Treichl: "Der Diskurs mit der Politik ist mangelhaft"

Andreas Treichl
Andreas TreichlDie Presse (Clemens Fabry)
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Interview. Erste-Chef Andreas Treichl über falsche Regulierungen, die Gesprächsbasis der Wirtschaft mit der österreichischen Regierung und seine angeblichen Ambitionen, Finanzminister zu werden.

Die Presse: Das Image der Banker hat in der Krise gelitten. Tragen Sie eine kugelsichere Weste?

Andreas Treichl: Nein, das Bankenbashing ist differenzierter geworden. Aber der Politik ist es gelungen, die Banken für im Grunde alles verantwortlich zu machen.

Unser Eindruck ist, dass das Image der Banken in der Politik nicht das beste ist. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) besteht darauf, dass sie die Bankenabgabe weiter zahlen, auch wenn sie in den EU-Abwicklungsfonds einzahlen. Wie ist denn die Gesprächsbasis mit der Regierung?

Wir bemühen uns sehr, eine gute Gesprächsbasis aufzubauen. Die Belastungen noch zu erhöhen wäre extrem schädlich für die österreichische Wirtschaft. Das ist ein ideologisch-populistischer Weg, Budgetnöte zu lösen. Die Erste hatte im Vorjahr 680 Mio. Euro Vorsteuergewinn, davon zahlten wir 620 Mio. Euro Körperschaftsteuer und Bankenabgabe - 90 Prozent. Ich möchte erreichen, dass wir das mit den wesentlichen Personen in der Politik so besprechen können, dass sie die Problematik erkennen.

Angela Merkels Kontakte zu den Banken sind so gut, dass sie ihr ordentlich Kritik eingebracht haben. Haben Sie regelmäßig Kontakt mit dem Finanzminister?

Nicht so regelmäßig, dass man ihn kritisieren könnte. Es sollte einen regeren Austausch zwischen Wirtschaft und Politik geben. Die Banken dienen ja im Wesentlichen nur der produzierenden Wirtschaft. Die Interessen der Industrie und der Klein- und Mittelbetriebe gehen sehr konform mit jenen der Banken. Da ist der Diskurs mit der Politik mangelhaft.

Welche Schulnote geben Sie der Regierung in puncto Wirtschaftsverständnis?

(lacht) Nice try.

In der Krise wurden einige Regulierungen umgesetzt: Basel III, die Bankenunion etc. Ist Europa für die nächste Krise gewappnet?

Viele Eckpfeiler der Bankenregulierung, höhere Eigenkapitalvorschriften, strengere Liquiditätsvorschriften, sind gut. Schlecht ist hingegen, dass Geschäftsbanken wie wir, die sich im Wesentlichen mit Privatkunden und KMU beschäftigen, schlechter behandelt werden als Investmentbanken. Alles in allem ist es ein viel zu dickes, kompliziertes Werk, aus dem ein paar Punkte bestimmt zur Sicherheit des Finanzwesens beitragen.

Hat man schnell genug reagiert, oder dauerte es zu lange?

In Europa dauert alles zu lange. Aber das wirkliche Problem sehe ich darin, dass wir viele Fragen nicht beantwortet haben.

Zum Beispiel?

Eine gemeinsame Aufsicht ist hilfreich, aber das ist noch keine Bankenunion. Dazu gehört eine gemeinsame Einlagensicherung. Das bedingt, dass überall die gleichen Aufsichtsbedingungen gelten. Dann verstehen internationale Investoren wieder, wie das europäische Bankwesen funktioniert. Das Problem ist, dass es immer noch nationale neben europäischen Lösungen gibt.

Haben die USA die Bankenkrise besser bewältigt?

Keine Diskussion, natürlich. Aber es war auch einfacher. Was an Europa schön und interessant ist, macht es auch kompliziert. Amerika sind die Vereinigten Staaten. Europa nicht.

Bei uns muss der Steuerzahler einspringen, in den USA wurden Banken in die Pleite geschickt. Hätte man das besser auch in Europa so machen sollen?

Da gibt es so viele Begriffsverwirrungen. Was heißt pleitegehen lassen? In den USA ist eine einzige Bank pleitegegangen, das war Lehman Brothers, und das hat eine unfassbare Schockwelle ausgelöst. Alle anderen 3000 Banken wurden von anderen Banken aufgefangen. Die Einleger wurden im Wesentlichen schadlos gehalten. Ob da jetzt eine Insolvenz involviert war oder nicht, ist irrelevant. Mein Traum ist, dass wir in Europa schnell dorthinkommen, dass, wenn eine Bank es nicht schafft, der Eigentümer die Konsequenzen trägt. Am Schluss muss genügend übrig bleiben, damit die Sparer ihr Geld bekommen.

"Presse"-Veranstaltung

Praxis trifft Wissenschaft. Im Rahmen von „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ sprechen Topmanager und Professoren über aktuelle wirtschaftliche Themen. Am 9. 4. diskutieren Erste- Group-Vorstand Andreas Treichl und Josef Zechner vom Institut für Finance und Investments der Wirtschaftsuniversität Wien über die Auswirkungen von Finanzmarktregulierungen auf die europäische Wirtschaft.

Im Anschluss moderiert "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak eine Publikumsdiskussion. Informationen und Anmeldung unter diepresse.com/unplugged.

Sie waren Befürworter einer Hypo-Insolvenz. Verstehen Sie, dass davon abgesehen wurde?

Ja, wenn man das gut machen will, müssen alle an einem Strang ziehen. Das muss ordentlich geplant sein, mit klaren Aussagen.

Was wären die Folgen einer Pleite gewesen?

Das kann man vorher nicht sagen, ein Insolvenzverfahren ist immer ein Risiko. Aber man hätte sich unter Umständen vier oder fünf Milliarden erspart. Die Alternative ist, es gar nicht zu probieren und gleich den Maximalschaden in Kauf zu nehmen. Die Hypo wäre auch ein Anlass gewesen klarzustellen, dass der Staat nicht mehr für ein Bundesland garantiert, das seine Zahlen nicht vorlegt. Da wird darüber gebrütet, wie man das Budget Maastricht-konform macht, und Österreich lässt seine Länder machen, was sie wollen, und garantiert für ihre Bonität? Das ist doch Irrsinn.

Wie sehen Sie die Zukunft Europas? Befindet sich Europa auf der Verliererstraße?

Wir sind am Anfang eines langfristigen Prozesses, da muss man über Generationen denken. In so einem Prozess läuft natürlich vieles schief. Die Kontrolle über die Institution Brüssel ist etwas ausgeufert. Ich glaube, dass wir in der Regulierung zu weit gehen, und das wachstumshemmend wirkt. Trotzdem sehe ich Europa extrem positiv.

Haben Sie ein Beispiel?

Die österreichischen Banken haben jahrzehntelang ein enormes Risiko auf sich genommen und Bauernfamilien und kleine Unternehmer beim Aufbau von Tourismusbetrieben finanziert. Der österreichische Tourismus ist eine Erfolgsgeschichte. Jetzt dürfen wir wegen des regulatorischen Umfelds eigentlich nur noch Tourismuskredite vergeben, wenn wir sicher sind, dass es der EZB-Beamte versteht. So machen wir die ureigenste Funktion der Banken kaputt, Risken zu übernehmen.

Also war es falsch, die Regulierung auf EU-Ebene zu heben?

Nein, die EU setzt sich ja aus Vertretern der Mitgliedsländer zusammen. Aber wenn ich alles nach Brüssel oder Frankfurt zur Genehmigung schicken muss, brauche ich die Banken hier nicht mehr. Ein Großteil der europäischen Wirtschaft hängt von der Bankenfinanzierung ab. Das wird jetzt so schwer gemacht, dass man darüber nachdenkt, wie man die Bankfinanzierung durch künstliche Mittel ersetzen kann, etwa Klein- und Mittelbetriebsfonds. Das regt mich auf.

Stimmt es, dass Sie ÖVP-Chef Spindelegger angeboten haben, den Finanzminister zu machen?

Das ist ein dummes Gerücht, das stimmt überhaupt nicht.

Hätten Sie Interesse?

Wenn ich so alt bin wie Frank Stronach, vielleicht (lacht). Aber was kann der Finanzminister in dieser politischen Konstellation schon ausrichten? Ich wäre nach zwei Wochen wieder draußen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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