Facebook gewinnt gegen Flüchtling

Anas Modamani mit Angela Merkel
Anas Modamani mit Angela Merkel(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Facebook muss verleumderische Beiträge nicht aktiv suchen und entfernen. Ein syrischer Flüchtling verlor vor einem Würzburger Gericht gegen den US–Konzern.

Wien. Anas Modamani hatte im September 2015 ein Selfie mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel geschossen, kurz nachdem er in einer Flüchtlingsunterkunft angekommen war. Diese Szene hielten Fotografen fest, die Bilder des syrischen Flüchtlings mit Merkel gingen um die Welt.

Rückblickend betrachtet bereut Anas Modamani wohl, dass diese Fotos geschossen wurden. Denn unbekannte Facebook-User stellten Modamani mehrfach in Fotomontagen völlig zu Unrecht als Verbrecher dar. Sie unterstellten dem Syrer unter anderem, er habe etwas mit der Attacke auf einen Obdachlosen in Berlin und auch mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt zu tun.

Modamani wollte sich diese Verleumdungen verständlicher Weise nicht gefallen lassen und forderte Facebook auf, nicht nur die Originalbeiträge zu löschen, sondern auch alle Duplikate. Doch das tat der amerikanische Konzern nicht, weshalb sich der Syrer gezwungen sah, Facebook darauf zu klagen, überall auf der Plattform sämtliche diffamierende Bilder unverzüglich zu löschen.

Die Entscheidung des Gerichts erwartete nicht nur der 19-jährige mit Interesse, geht es doch letztlich um die Rechtsfrage, ob Facebook von sich aus aktiv zu werden hat, wenn eine unschuldige Person zu Unrecht als Straftäter oder Attentäter verunglimpft wird.

Facebook nicht verantwortlich

Facebook verneinte eine derartige Verpflichtung im Vorfeld, schließlich sei es für die Inhalte seiner Nutzer nicht verantwortlich. Wenn ein User sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühle, hat er Facebook demnach selbst die entsprechenden Beiträge zu melden. Erst dann sieht sich das Online-Netzwerk veranlasst, die Inhalte auf ihre Rechtswidrigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu löschen.

Und tatsächlich ist der Konzern nicht dazu verpflichtet, mehr zu tun. Facebook muss in seinem Netz weiterhin nicht aktiv nach rechtswidrigen Inhalten gegen einen Flüchtling suchen und diese löschen. Das entschied das Landgericht Würzburg am Dienstag.

Facebook habe sich nicht an den Verleumdungen beteiligt oder sich die Inhalte zu eigen gemacht, hieß es zur Begründung seitens des Vorsitzenden Richters der Ersten Zivilkammer. Es handelt sich somit um fremde Inhalte der Nutzer des Portals.Der Syrer muss weiterhin selbst verleumderische Beiträge gegen ihn suchen und melden.

Für den Anwalt von Anas Modamani, Chan-jo Jun, zeige das Urteil, dass Facebook-User gegen den mächtigen Konzern einfach nicht ankämen. Er sieht nun vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht, weil Appelle an die Freiwilligkeit nicht ausreichten. Hohe Geldstrafen seien notwendig, es müsse Unternehmen wie Facebook finanziell wehtun, geltendes Recht zu verletzen. Der Fall wurde übrigens in Würzburg verhandelt, weil der Anwalt des Flüchtlings seine Kanzlei in der Residenzstadt hat. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2017)


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