Leicas langer Weg zurück

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2005 war die Leica Camera AG fast pleite, jetzt will sie wieder zurück an die Spitze des technischen Fortschritts.

Der berühmte Fotograf Henri Cartier-Bresson verglich die Leica mit einem Kuss. Aber über Jahrzehnte fanden sich immer weniger Käufer der fotografischen "Küsse" aus Hessen. Nun will das Unternehmen wieder an der Spitze des Fortschritts marschieren. David Bowie hatte eine, Scarlett Johannson auch, und Lenny Kravitz hat ein Buch mit ihr gemacht: Die Leica-Kamera ist das berühmteste Erzeugnis der einst führenden deutschen Fotoindustrie. Dennoch schlitterte die hessische Firma von Mitte der 60er Jahre bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts von einer Krise in die nächste.

"Die Jahre zwischen 2001 und 2005 waren die schlimmste Zeit", sagt der Österreicher Andreas Kaufmann, Mehrheitseigner und Aufsichtsratsvorsitzender der Leica Camera AG. "2005 war die Firma fast zahlungsunfähig."

Nun will das mittelständische Unternehmen mit seinen rund 1600 Mitarbeitern wieder an der Spitze des technischen Fortschritts - quasi zum ersten Mal seit dem Ende der 1920er Jahre, als Leica-Sucherkameras die Fotografie mit der Verbreitung des heute noch üblichen 35-Millimeter-Formats revolutionierten. Und die Entwicklung des Weltmarkts kommt Leica derzeit ausnahmsweise einmal entgegen.

Leica hatte lange ein Grundproblem: Abgesehen vom hohen Preis wurden die Kameras vielfach wegen Rückständigkeit gescholten. Bis Mitte der 50er Jahre international ganz vorn, wurde deutsche Kameratechnik innerhalb weniger Jahre von der japanischen Konkurrenz abgehängt. Bis heute hat die Leica M - das Flaggschiff - keinen Autofokus.

"12 Prozent des Umsatzes in Forschung investiert"

Kaufmann stieg Mitte des vergangenen Jahrzehnts ein. "Zwischen 2005 und 2009 haben wir restrukturiert. Wir haben sehr viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert, zeitweise über 12 Prozent des Umsatzes."

Die Ergebnisse der hohen Investitionen sind mittlerweile käuflich: Leica hat in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Modelle und fünf neue Produktlinien auf den Markt gebracht. Nun wollen Kaufmann und Kollegen einen Teil des verlorengegangenen Marktanteils bei Profi-Fotografen zurückerobern.

Als Konkurrenz zur etablierten Spiegelreflex haben sich spiegellose Kameras mit elektronischem Sucher etabliert. Kaufmanns Unternehmen stieg 2015 mit der Leica SL in diesen heiß umkämpften Markt ein - mit einem Preis von fast 7.000 Euro für die Kamera ohne Objektiv wie üblich teurer als die Konkurrenz, doch in der Fotoszene mit überwiegend positiven Besprechungen begrüßt.

Seit wenigen Wochen hat Leica nun einen Geschäftsbereich für professionelle Fotografie. "Wenn Sie es durchrechnen, ist ein Leica-System über die Jahre sogar günstiger", meint Kaufmann. Das beziehe sich unter anderem darauf, dass Leica-Kameras und -Objektive langlebig seien und hohe Wiederverkaufspreise erzielten.

100.000 Kameras pro Jahr

Ein Riese wird aus Leica aber wohl nicht mehr werden. "Unser Marktanteil wird vermutlich immer bei unter einem Prozent bleiben", schätzt Kaufmann. Leica verkauft etwas mehr als 100.000 Kameras im Jahr. Nikon und Canon setzen ein Vielfaches davon ab. "Unser Anteil ist zwar inzwischen gestiegen - aber hauptsächlich, weil der Kameramarkt geschrumpft ist", berichtet Kaufmann.

Denn Smartphones haben einen Großteil der Einstiegskameras verdrängt. Anfang des Jahrzehnts hatte die Fotoindustrie für 2015 noch den Absatz von 140 bis 150 Millionen Digitalkameras erwartet. Tatsächlich waren es laut japanischem Branchenverband CIPA nur etwa 40 Millionen.

Doch des trotz schrumpfenden Markts sind teurere Modelle gefragt. "Der Durchschnittspreis geht nach oben", sagt Constanze Clauß vom Deutschen Photoindustrie-Verband. "Und der Anteil der hochpreisig verkauften Kameras nimmt zu." Außerdem haben sich die Produktzyklen etwas verlangsamt. "Die Aufnahmegeräte bleiben länger in den Haushalten."

Fotomarkt verästelt sich

Der Fotomarkt verästelt sich immer weiter. "Die Zahl der Aufnahmegeräte und ihre Spezialisierung nimmt weiter zu", meint Clauß. Dementsprechend ist Leica inzwischen auch am anderen Ende des Spektrums aktiv - bei den Smartphones. In Wetzlar baut das Unternehmen gemeinsam mit dem chinesischen Handyhersteller Huawei ein Forschungslabor auf. Dort würden vermutlich 50 bis 60 Ingenieure und Wissenschafter beschäftigt, sagt Kaufmann.

Smartphones machen inzwischen bessere Fotos als noch vor einigen Jahren - doch ist die Bildqualität immer noch begrenzt. Kaufmann deutet die künftige Entwicklung an: mehrere Objektive in einem Gerät. "Was meines Erachtens kommen wird, ist die Array-Technologie für kleine Sensoren", sagt er. "Das sind mehrere optische Systeme, die zusammenwirken und von denen jedes nur für einen Aspekt des Bildes verantwortlich ist - etwa eines für die Tiefenschärfe, eines für die Farbe, eines für den Kontrast."

(APA/dpa/Carsten Hoefer)

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