt und das Gericht dem Anbieter entsprechende Maßnahmen aufträgt, könnte dieser sich in letzter Konsequenz gezwungen sehen, sein Angebot einzustellen.

Aber – abgesehen davon, dass sich das mit den Intentionen der EU-Kommission ganz und gar nicht verträgt: Würde das nicht auch der Erwerbsfreiheit widersprechen? Gratis-WLAN ist ja – jedenfalls, wenn Unternehmen es anbieten – meist kein Selbstzweck, sondern ein Serviceangebot und Werbemittel. Lukas Feiler, Anwalt und IT-Rechtsexperte bei Baker & McKenzie, meint denn auch, dass zu dem Thema das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Müssten Unternehmen solche Angebote de facto einstellen, wäre das tatsächlich ein unverhältnismäßiger Eingriff in deren Grundrechte, sagt er.

Feiler wirft noch eine Frage auf – die nach dem Recht auf Anonymität im Web. Vom US-Supreme Court werden anonyme Meinungsäußerung als Teil des Grundrechts auf Meinungsfreiheit anerkannt, in der EU sei man da restriktiver. Es sei auch heikel, räumt Feiler ein. „Aber auch das ist eine Diskussion, die man führen muss.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)

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