Was bringt die Reform der Gewerbeordnung?

V. l.: Bernhard Müller, René Tritscher, Therese Niss, Judith Hecht (Moderation), Rosemarie Schön, Josef Muchitsch
V. l.: Bernhard Müller, René Tritscher, Therese Niss, Judith Hecht (Moderation), Rosemarie Schön, Josef Muchitsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Experten diskutierten die Novelle des Gewerberechts. Bis zum Sommer soll sie stehen – aber noch gibt es einige Streitpunkte. Den einen geht die Reform zu weit, den anderen nicht weit genug.

Wien. Die Reform der Gewerbeordnung ist immer noch umstritten – so sehr, dass sie, anders als geplant, am Dienstag doch nicht auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses stand. Alles halb so schlimm, beruhigten politische Akteure am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion zum Thema: „Bei den Zielen sind wir uns einig, nur der Weg ist unterschiedlich“, sagte René Tritscher, stellvertretender Generalsekretär des Wirtschaftsbundes.

Josef Muchitsch, SPÖ-Abgeordneter und Chef der Gewerkschaft Bau-Holz, zeigte sich ebenfalls versöhnlich: Lediglich in ein paar Punkten gebe es noch „Nebel“ – etwa bei kollektivvertraglichen Fragen, wenn Unternehmen Nebenleistungen erbringen. Bis zum Sommer sollte die Reform aber stehen, meinten beide.

Zur Diskussion geladen hatte die Anwaltskanzlei Dorda. Bernhard Müller, der dort den Public Law Desk leitet, erklärte die Kernpunkte der Novelle: Für die sogenannten Teilgewerbe – das sind solche mit reduziertem Tätigkeitsfeld, etwa Änderungsschneider oder Friedhofsgärtner – soll man künftig keinen Befähigungsnachweis mehr brauchen. Klargestellt werden soll auch, in welchem Umfang Gewerbetreibende Nebenleistungen aus anderen Bereichen erbringen dürfen: Bei freien Gewerben soll das künftig in einem Ausmaß von höchstens 30 Prozent, bei reglementierten bis zu 15 Prozent erlaubt sein.

Änderungen soll es auch im gewerblichen Betriebsanlagenrecht geben. Sie zielen vor allem darauf ab, die Verfahrensdauer zu verkürzen. Therese Niss, Chefin der Jungen Industrie, kann dem viel abgewinnen: „Da geht vieles in die richtige Richtung.“ Das war es dann aber auch schon mit Lob: Insgesamt sei die Reform „nicht bahnbrechend“, sondern „der kleinste gemeinsamer Nenner“. Und zudem in vieler Hinsicht typisch österreichisch: „Da wird etwas groß angekündigt, dann diskutiert und viel Papier produziert, und am Ende bleibt wenig übrig.“ Vor allem stört Niss, dass es mit der angedachten einheitlichen Gewerbeberechtigung nun doch nichts wird: „Ein erleichterter Marktzugang würde Österreich gut tun. Da hätten wir mehr erwartet.“

Verfassungsrechtliches Thema?

Andere Diskutanten warnten dagegen vor solchen Bestrebungen. Acht von zehn heimischen Lehrlingen würden in reglementierten Gewerben ausgebildet, sagte Rosemarie Schön, die in der WKÖ die rechtspolitische Abteilung leitet. Und überhaupt: „Was ist schlecht daran, sich zu qualifizieren?“ Eine verpflichtende Haftpflichtversicherung für alle – auch diese Idee gab es, sie wurde jedoch wieder verworfen – wäre ein wesentlich ärgeres Hemmnis, meinte Schön. Sie warnte auch vor der Idee eines „freien Gewerbes, bei dem jeder macht, was er will“: „Das wird von uns klar abgelehnt.“

Dass das zu weit ginge, fand auch Müller, wies jedoch auf ein mögliches verfassungsrechtliches Thema bei der derzeitigen Regelung hin: Schon einmal – bei den Berufsfotografen – hat der Verfassungsgerichtshof eine Reglementierung als Verstoß gegen die Erwerbsfreiheit gekippt (G49/2013). Vereinfacht gesagt, kam das Höchstgericht zum Schluss, die Reglementierung sei bei diesem Beruf weder für die Gefahrenabwehr noch für den Konsumentenschutz nötig. Bei anderen Gewerben, die ebenfalls nicht mit besonderen Gefahren verbunden sind, könnte das ebenso der Fall sein, meinte Müller. Und warf die Frage auf, was etwa beim Gastgewerbe der Befähigungsnachweis bringen soll: „Auch ein Jurist darf doch ein Gasthaus aufmachen.“ (cka)

AUF EINEN BLICK

Clarity Talks. In dieser Veranstaltungsreihe fand in der Kanzlei Dorda am vergangenen Dienstag, 14. März, eine Podiumsdiskussion zur Gewerbeordnungsnovelle 2016 statt. Das Thema: Wird sie ein großer Wurf – oder ist sie bloß Makulatur?

Bei dieser Veranstaltung war die „Presse“ Medienpartner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2017)

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