Ausschüttung von 7,4 Euro beschäftigte den OGH

(c) Clemens Fabry
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Ein Zwergaktionär begehrte auf. Vom Vollausschüttungsgebot kann eine AG nicht so einfach abgehen.

Wien. Die Hauptversammlung der Beko-Holding, einer Familien-Aktiengesellschaft, beschloss 2015, nicht den gesamten Bilanzgewinn von etwa zehn Mio. Euro auszuschütten, sondern lediglich eine Million davon. Dagegen erhob ein Kleinaktionär der Gesellschaft, konkret der Verein für Kapitalmarkttransparenz, Widerspruch. (Der Verein hat das Ziel, die Interessen und Rechte von Aktionären zu wahren.) Er verlangte die Ausschüttung des gesamten Bilanzgewinns an die Aktionäre. Der angefochtene Beschluss widerspreche dem Gesetz. Das sehe nämlich vor, dass der Bilanzgewinn vollständig an die Aktionäre auszuschütten sei, sofern die Satzung nichts anderes vorsehe. Sie sah im konkreten Fall nichts anderes vor, sondern lediglich, dass „die Hauptversammlung alljährlich [. . .] über die Verwendung des Bilanzgewinns beschließt [. . .]“. Bemerkung am Rand: Der Kläger war tatsächlich ein Klein(st)aktionär. Bei einer Vollausschüttung hätte sein Gewinnanteil 7,42 Euro betragen.

Die beklagte AG beantragte die Abweisung der Klage. Nur 5,25 Prozent der Aktien befänden sich im Streubesitz. Die Satzung – so sei sie bisher jedenfalls immer verstanden worden – würde die Aktionäre auch dazu ermächtigen, den Bilanzgewinn anders als durch Ausschüttung zu verwenden. Eine Vollausschüttung des erwirtschafteten Bilanzgewinns laufe zudem den auf Eigenkapital basierenden Finanzinteressen der AG zuwider. Das Begehren des Klägers verletze nicht nur seine Treuepflicht, sondern sein Begehren sei auch rechtsmissbräuchlich.

Das Erstgericht sah das ganz ähnlich. Es sei schikanös, wegen eines Interesses von 7,42 Euro die AG zur Ausschüttung eines Betrags von 10,2 Mio. Euro zu zwingen. Anders urteilte das Berufungsgericht: In der zitierten Satzungsbestimmung liege keine Ermächtigung im Sinn des Aktiengesetzes, den Bilanzgewinn ganz oder teilweise von der Verteilung auszuschließen. Es handle sich auch um kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers, zumal das Gesetz jedem (auch einem Zwerg-)Aktionär, der an der Hauptversammlung teilnimmt, ein Anfechtungsrecht zugestehe, wenn sein Aktionärsrecht auf Gewinnbeteiligung durch einen Gewinnverwendungsbeschluss verletzt werde.

Die Causa landete beim Obersten Gerichtshof (OGH), der Folgendes dazu sagte: Gewinnverwendungsvorschriften müssen– wie grundsätzlich alle korporativen Satzungsbestimmungen – klar formuliert sein. Die Formulierung der vorliegenden Satzung, wonach die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheidet, wiederholt nur die gesetzliche Kompetenzverteilung und stellt keine ausreichende Grundlage für den Vortrag des Bilanzgewinns dar, auch wenn dies bisher stets anders gehandhabt wurde. Auch eine personalistische Strukturierung (ca. 95 % der Aktien befinden sich im Besitz zweier Familien) vermag am Gebot der objektiven Auslegung nichts zu ändern.

Und: Auch ein Zwergaktionär handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er wie hier mittels Anfechtungsklage wegen seines minimalen Gewinnanteils von etwa sieben Euro die Gesellschaft zur Ausschüttung des Gesamtgewinns von rund zehn Mio. Euro zwingen will. Im Regelfall muss kein Aktionär seine Ausschüttungsinteressen dem Gesellschaftsinteresse unterordnen. Das Gesetz beschränkt die Förderpflicht des Aktionärs auf die Leistung der Einlage und gegebenenfalls auf die Erbringung satzungsmäßig festgelegter Nebenleistungen. Eine Pflicht des Aktionärs zu weiteren Vermögensopfern besteht nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2016)

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