Diskussion: "Der Ehrgeiz hat abgenommen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Jungen von heute seien bescheiden und seltener bereit, ins Ausland zu gehen, sagt KTM-Chef Stefan Pierer. Das Verständnis für Marktwirtschaft sei hierzulande mangelhaft.

Wien. Als er vor zwölf Jahren an die Wiener Wirtschaftsuniversität berufen wurde, sei er von einigen Kollegen noch als überflüssig bezeichnet worden, weil sich kaum jemand für das Thema Entrepreneurship interessiert habe, sagte Nikolaus Franke, Vorstand des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der WU, vor Kurzem im Interview mit der „Presse“. Der Traumberuf vieler WU-Studenten sei damals Beamter gewesen.

Beamter wollte Stefan Pierer nie werden. 1987 gründete er mit Anfang 30 die Beteiligungsgesellschaft Cross Industries, Anfang der 1990er-Jahre kaufte er den insolventen Motorradhersteller KTM. 2012 setzte Cross Industries 826 Millionen Euro um. Unternehmer würden in Österreich kritisch gesehen, so Pierer am Montagabend im Rahmen von „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“. Aus seiner Sicht liegt das daran, dass „das Verständnis, wie Marktwirtschaft funktioniert, mangelhaft“ sei und dass in Erziehung und Ausbildung überwiegend marktkritische Positionen vermittelt würden. Dabei sei der Unternehmer das Rückgrat des Gemeinwohls: „Es ist nicht die ureigenste Aufgabe des Unternehmers, Arbeitsplätze zu schaffen, aber es ist die Folge seines Erfolges.“

Nikolaus Franke von der WU sieht in Österreich ein hohes Potenzial für Unternehmensgründungen: Es gebe gute Universitäten und ein hohes Maß an Kreativität. „Aber wir machen zu wenig aus diesem Potenzial“, so Franke am Montag. Was das Umfeld für Unternehmensgründungen betrifft, habe sich Österreich verbessert: Im „Global Entrepreneurship Monitor“, der weltweit größten Vergleichsstudie zur unternehmerischen Aktivität, lag Österreich im Jahr 2012 auf dem fünftbesten Platz – 2005 erst auf dem 18. „Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, dass sich der eine oder andere Indikator verbessert hat“, so Franke.

Angst bremst Gründergeist

Stattdessen müsse in Entrepreneurship investiert werden. Zum einen nannte Franke den Abbau von Bürokratie, um Gründungen zu erleichtern. Vor allem aber würden junge Menschen durch die in Österreich vorherrschende Mentalität vom Gründen abgehalten: Die Angst davor, zu scheitern und dafür gesellschaftlich geächtet zu werden, bremse den Gründergeist in Österreich, sagt Franke. In der Schule werde zu viel Wert auf das Vermeiden von Fehlern gelegt – damit würden die Menschen zur Risikoscheue erzogen, so Franke.

Für Pierer ist Unternehmergeist ein Persönlichkeitsmerkmal. „Oft sind das auch Leute, die in der Jugend nicht ganz einfach waren. Ich war kein braves Kind“, sagt er. Das Schönste am Unternehmertum sei für ihn „die Freiheit, selbst zu entscheiden, was man tut“. Das Geld, das er verdient habe, habe er immer wieder in den Ausbau des Unternehmens gesteckt. Pierer ist stolz, dass er seinen Erfolg keinen politischen Seilschaften zu verdanken hat. „Sie brauchen ein Netzwerk als Unternehmer. Aber dieses alte politische Netzwerk ist längst tot. Viele haben es nur noch nicht begriffen.“
Pierer kritisiert die junge Generation in Österreich: Der Ehrgeiz und die Bereitschaft, sich weltweit zu bewegen, hätten im Vergleich zu früher abgenommen. „Diese Generation ist bescheiden“, so Pierer. Wofür auch die Eltern mitverantwortlich seien: „Wir als Eltern haben versucht, ihnen alles abzunehmen.“

Jung beginnen ist leichter


Auch nicht gerade positiv wirke sich die Unterfütterung der Gesellschaft durch den europäischen Wohlfahrtsstaat aus. „Jeder meint, dass er aus dem System mehr herauskriegen sollte, als er hineingibt. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.“ Pierer wirbt unter den Jungen eifrig dafür, ins kalte Wasser zu springen. Menschen, die damit liebäugeln, sich selbstständig zu machen, rät er, schon früh zu beginnen – wie er das gemacht hat: „Da hat man nichts zu verlieren. Den Jungen möchte ich sagen: Probiert es.“ (hie)

Auf einen Blick

Praxis trifft Wissenschaft. Im Rahmen von „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ sprechen Topmanager und Wissenschaftler über aktuelle wirtschaftliche Themen. Im Anschluss moderiert „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak eine Publikumsdiskussion. Der Termin für die nächste Veranstaltung wird demnächst bekannt gegeben. Weitere Infos und Anmeldung unter diepresse.com/unplugged. Die Veranstaltung ist eine Kooperation der „Presse“, der Erste Group und der WU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2014)

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