Unleidlicher Mieter: Kündigung hält nicht immer

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Mieter, der sein (schlechtes) Benehmen nach einer Kündigung ändert, muss noch eine Chance bekommen, so der OGH.

Wien. Seine Nachbarn muss man nicht mögen. Wenn es aber andauernd Streit gibt und man sich immer wieder zu Ausfälligkeiten hinreißen lässt, riskiert man als Mieter den Verlust seiner Wohnung. So etwas kann unter „unleidliches Verhalten“ fallen, und das ist laut Mietrechtsgesetz (MRG, § 30 Abs 2 Z 3) ein Kündigungsgrund. Wobei es keinen Unterschied macht, ob der Mieter selbst oder seine Mitbewohner sich danebenbenehmen.

Das ist an sich nichts Neues. Womit sich der OGH aber kürzlich auseinandersetzen musste war die Frage, wie es sich auswirkt, wenn jemand nach der Kündigung des Mietvertrags sein Benehmen ändert. Darf man als Vermieter dann trotzdem auf der Räumung der Wohnung bestehen? Nicht immer, entschied das Höchstgericht und gab in dem konkreten Fall der Mieterin recht (8Ob55/16w).

Streitigkeiten ohne Ende

Was war passiert? In einem Gemeindebau hatten die beiden Söhne einer erkrankten Mieterin immer wieder eine Nachbarin beschimpft – warum, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Schließlich kündigte Wiener Wohnen den Mietvertrag auf.

Zeitgleich mit der Zustellung der Kündigung zog die Nachbarin jedoch aus. Und im Gemeindebau kehrte wieder Frieden ein – und das durchaus dauerhaft: Von da an bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts vergingen immerhin drei Jahre, in dieser Zeit gab es keine unliebsamen Vorfälle mehr. Das Berufungsgericht entschied daher, die Zukunftsprognose sei positiv. Die Mieterin dürfe in der Wohnung bleiben.

Bei Wiener Wohnen nahm man das nicht hin, sondern zog vors Höchstgericht – freilich ohne Erfolg. Grundsätzlich seien zwar für die Beurteilung von Kündigungsgründen „die Umstände zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich“, so die OGH-Entscheidung. „Wenn der gekündigte Mieter nach Zustellung der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten einstellt, ist die Verhaltensänderung bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens mitzuberücksichtigen.“ Eine positive Zukunftsprognose könne dazu führen, dass die Klage abzuweisen ist, wenn „die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen werden kann“. Unter Umständen könne sogar auf Entwicklungen Bedacht genommen werden, die „zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bereits in die Wege geleitet wurden“.

Beurteilen könne man das immer nur im Einzelfall, so das Höchstgericht. Hier fand es an der positiven Prognose nichts auszusetzen: Seit dem Auszug der Nachbarin herrsche Ruhe, mit anderen Hausbewohnern gebe es keine Konflikte. Auch dass die Mieterin nun wieder ständig in der Wohnung anwesend war und wegen ihrer Erkrankung daheim betreut wurde, habe zur Beruhigung der Lage beigetragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2016)

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