Privatkonkurse gingen zurück – leider

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2016 waren weniger Dienstnehmer von Insolvenzen betroffen, denn es gingen vor allem kleine Unternehmen pleite. Auch die Privatkonkurse sanken. Das ist aber kein Grund zum Jubeln.

Wien. Die Insolvenzstatistik 2016, die der Kreditschutzverband 1870 (KSV) gestern präsentiert hat, wirkt zunächst unauffällig. 1,5 Prozent beträgt die Steigerung bei den eröffneten Insolvenzen. Insgesamt waren 18.900 Dienstnehmer von den Konkursen betroffen, um 13 Prozent weniger als 2015. Der Grund: „Im Jahr 2016 hat es mehr kleine Unternehmen getroffen“, sagt Hans-Georg Kantner, Leiter Insolvenz beim KSV. Beim näheren Hinsehen, fällt noch einiges andere auf.

Salzburg: Gleich um 20,5 Prozent, weit mehr als im Rest Österreichs, stiegen die Unternehmensinsolvenzen hier an. Kantner: „Die öffentlichen Stellen gehen dort nun kompromissloser vor. Die Gerichte arbeiten schneller, sie stellen die Insolvenzanträge früher.“ Im Übrigen handle es sich bei dem eklatanten Sprung auch um einen Vorzieheffekt, der volkswirtschaftlich nicht spürbar sei. „Nächstes Jahr erwarte ich wieder eine Senkung.“

Vorarlberg konnte seine Insolvenzzahlen in den vergangenen zehn Jahren halbieren. Tirol reduzierte seine Pleiten im selben Zeitraum um 40 Prozent. „Das sind für mich Signale, wie robust und gesund die österreichische Wirtschaft in diesen exportorientierten Bundesländern ist“, sagt Kantner.

Privatinsolvenzen: 8101 Personen strebten 2016 ein Schuldenregulierungsverfahren an. „Sie dauern in Österreich zwar länger als in vielen anderen Ländern, sie haben aber einen sehr hohen Erfolgsanteil. 80 bis 85 Prozent erlangen nach fünf bis sieben Jahre eine Restschuldbefreiung.“ Im Vergleich zum Vorjahr gingen die Privatinsolvenzen zurück, österreichweit um 8,2, in Wien sogar um 15,6 Prozent. Das ist kein Grund zum Jubeln. Denn Privatkonkurse haben eine volkswirtschaftliche Beziehung zum Arbeitsmarkt, betont Kantner. Wer einen Job hat, zieht auch einen Privatkonkurs in Erwägung, weil er sich in der Lage sieht, regelmäßig seine Raten an seine Gläubiger zurückzuzahlen und sich damit auf Dauer zu entschulden.

Schuldnerberatungen: „Die Insolvenzverfahren stehen aber auch in einem engen Konnex zur Beratungsinfrastruktur eines Landes“, sagt Kantner. Schuldnerberatungen werden von der öffentlichen Hand finanziert. Sie stehen kostenfrei Ver- und Überschuldeten zur Verfügung und begleiten diese beim Weg aus dem Schuldensumpf. Die Schuldnerberatung sei für den Zugang der Menschen zum Privatkonkurs maßgeblich, sagt Kantner. Es sei ein Fehler, gerade dort zu sparen. In Kärnten etwa schlossen aus budgetärer Not gleich zwei Beratungsstellen.

Die Zahl der eröffneten Privatinsolvenzen ist übrigens kein verlässlicher Gradmesser für die tatsächliche Anzahl der zahlungsunfähigen Personen in Österreich. Nach der KSV-Datenbank plagen landesweit etwa 118.400 Personen massive Zahlungsprobleme, doch nur ein Bruchteil davon hat im vergangenen Jahr ein Schuldenregulierungsverfahren in Gang gesetzt. Hier gibt es viel zu verbessern. Eines steht für Kantner fest: „Privatinsolvenzen haben auch eine Vorbildwirkung. Sowohl der Betrieb als auch die Familie sehen, dass Schuldenregulierung möglich ist und gelingen kann.“

Mindestquote: Schuldnerberater und die Sozialpolitik fordern seit Jahren den Fall der Mindestquote von zehn Prozent. Gäbe es sie nicht, würden mehr Menschen eine Entschuldung schaffen, so der Ansatz. Ein Blick nach Deutschland, wo es keine Mindestquote gibt, lehre das Gegenteil, sagt Kantner. Mehr Entschuldungen gebe es dort nicht. „Der Unterschied ist nur, dass Schuldner in Deutschland so gut wie nie Zahlungen leisten.“ Zu einer Einigung zwischen Gläubigern und Schuldnern kommt es nur in zwei, bei uns hingegen bei 73 Prozent. „Das heißt, unter der Bedingung, ihre Quote zu zahlen, gehen die Schuldner als freie Menschen aus dem Gericht“, sagt der Jurist. Sein Fazit: Die Rechtsordnung tut gut daran, den Schuldner nicht ohne Weiteres aus seiner Pflicht zu entlassen. Das hebt die Zahlungsmoral.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2016)

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