Standort: „19 Prozent ohne Internet“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wie wird Europa wettbewerbsfähiger? Mit weniger staatlichen Interventionen und Regulierungen, meint Telekom-Chef Ametsreiter.

Wien. Mitunter braucht es plakative Geschichten, um das Verhältnis der Österreicher zum Fortschritt, im konkreten Fall zum Internet, zu beschreiben. Telekom-Chef Hannes Ametsreiter erzählt eine davon. Sein Unternehmen habe eine Kooperation mit einer Schulklasse gestartet, 25 Kinder mit Laptops ausgestattet. „Gibt es in der Schule WLAN?“, habe er den Lehrer gefragt. „Nein“, antwortete dieser. „Wie wollen Sie dann mit den Laptops arbeiten?“ – „Offline.“

Es sei also kein Wunder, dass nach wie vor 19 Prozent der Österreicher das Internet nicht nutzen, sagte Ametsreiter Mittwochabend an der Wirtschaftsuniversität Wien. Im Rahmen der von „Presse“ und Erste Bank veranstalteten Vortragsreihe „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ ging es wieder einmal um den Wirtschaftsstandort Europa, und Österreichs Beitrag. Für den Telekom-Manager sind drei Bereiche entscheidend: Infrastruktur, Bildung und Energiepolitik.

„Digitale Revolution“

Und bei Infrastruktur denkt er naturgemäß an schnelles Internet, denn „die nächste industrielle Revolution ist eine digitale Revolution“. In dieser Rolle könnte Österreich eine zentrale Rolle in Europa spielen. Wieder einmal als Brückenkopf nach Zentral- und Osteuropa. In Serbien haben 52 Prozent der Menschen keinen Internetzugang, in Weißrussland 53, in Bulgarien 45. Und trotzdem gebe es in diesen Ländern enormes Know-how. Bulgarien bringe Topmathematiker hervor, in Weißrussland habe sich eine Internet-Gaming-Community etabliert. Was fehlt, sind Investoren. Und diese Rolle könnten Österreicher einnehmen.

Ametsreiter hatte an diesem Abend eindeutig den Part des kritischen Optimisten. Bodo Schlegelmilch, Dekan der WU Exekutive Academy, ging mit Europa und Österreich hart ins Gericht. Dass in der EU noch immer 40 Prozent des Budgets in die Landwirtschaft fließen, zeuge nicht gerade von Fortschritt. Regulierungen und staatliche Interventionen von Ladenschlusszeiten bis zur Zwangsmitgliedschaft bei Kammern würden die Wirtschaft fesseln statt entfesseln. Und deshalb sei es kein Wunder, dass Österreich in den Wettbewerbs-Rankings des World Economic Forum auf Rang 21 herumdümpelt.

Und wo der Telekom-Chef mehr Internet fordert, moniert der WU-Professor – nicht ganz unerwartet – mehr Geld für die Bildung. „Wir haben doch noch sehr viele schlaue Köpfe in Österreich“, sagt er. Allerdings liege das Land bei den Bildungsausgaben weit hinter dem OECD-Schnitt. Optimistisch stimme ihn vor allem der Innovationsgeist. Im Verhältnis zur Bevölkerung werden in Österreich mehr Patente angemeldet als in den USA oder Großbritannien.

USA dient wieder als Vorbild

Bei der Kritik an der Regulierung finden Ametsreiter und Schlegelmilch ein gemeinsames Steckenpferd. Denn der Telekom-Chef empfindet seine Branche „überreguliert“, durch staatliche Eingriffe seien die Marktkräfte aufgehoben. „In den USA gibt es vier Mobilfunkanbieter, in Europa 180“, sagt Ametsreiter.

Allein dieser Vergleich beantworte die Frage, warum in den USA die Branche boomt und Arbeitsplätze generiert, hingegen in Europa kaum investiert wird und Jobs abgebaut werden. Dass hierzulande Kundentarife staatlich verordnet werden, führe in Europa zu enormen Verwerfungen. So liege die durchschnittliche Handy-Rechnung in Österreich bei 16 Euro, in der Schweiz bei 80 Euro. Auch in den USA zahle ein durchschnittlicher Kunde monatlich knapp 90 Dollar.

Auf dem Weg in eine prosperierende wirtschaftliche Zukunft komme man laut Bodo Schlegelmilch auch nicht an einer Senkung der Abgaben- und Steuerlast vorbei. Dass ein Single-Haushalt in Österreich 49,1 Prozent des Einkommens an den Staat abführen muss, sei dramatisch. Nur in Belgien ist die Steuerlast höher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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