Versicherter kommt zu seinem Geld

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Versicherung kann Erfolgsaussichten eines Prozesses auch in zwei Tagen prüfen.

Wien.Wann hat ein Versicherter dem Versicherer mitzuteilen, dass er seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen will?

Der Kläger hatte sich im Jahr 2008 beim Öffnen einer Weinflasche seinen rechten Daumen verletzt. Ein Sachverständiger stellte daraufhin die Invalidität seines Daumens mit 25 Prozent fest. Ein Gutachten, das sich im Nachhinein als falsch herausstellte. Deshalb entschloss sich der Versicherungsnehmer 2014 auch, gegen den Sachverständigen gerichtlich vorzugehen. Sein Anwalt erstattete daraufhin bei der Rechtsschutzversicherung seines Klienten am 26. August 2014 eine Schadensmeldung. Er wies darauf hin, dass die Klage gegen den Sachverständigen unverzüglich einzubringen wäre, zumal sonst eine Verjährung drohe. Die Versicherung reagierte prompt. Sie lehnte in ihrem Schreiben am 28. August die Deckung ab, denn der Kläger habe seine Obliegenheit, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, verletzt. Nach den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung steht es nämlich nicht im Belieben des Versicherten, wann er den Schaden meldet. Insbesondere darf eine verspätete Meldung nicht dazu führen, dass die Versicherung die Erfolgsaussichten des Prozesses nicht ausreichend prüfen und einschätzen kann.

OGH aufseiten des Klägers

Der Kläger akzeptierte die Entscheidung seines Rechtsschutzversicherers nicht. Er brachte die Klage gegen den Sachverständigen am 29. August 2014 trotzdem ein und klagte die Rechtsschutzversicherung auf Übernahme seiner Prozesskosten. Weder beim Erst- noch beim Berufungsgericht hatte er damit Erfolg, beide standen auf dem Standpunkt der beklagten Versicherung, der Kläger habe seine Anzeigepflicht verletzt und daher keinen Anspruch auf Deckung.

Anders jedoch beurteilte der Oberste Gerichtshof den Fall. Er verpflichtete die Versicherung in seiner Entscheidung 7 Ob 140/16p dazu, für alle Kosten der Rechtsverfolgung aufzukommen. Seiner Meinung nach hatte der Kläger nämlich keineswegs gegen irgendeine Obliegenheit verstoßen. Die Versicherung habe in den zwei Tagen ausreichend Zeit gehabt, die Erfolgsaussichten der Prozessführung vor der Klagseinbringung abzuklären. Und darauf käme es an. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2016)

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