UniCredit tritt die Flucht nach vorn an

Die Hälfte ihres Marktwerts hat die UniCredit heuer verloren. Bis 2019 will die italienische Großbank aber wieder hoch hinaus.
Die Hälfte ihres Marktwerts hat die UniCredit heuer verloren. Bis 2019 will die italienische Großbank aber wieder hoch hinaus.(c) APA/AFP/GIUSEPPE CACACE
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Die Bank-Austria-Mutter stockt ihr Kapital um 13 Mrd. Euro auf, um Altlasten loszuwerden. Bei der Präsentation in London applaudierten die Investoren dem neuen Chef Mustier und seinem noch rigoroseren Sanierungsprogramm.

London. Wer mit dem Rücken zur Wand steht, dem bleibt nur die Flucht nach vorn – am besten mit viel Elan und großer Geste. In einem prunkvollen Londoner Hotel verkündete Jean-Pierre Mustier am Dienstag vor Investoren den neuesten Sanierungsplan für die UniCredit. Der neue Chef verteilte, garniert mit vielen Zahlen und ein wenig trockenem (Galgen-)Humor, seine bitteren, hoffentlich heilsamen Pillen. Die größte Bank Italiens holt sich 13 Mrd. Euro an zusätzlichem Kapital von Aktionären, um ihre Altlasten an faulen Krediten loszuwerden und sich wieder eine solide Kostenbasis zu verschaffen. Es ist die bisher größte Kapitalerhöhung des Landes und die achtgrößte weltweit.

Aber es ist beileibe nicht das erste Mal. Schon des Öfteren seit der Finanzkrise hat ein Chef des einzigen italienischen Instituts, das global systemrelevant ist, den definitiven Befreiungsschlag versprochen. Rigorose Einsparungen, weniger Personal und Filialen: Davon gab es mehrere Wellen, und sie folgten zuletzt immer kürzer aufeinander. Dennoch zeigten sich die Investoren angetan. Sie vertrauen dem französischen Investmentbanker Mustier, der erst im Juli das Ruder in Mailand übernommen hat. Auch die Aktie machte einen Kurssprung von zehn Prozent – und zog die anderen, in diesem Jahr so heftig geprügelten italienischen Banktitel mit.

Was ist also diesmal anders? Zunächst macht es der ganzen Branche Hoffnung, dass die Bank-Austria-Mutter trotz der politischen Turbulenzen auf ihrem Heimmarkt überhaupt eine so große Summe auftreiben kann. Dafür garantiert ein Konsortium von neun Investmentbanken, von JP Morgan bis zur Schweizer UBS. Sollte bei der Versteigerung der neuen Aktien der Betrag nicht zu erzielen sein, übernehmen sie die Differenz. Formell beschlossen wird die Kapitalerhöhung in einer Hauptversammlung im Jänner, über die Bühne soll sie – bei möglichst günstigem Börsenumfeld – im ersten Quartal gehen.

Kühner Umbau, volles Tempo

Zudem legt Mustier ein neues Tempo vor. Sein Vorgänger Federico Ghizzoni ließ den Verkauf von Beteiligungen zur Verbesserung der Kapitalbasis nur lang erwägen und prüfen. Der neue Mann hat damit prompt Ernst gemacht: bei der polnischen Pekao, der Onlinetochter Fineco und bei der Fondsgesellschaft Pioneer, die soeben an den größeren französischen Konkurrenten Amundi ging (womit es aber nun sein Bewenden haben soll). Noch etwas schafft Vertrauen: Dem Programm für die nächsten drei Jahre liegen, anders als früher, sehr vorsichtige Annahmen zugrunde – verhaltenes Wirtschaftswachstum, weiter sehr niedrige Zinsen und damit geringe Erträge aus dem Kreditgeschäft. So bleibt noch Spielraum nach oben.

Vor allem aber ist die gewaltige Kapitalspritze schon für konkrete Aufräumarbeiten verplant. Großteils für die faulen Kredite: Acht Mrd. Euro werden noch in diesem Quartal abgeschrieben. Ein Portfolio von fast 18 Mrd. Euro an Darlehen, die nicht mehr einbringbar sind und bei denen es nur noch Sicherheiten zu verwerten gilt, lädt Mustier an darauf spezialisierte US-Investoren ab. Weitere Pakete sollen folgen. In Summe lauern 54 Mrd. an faulen Krediten in der Bilanz; ihr Anteil ist, mit 15 Prozent, dreimal so hoch wie der europäische Schnitt.

Die Altlasten reichen weiter zurück als bis zu Italiens Rezession und den damit verbundenen Kundenpleiten. Noch vor der Finanzkrise, im Jahr 2007, übernahm UniCredit die römische Capitalia – und damit viele Kunden in Süditalien, das später von der Krise weit heftiger getroffen wurde als der Norden. Die Fusion erfolgte auf Druck der Regierung. Die Politik hält sich Mustier nun tunlichst vom Leibe: Allein mit Selbsthilfe müsse UniCredit wieder Kraft schöpfen. Aber man werde sich keinesfalls an einer Konsolidierung der Branche beteiligen und zum Auffangen kleinerer, maroder Geldhäuser drängen lassen. Im Übrigen spielt Mustier die Unsicherheiten nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum und dem Rücktritt von Premier Renzi herunter: Die Italiener seien eine „dynamische Politik“ und häufig wechselnde Regierungen gewohnt.

Freilich: Bis das harte Kernkapital von 10,8 Prozent – unangenehm nahe an der Untergrenze der Aufseher – auf respektablere 12,5 Prozent aufgepolstert ist, muss noch einiges an Blut und Tränen fließen. 14.000 Vollzeitstellen (von in Summe 101.000) sind im Konzern abzubauen, 6500 mehr als bisher geplant. Über 900 Filialen müssen schließen, weitaus die meisten davon in Italien. Aber auch Journalisten aus Deutschland mussten bei der Präsentation schlucken: Die deutsche Tochter Hypo-Vereinsbank soll statt 1100 nun sogar 2600 Posten einsparen.

1300 Stellen fallen in Österreich weg

Und in Österreich? Darf man aufatmen. Was bei der Bank Austria anzugehen war, sei abgeschlossen. Damit bleibt es bei dem bekannten, mit dem Betriebsrat abgestimmten Sparplan. Er ist hart genug: 50 Filialen weniger, womit nur noch 124 verbleiben. Der Personalstand muss um 19 Prozent sinken. Das ergibt, auf Basis der aktuellen rund 6700 Vollzeitstellen, einen Abbau von knapp 1300. In Summe sollen 320 Mio. Euro jährlich eingespart werden. Strategisch musste die österreichische Tochter freilich besonders stark bluten: Sie hat im Oktober die Funktion einer Subholding verloren, die das Osteurogeschäft der Gruppe leiten durfte. Immerhin: Die damit beschäftigten 500 Mitarbeiter sollen bis auf ein paar Dutzend auch weiter in Wien tätig sein. Zumindest beim Sparen und Umstrukturieren könnte Österreich dem Rest des Konzerns nun als Vorbild dienen.


Compliance-Hinweis: Der Autor war auf Einladung von Unicredit / Bank Austria in London.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)

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