Lkw-Kartell: Droht bald Verjährung von Ansprüchen?

(c) Clemens Fabry
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Deutsche Websites warnen vor Verjährung - gilt das auch für Österreich?

Wien. Bei Geschädigten des Lkw-Kartells wuchs in den vergangenen Wochen die Nervosität: Ihre Ansprüche könnten bald verjähren, ließen vor allem in Deutschland Anwälte und Prozessfinanzierer verlauten und drängten auf eine rasche Einbringung von Klagen. Je nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses könnten schon Mitte Jänner 2017 Verjährungsfristen enden, wird auf deutschen Websites gewarnt.

Gilt das auch für Österreich, wird auch hier die Zeit knapp, um Schäden durch die Preisabsprachen auf dem Lkw-Markt geltend zu machen? Das fragen sich heimische Unternehmer. Entsprechend viel Andrang herrschte bei einer Infoveranstaltung, zu der die Wirtschaftskammer vergangenen Dienstag lud. Auf dem Podium standen unter anderem die Wiener Rechtsanwälte Stephan Polster und Ingo Kapsch.

Wann beginnt Fristenlauf?

Was die Verjährung von auf dem österreichischen Markt eingetretenen Schäden betrifft, gibt Kapsch Entwarnung: „Gute Gründe sprechen dafür, dass die subjektive Verjährungsfrist noch gar nicht begonnen hat.“ Diese Frist dauert drei Jahre, durch die geplante Kartellgesetznovelle soll sie auf fünf Jahre verlängert werden. Zu laufen beginnt sie, vereinfacht gesagt, sobald der Geschädigte über den Wettbewerbsverstoß, den Schaden und den Schädiger Bescheid weiß. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beginne der Fristenlauf jedoch erst ab der Veröffentlichung der anonymisierten Kartellentscheidung, erläutert Kapsch im Gespräch mit der „Presse“.

Die Entscheidung zum Lkw-Kartell wurde noch nicht veröffentlicht, bislang gab die EU-Kommission nur eine Pressemitteilung heraus. Diese stammt vom Juli des Vorjahres und informiert über einige Eckdaten – vor allem über die Rekordgeldbuße von insgesamt knapp 2,93 Mrd. Euro, die über Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault verhängt wurde. Der fünfte Kartellteilnehmer, MAN, war Kronzeuge und kam straflos davon. Die Entscheidung selbst könnte dem Vernehmen nach heuer im Februar publiziert werden – das wäre dann wohl der Startschuss für die subjektive Verjährung.

Daneben gibt es auch eine objektive Verjährungsfrist. Diese beträgt derzeit 30 Jahre. Durch die Reform soll sie zwar auf zehn Jahre verkürzt werden, laut dem Gesetzesentwurf soll sie künftig jedoch frühestens ab der Einstellung der Kartellhandlungen zu laufen beginnen. Geendet hat das Lkw-Kartell im Jahr 2011, die objektive Verjährungsfrist könnte somit frühestens 2021 ablaufen.

„Mit Klage noch warten“

Geschädigte in Österreich sollten jetzt Belege und Unterlagen sammeln, mit einer Klage jedoch noch warten, rät Kapsch. Einerseits auf die Veröffentlichung der Kartellentscheidung, deren Details man kennen sollte, bevor man eine Klage einbringt, andererseits aber auch auf das Inkrafttreten der Kartellgesetznovelle. Denn diese bringt einige Erleichterungen für Schadenersatzkläger – unter anderem die sogenannten Discovery-Regeln, wonach man beantragen kann, dass die Gegenseite Beweismittel offenlegen muss. Das könnte auch hier bereits zum Tragen kommen, denn es soll nicht nur für Schäden aus künftigen Kartellen gelten, sondern für alle Verfahren, die nach Inkrafttreten der neuen Regeln eingeleitet werden.

Aber wer kann überhaupt Schadenersatz geltend machen? Zunächst einmal Lkw-Käufer, die der Ansicht sind, überhöhte Preise gezahlt zu haben – aber nicht nur diese. „Auch mittelbar Geschädigte kommen in Betracht, etwa Leasingnehmer oder Käufer gebrauchter Fahrzeuge“, sagt Stephan Polster. Auch wer meint, dass er wegen des Kartells etwa höhere Transportkosten gezahlt hat, kann sich theoretisch zu den mittelbar Geschädigten zählen. Nur wird es in solchen Fällen wohl noch schwieriger, einen Schaden zu beziffern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)

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