Steuern: Aus 155 Euro werden 20 Euro für den Friseur

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Wie viel muss ein Arbeitgeber zusätzlich zahlen, damit sein Arbeitnehmer sich einen weiteren Haarschnitt leisten kann? – Eine Rechnung als Plädoyer gegen die bevorstehende Erhöhung der Steuerlast.

Wien. Nun liegen die Details zum „größten Sparpaket der Republik“ also vor. Obwohl die Voraussetzungen, mit dem Paket den großen Wurf zu landen, wohl kaum besser hätten sein können, sind die notwendigen wesentlichen Strukturreformen ausgeblieben. Zwar kann man den Regierungsparteien gewisse Bemühungen, auch ausgabenseitige Maßnahmen zu treffen, nicht absprechen, zu einem wesentlichen Anteil erfolgt die Finanzierung aber doch wieder einnahmenseitig. So kommt z.B. eine Besteuerung der Immobiliengewinne (Abschaffung der Spekulationsfrist, Besteuerung von Umwidmungsgewinnen, aber auch Einschränkung des Vorsteuerabzugs). Das so generierte Aufkommen wird aber leider nicht dazu verwendet, die Lohnnebenkosten zu senken, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu stärken. Ganz im Gegenteil werden vor allem auch wieder die Arbeitnehmer zur Kasse gebeten. Wie bereits zuvor angekündigt, wird ein „Solidarbeitrag“ von „Spitzenverdienern“ eingehoben. Dafür, dass die Belastung aber auch die weniger gut Verdienenden trifft, sorgt eine Erhöhung der Höchstbemessungsgrundlage in der Sozialversicherung. Bevor aber den Steuerzahlern weitere Steuern und Abgaben aufgebürdet werden, sollte man sich ein Bild von der tatsächlichen Abgabenbelastung machen, da die bloße Orientierung an Steuersätzen zu kurz greift.

Insbesondere bei Gehältern bleibt die wahre Belastung nämlich meist im Verborgenen. Der Grund dafür ist, dass die Lohnsteuer, aber auch sämtliche Sozialabgaben vom Arbeitgeber einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden. Die meisten Arbeitnehmer interessiert im Wesentlichen, „was netto übrig bleibt“. Das ist schade, denn eine gewisse Transparenz in diesem Bereich würde der derzeit geführten Diskussion nicht schaden.

Ein paar Fakten: Einkommen ab 60.000 Euro jährlich unterliegen dem Spitzensteuersatz von 50%. Doch damit ist es noch lange nicht getan. Neben den Steuern sind vom Arbeitnehmer bis zu einem Einkommen von (derzeit noch) 4230 Euro monatlich (Höchstbemessungsgrundlage) Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18,05% zu zahlen. Und schließlich – diese Tatsache bleibt für Arbeitnehmer meist vollständig verborgen – zahlt der Arbeitgeber vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers noch einmal bis zu 31,26% Lohnnebenkosten. De facto bedeutet dies, dass die Gesamtbelastung schon bei recht bescheidenen Gehältern in Höhe von ca 2500 Euro brutto monatlich 50% beträgt.

Da bloße Prozentsätze sehr abstrakt sind, soll die Auswirkung unseres Steuer- und Sozialversicherungssystems anhand einer Frage etwas plakativer dargestellt werden: Wie viel muss ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer (zusätzlich) zahlen, damit dieser sich einen (zusätzlichen) Haarschnitt leisten kann, für den dem Friseur 20 Euro netto verbleiben? Die kaum zu glaubende Antwort: 155 Euro.

Um auf diesen Betrag zu kommen, muss der Arbeitgeber nämlich zunächst einmal ein Bruttogehalt von 118 Euro auszahlen. Dabei sind Arbeitgeberbeiträge in Höhe von 36,80 Euro (zusätzlich) zu entrichten und Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 21,30 Euro abzuziehen. Somit verbleiben nur noch 96,70 Euro. Diese werden der Einfachheit halber – Experten mögen hier eine kleine Ungenauigkeit bezüglich der Höchstbemessungsgrundlage nachsehen – einem Steuersatz von 50% unterworfen. Nach Steuern und Sozialversicherung ergibt sich ein Nettobetrag von 48,35 Euro. Diesen Betrag (35 Cent als steuerfreies Trinkgeld) bezahlt der Arbeitnehmer dem Friseur für den Haarschnitt. Der Friseur hat seinerseits gleich einmal acht Euro als Umsatzsteuer abzuführen. Sollte er ein Einkommen von 60.000 Euro jährlich erzielen, muss er zusätzlich die Hälfte von 40 Euro als Einkommensteuer an den Finanzminister abführen. Von den ehemals vom Arbeitgeber bezahlten 155 Euro verbleiben dem Friseur noch 20 Euro. 135 Euro versickern in den Abgründen unseres Sozialstaates. Unglaublich, oder?

Nun kann dem natürlich entgegengehalten werden, dass das Beispiel von einem Spitzensteuersatz von 50% ausgeht und diese Belastung ohnehin nur die „Besserverdiener“ treffe. Aber auch dann, wenn unser Friseur ein Kleinverdiener ist, muss er von jedem Euro, den er über 11.000 jährlich verdient, 53 Cent (26,68% Sozialversicherung, 36,5% Einkommensteuer auf den Nettobetrag) an den Finanzminister abgeben.

Mehrwert- auf Mineralölsteuer

Doch es geht noch weiter. Der Friseur hat drei Kunden und verdient somit 60 Euro. Dass mit diesen Einkünften auch Kosten wie Miete, Betriebsmittel und Gehälter verbunden sind, lassen wir einmal außer Acht. Mit den 60 Euro tankt der Friseur sein Auto voll. Pro Liter Benzin zahlt er 48,2 Cent Mineralölsteuer. Damit jedoch nicht genug, werden auf den Benzinpreis (und somit auch auf die Mineralölsteuer selbst!) noch einmal 20% Mehrwertsteuer erhoben. Die Steuerbelastung für einen Liter Benzin beträgt somit ca 51%.

Die Liste der Steuerbelastungen ließe sich noch lange fortführen. Als nächstes wäre wohl die Belastung der Raucher durch die Tabaksteuer anzuführen, bezüglich welcher aber mangels persönlicher Betroffenheit des Autors keine Berechnungen durchgeführt wurden.

Schon die wenigen Beispiele zeigen aber, dass das System einnahmenseitig ausgereizt ist. Jeder Politiker, der dies nicht verstehen will, sollte – zumindest kurz – ein kleines Unternehmen führen und monatlich Gehälter seiner Mitarbeiter inklusive Lohnnebenkosten auszahlen. Vielleicht würde dann verstärkt der Versuch unternommen werden, die ausufernden Staatsausgaben in den Griff zu bekommen, statt sich ständig Gedanken über neue Steuern zu machen.

Dr. Helmut Moritz ist Steuerberater in Wien und Lektor am Institut für Finanzrecht der Universität Graz.

Auf einen Blick

Damit ein Unternehmer netto 20€ von seinem Kunden einnehmen kann, muss dieser von seinem Arbeitgeber 155 € brutto mehr erhalten: 36,80 € sind Arbeitgeber-, 21,30 € Arbeitnehmerbeiträge, nach Steuern und Sozialversicherung bleiben 48 €. Der Unternehmer zahlt 8 € Umsatz- und bis zu 20 € Einkommensteuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2012)

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