S&P: "Die Krise in der Eurozone ist nicht vorbei"

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Staatschulden. Die Ratingagentur S&P appelliert an die Länder der Eurozone, bei Reformen nicht nachzulassen

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Wien. Die Ratingagentur Standard & Poor's warnt vor einer Rückkehr der sogenannten Eurokrise und vor allzu großen Erwartungen in die Geldpolitik der EZB und ihrer Möglichkeiten, das Wachstum in Europa anzukurbeln. „Die Krise in der Eurozone ist noch nicht vorbei“, so S&P-Analyst Moritz Krämer. Der aktuelle Abschwung sehe zwar anders aus als jener in den Jahren 2010 bis 2012 – die Ursache sei aber die gleiche: „Die Verschuldung von Staaten und Privathaushalten ist nach wie vor hoch.“ Die niedrige Inflation kompliziere die wirtschaftliche Erholung zusätzlich.
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Die Warnung der Ratingagentur richtet sich in erster Linie an die Regierungen der Staaten der Eurozone – man befürchtet, dass nach der Entspannung der Krise ab 2012 Bequemlichkeit in die Reformprozesse einzelner Länder gekommen ist. Die EZB hat 2012 eine Erholung der Eurokrise erwirkt, weil der Notenbankchef Mario Draghi angekündigt hat, „alles zu tun, um den Euro zu retten“, was auf den Märkten als Ankündigung aufgefasst wurde, notfalls Staatsanleihen zu kaufen, wenn die Zinsen für einen Krisenstaat zu hoch steigen.

Bequeme Regierungen

In der Folge wurde ein Programm entworfen, das ein Eingreifen der EZB im Notfall ermöglichen würde: Outright Monetary Transactions (OMT). Dieses Programm wurde aber noch nie eingesetzt, heißt: Draghis Worte genügten, um die Eurokrise zu beruhigen – die EZB musste keine Taten folgen lassen. Es ist auch unklar, ob OMT überhaupt rechtmäßig wäre, die Frage liegt derzeit beim EuGH, aber ein Urteil wird erst kommendes Jahr erwartet. Das ist aber kein Problem, solange Draghis Ankündigung allein die Märkte beruhigen kann.

S&P beobachtet aber, dass einige Eurostaaten diese Phase der Erholung ungenützt verstreichen lassen. Ein Fehler: „Geldpolitik kann die Ökonomien kurzfristig stabilisieren, sie kann langfristig aber auch kontraproduktiv wirken, wenn sie zu politischer Selbstzufriedenheit führt. Angesichts historisch niedriger Zinssätze haben manche Regierungen möglicherweise notwendige, aber unpopuläre Strukturreformen verschoben. Nach mehr als einem halben Jahrzehnt Krisenmanagement scheint eine gewisse Reformmüdigkeit eingesetzt zu haben“, so S&P.
Das Misstrauen der Ratingagentur in manche Regierungen drückt sich auch in den Bewertungen einiger Länder aus. So hat S&P am 10. Oktober den Ausblick für das AA-Rating Frankreichs auf negativ gesetzt und sogar Finnland vom Toprating AAA auf AA+ herabgestuft. Als bisher einzige der drei großen Ratingagenturen hat S&P auch Österreich bereits 2012 das begehrte „Triple-A“ entzogen.

Inzwischen gibt es in der Eurozone mit Deutschland und Luxemburg nur noch zwei Länder, die von S&P die Topnote bekommen. Und nur drei Prozent des BIPs der Eurozone kommt aus Ländern mit einem positiven Rating-Ausblick. „Neu im gegenwärtigen Abschwung ist, dass führende Wirtschaftsindikatoren auf eine abschwächende Wirtschaft in den Kernstaaten der Eurozone verweisen. Selbst Deutschland hat inzwischen seine Prognose deutlich reduziert und erwartet nun nur mehr ein Wachstum von knapp über einem Prozent für dieses und das kommende Jahr“, so Moritz Krämer.

EZB kann nur wenig tun

Die Ratingagentur sieht die Krise in der Eurozone an einem Scheideweg. Vielleicht setze die EZB ihre expansive Politik fort – möglicherweise sogar durch den breiten Kauf von Anleihen (Quantitative Easing). Sollte dies der Fall sein, müssten die Regierungen ihre Reformbemühungen in jedem Fall fortsetzen.

Denn: „Unser Standpunkt ist ganz deutlich, dass eine expansive Geld- oder Fiskalpolitik kein nachhaltiges Wachstum generieren kann. Dies ist nur über eine höhere Beschäftigungsquote, Investitionen und eine höhere Produktivität möglich. Keine der dazu notwendigen Reformen sind Aufgabe der EZB oder der Europäischen Kommission, sondern fallen in die Verantwortung der nationalen Parlamente mit ihren Führungskräften, die sich für diese Aufgaben zuständig fühlen und sie angehen.“ (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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