Ökonom Gugler: "Wettbewerb hat hier keine Tradition"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Ökonom Klaus Gugler erklärt, warum Regulierung oft nur Konkurrenz vom Leib halten soll, was Google gefährlich macht und wie wir schneller zu schnellem Internet kommen.

Wien. Der Fall Google nährt das Unbehagen über die Macht der großen Konzerne. Versagt hier der Markt so sehr, dass kein Regulierer ihn mehr reparieren kann? Einer, der sich beruflich mit solchen Fragen beschäftigt, ist Klaus Gugler. Der Regulierungsökonom an der WU Wien bewahrt aber den Überblick: „Insgesamt“ sieht der Forscher „keine echte Gefahr für den Wettbewerb“. Zwar erweitere die Globalisierung die Märkte so, dass starke Anbieter immer mehr Vorteile genössen. Aber zugleich tun sich neue Mitbewerber auf. So ist die Konzentration im Automarkt in den vergangenen 100 Jahren gesunken, vor allem durch den Markteintritt der Japaner und Südkoreaner. Solang es um Hardware geht, funktioniert die Konkurrenz auch im Hightech-Bereich, wie der Aufstieg und Fall der Nokia-Handys zeigt. „Die Vorteile sind hier nur temporär, diese Märkte können sich selbst überlassen bleiben.“

Ganz anders sieht es bei Software aus. Hier kommt es zu „Schneeballeffekten“. Google hat den besten Algorithmus, die meisten Nutzer und Werbeeinnahmen – und damit hohe Gewinne, die in die laufende Verbesserung des Programms fließen. Dazu kommt das Wissen über die Nutzer, deren Daten die Suchmaschine sammelt. Das macht sie immer treffsicherer – und schließlich uneinholbar.

Die EU als Segen für Österreich

Wenn aber Google „über seine Suchergebnisse systematisch Wettbewerber verdrängt“, rufe das zu Recht die Juristen auf den Plan. Der Vorsprung „schlägt um“ in unfaires Verhalten. Diesen Zyklus gab es schon bei IBM, Intel oder Microsoft, das am Ende den Browser-Markt für Mozilla öffnen musste.

Den Einfluss von Brüssel empfindet Gugler als Segen, denn „Österreich hat keine Tradition“ bei der Verteidigung des Wettbewerbs. „Der EU-Beitritt hat hier sehr viel geändert.“ Dass ein offizielles, legales Kartellregister erst 2006 geschlossen wurde, „zeigt die Geisteshaltung“. Wie auch die hohe Regulierungsintensität, die oft nur dazu diene, „unliebsame Konkurrenten fernzuhalten“ – ob es um Apotheker oder Notare, Bauordnungen oder Veranstaltungen geht. Auch dass ein Wiener Taxi zum Flughafen Schwechat leer zurückfahren muss, „lässt sich überhaupt nicht argumentieren“.

Für einen Volkswirt interessanter ist das engere Feld der Regulierungsökonomie: jene Märkte, auf denen ein „natürliches Monopol“ tatsächlich größere Wohlfahrt für alle bringt. Dazu kommt es, wenn ein erster Anbieter mit hohen Kosten Infrastruktur aufbaut – Kabel beim Festnetz, Schienen bei der Bahn, Leitungen für den Strom – jeder zusätzliche Nutzer aber kaum noch Kosten verursacht. Bleibt es aber auf Dauer beim Monopol, sind die Preise zu hoch. Zu Wettbewerb kommt es nur, wenn der Platzhirsch sein Netz vom Betrieb trennt. Die EU tendiert hier zur harten Lösung der Zerschlagung, Österreich zur sanften, die sich mit der Ausgliederung im Konzern begnügt – wie bei ÖBB und Verbund.

Und der Ökonom? Gugler empfiehlt die sanfte Variante beim Strom, weil sich so die erneuerbaren Energien leichter ins Netz integrieren lassen. Bei der Bahn, „wo man nur den Fahrplan koordinieren muss“, hält er auch die harte Variante für gut möglich. Spannend wird es, wenn neue Investitionen anstehen – wie bei Glasfaserkabeln für das schnelle Internet.

Falsche Signale bei der Energie

Das meiste Kapital dafür hat der dominierende Festnetzanbieter. Aber sein Risiko ist hoch: Entweder wollen alle Konkurrenten seine teure Investition rasch nutzen, oder er bleibt auf dem Kabelnetz sitzen – etwa dann, wenn sich beim Mobilfunk eine Breitband-Alternative auftut. Er braucht also Investitionsanreize. Die USA setzen dabei auf „Regulierungsferien“. Große Telekomfirmen wie AT&T oder Verizon dürfen ein „temporäres Monopol“ bilden, bis sich ihr Kapitaleinsatz amortisiert hat.

Für Gugler wäre das die beste Lösung – aber Brüssel hat sie verbaut. Mit der Folge, dass in Europa viel zu wenig in den Breitbandausbau investiert werde. Damit bleibe als zweitbeste Variante das Schweizer Modell der Kooperation, bei der mehrere Firmen mehrere Leitungen zu jedem Haus verlegen und sich dann konkurrenzieren. Zu ergänzen wäre das durch Subventionen für dünn besiedelte Gebiete.

Wenig glücklich agiere Europa auch im Kampf gegen den Klimawandel. Die erneuerbaren Energien werden massiv subventioniert, aber die Regulierung des CO2-Preises ist darauf nicht abgestimmt: Weil in der Krise zu viele Zertifikate ausgegeben wurden, verfiel der Preis. Die Folge: „Die Erneuerbaren verdrängen das saubere Gas statt der schmutzigen Kohle.“ Freilich könne man Zertifikate aus dem Markt nehmen, aber „die Glaubwürdigkeit hat man verspielt“ – die Verursacher setzen darauf, dass sich beim nächsten Konjunktureinbruch wieder die Politik einmischt. „Man muss den dezentralen Preissignalen aus dem Markt mehr vertrauen“, fordert Gugler. Am besten fände er eine globale CO2-Steuer. Dass sich noch keine Klimakonferenz dazu durchringen konnte, ist aus dieser Sicht nicht nur eine ökologische Gefahr – es ist auch pure Geldverschwendung.

VERANSTALTUNGSHINWEIS

„Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“
ist eine Kooperation von „Presse“, WU und Erste Group. Am 20.4. um 18 Uhr diskutieren auf dem Campus Christian Kern (ÖBB) und Klaus Gugler über „Wettbewerb und Regulierung“. Es moderiert Hanna Kordik.diepresse.com unplugged

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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