Gewährleistung: Muss ein Ersatzgerät fabrikneu sein?

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In Dänemark wollte Apple das defekte iPhone eines Kunden nicht gegen ein neues tauschen, sondern bloß gegen ein instandgesetztes. Ein Gericht entschied, das sei rechtswidrig. Was gilt in Österreich?

Wien. Passiert ist die Sache in Dänemark, publik wurde sie aber auch hierzulande: Jemand hatte vor Jahren ein neues iPhone gekauft, dieses wurde innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist kaputt. Apple tauschte es anstandslos aus – jedoch nicht gegen ein neues, sondern gegen ein instandgesetztes Gerät („refurbished“).

Apple argumentierte, solche aus neuen und gebrauchten Komponenten zusammengesetzten Geräte seien insgesamt neuwertig. Der Kunde gab sich damit jedoch nicht zufrieden. Unterstützt von Konsumentenschützern pochte er auf seinen Anspruch auf ein fabrikneues iPhone. Ein Gericht gab ihm nun recht: Es entschied, ein runderneuertes Austauschgerät entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig und hat keine Wirkung über Dänemark hinaus. Es gab aber auch in den Niederlanden einen ähnlichen Fall, der ebenso entschieden wurde. Was heißt das für österreichische Konsumenten? Muss man auch hierzulande damit rechnen, bei einem Austausch gebrauchte Ware zu erhalten? Und ist das laut dem in Österreich geltenden Verbraucherrecht erlaubt?

„Gleichwertiger“ Ersatz

Judikatur dazu gibt es in Österreich noch nicht, das Problem kennt man aber auch hier. „Solche Fälle gibt es immer wieder“, sagt AK-Juristin Jasmin Habersberger. Nicht konkret im Zusammenhang mit Apple, es gehe um verschiedene Branchen und Hersteller. Apple selbst wollte auf „Presse“-Anfrage den dänischen Gerichtsentscheid nicht kommentieren, auch nicht die Umtauschpraxis in Österreich. Dazu verwies man bloß auf die Garantiebestimmungen des Unternehmens, in denen gesetzliche und vertragliche Ansprüche aufgelistet sind (www.apple.com/at/legal/statutory-warranty/). Sowie darauf, dass dem Kunden ein „gleichwertiges“ Ersatzgerät zustehe.

Was heißt das aber konkret? Im Gesetz fehlt eine klare Definition – die Rede ist nur von „Verbesserung oder Austausch“. Wie das auszulegen ist, beurteilen Juristen differenziert. „Wir würden in einem Streitfall genauso argumentieren wie unsere dänischen Kollegen“, sagt Ulrike Dozekal vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Schließlich habe der Kunde fabrikneue Ware gekauft, ein Gebrauchtgerät sei kein gleichwertiger Ersatz. Habersberger meint dagegen, es könne von Fall zu Fall einen gewissen Ermessensspielraum geben. Geht ein Produkt sehr bald nach dem Kauf kaputt, sei klar, dass man als Ersatz wieder etwas Neues bekommen müsse. Habe man das Ding aber schon viele Monate verwendet, könnten Gerichte das vielleicht anders beurteilen, sagt sie.

Auch das Unionsrecht schafft nicht wirklich Klarheit. Zwar regelt eine Verbraucherschutz-Richtlinie die Haftung des Verkäufers für mangelhafte Ware (1999/44/EG), darin ist aber nur von „Ersatzlieferung“ die Rede. „Ob neu oder nicht, ist nicht näher definiert“, sagt Maria Wallner vom Europäischen Verbraucherzentrum Österreich. Zu dieser Streitfrage gebe es auch noch keine EuGH-Judikatur. Wohl aber eine Entscheidung zu einem etwas anders gelagerten Sachverhalt, die Folgendes besagt: Wenn ein Kunde ein neues Austauschgerät erhält, darf der Verkäufer von ihm kein Entgelt dafür verlangen, dass er die ursprünglich gelieferte Sache eine Zeitlang verwendet hat (C-404/06). In dem Urteil heißt es auch, dass ein Verbraucher nicht ungerechtfertigt bereichert wird, wenn er etwas Fabrikneues als Ersatzgerät bekommt – schließlich hat er ja den Kaufpreis bezahlt und somit seine Vertragspflicht erfüllt, während der Verkäufer ihm ursprünglich etwas nicht Vertragskonformes geliefert hat.

Schon bei Übergabe mangelhaft

Bis zu einem gewissen Grad stärkt das auch in einem Fall wie dem aktuellen die Position der Konsumenten. Fraglich ist aber, ob man daraus schließen kann, dass der Kunde immer Anspruch auf ein Neugerät hat. „Die Presse“ fragte auch Simone Petsche-Demmel – eine Anwältin, die normalerweise Wirtschaftstreibende vertritt und nicht Verbraucher. Hier sieht sie jedoch die Kunden in der stärkeren Position: „So gern ich für Unternehmen spreche, glaube ich, dass in diesem Fall die Konsumentenrechte schwerer wiegen.“ Denn der Kunde kann bei Gewährleistungsansprüchen zwischen Reparatur und Austausch wählen – und die Gewährleistung greift überhaupt nur dann, wenn der Mangel schon bei der Übergabe vorhanden war (auch wenn er erst später zutage gekommen ist). Um zu beurteilen, welches Ersatzgerät gleichwertig sei, müsse man daher auf den Zeitpunkt der Übergabe abstellen, argumentiert die Anwältin. So gesehen, werde in den meisten Fällen nur ein fabrikneuer Ersatz in Betracht kommen. Unterschiede im Einzelfall könne es eventuell geben, meint jedoch auch sie, „vielleicht, wenn es um ein Produkt geht, das auch in gebrauchtem Zustand nicht an Marktwert verliert“. Rechtssicherheit wird es auch aus ihrer Sicht erst geben, wenn der OGH solche Fälle entschieden hat.

LEXIKON

Gewährleistung und Garantie. Gewährleistung ist ein gesetzlicher Anspruch, Garantie eine freiwillige Zusage des Herstellers, die darüber hinausgeht – ihr Inhalt hängt von den Vertragsbedingungen ab. Der gesetzliche Anspruch besteht bei Mängeln, die schon bei der Übergabe vorlagen (auch wenn sie erst später zutage treten). Grundsätzlich kann man dann Reparatur oder Austausch verlangen bzw. in bestimmten Fällen Preisminderung oder Vertragsauflösung (Wandlung).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2016)

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