Die Uhr, die schon Freud und Klimt trugen

Robert Punkenhofer investierte den Großteil seiner Ersparnisse in sein Herzensprojekt.
Robert Punkenhofer investierte den Großteil seiner Ersparnisse in sein Herzensprojekt.(c) Stanislav Jenis
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Mit dem Ende der Habsburgermonarchie verschwand auch der österreichische Luxusuhrenhersteller Carl Suchy & Söhne vom Markt. Nun lässt ein Designliebhaber die Marke im 21. Jahrhundert nochmal aufleben.

Stahl, Glas, Holz – in all diesen Branchen hat das kleine Österreich einen großen Namen. Eine heimische Luxusuhr suchte man bis vor Kurzem jedoch vergebens. Bekannte Uhrmanufakturen wie Cartier, Rolex oder Lange und Söhne sitzen in der Schweiz oder in Deutschland. Der Designexperte Robert Punkenhofer erweckt nun die längst vergessene Uhrenmarke Carl Suchy & Söhne zu neuem Leben.

Wer vor 150 Jahren, zu Zeiten der k. u. k. Monarchie, etwas auf sich hielt, trug eine Uhr aus dem Hause Carl Suchy & Söhne. Ob Sigmund Freud mit dem Blick auf seine Suchy-Taschenuhr das Ende einer Therapiesitzung ersehnte oder Gustav Klimt sich bei seinen Jugendstilwerken vom Uhrenhersteller inspirieren ließ, darüber kann heute nur gemutmaßt werden.

Fest steht, dass beide zu seinen Stammkunden zählten – ebenso wie Kaiser Franz Joseph I., dessen Gattin Elisabeth und Ferdinand I. Auch die Hofburgen in Wien und Prag, das Schloss Schönbrunn sowie Salons von Industriellen, Aristokraten und Künstlern wurden mit Suchy-Uhren ausgestattet. Gemeinsam mit seinen vier Söhnen wurde Carl Suchy zum wichtigsten Hoflieferanten der Habsburger.


Die Spur der Uhr verliert sich.
Dennoch ist der Markenname heutzutage kaum jemandem ein Begriff. Mit dem Ende der Donaumonarchie im Jahr 1918 verschwindet die Spur der Uhrmacher, gleich wie deren Standorte in Wien, Prag und dem Schweizer Uhrenmekka La Chaux de Fonds. Das Unternehmen wurde zu dem Zeitpunkt in dritter Generation betrieben. Ein Mitglied der damaligen Geschäftsführung verfiel allerdings der Spielsucht und konnte den Betrieb nicht aufrechterhalten. Außerdem unterlag Österreich einem großen Wandel – vom großen Reich zum kleinen Staat.

„Ich bin vor drei Jahren eher zufällig auf Carl Suchy gestoßen, ich war begeistert und enttäuscht zugleich – begeistert von der Marke, der Geschichte und dem Design der Uhren, aber enttäuscht, dass mit dem Namen Carl Suchy niemand etwas anfangen konnte“, sagt Robert Punkenhofer, der Initiator des Wiederbelebungsprojekts. Daraufhin habe er beschlossen, das Produkt neu auf den Markt zu bringen. Im Zuge seiner Recherche ist er sogar auf einen noch lebenden Nachkommen von Carl Suchy gestoßen. Georg Gaugusch, der das Stoffgeschäft Wilhelm Jungmann & Neffe beim Hotel Sacher im ersten Bezirk leitet. „Ich bin selbst Historiker, doch Herr Punkenhofer hat Dinge über meine Vorfahren recherchiert, von denen selbst ich kaum eine Ahnung hatte“, sagt Gaugusch begeistert.

„Die Uhr sollte nicht im Retrostil nachgebaut werden. Wir wollten ein zeitgemäßes, aber den Suchy-Ansprüchen gerecht werdendes Produkt auf den Markt bringen. Deshalb haben wir dort angesetzt, wo Carl Suchy aufgehört hat: bei der Wiener Moderne um 1900“, erklärt Punkenhofer. Das Ergebnis ist die mechanische Armbanduhr „Waltz N°1“. In Referenz zum Gründungsjahr der „eigentlichen Firma“, 1822, wurden in der ersten Serie 22 Stück produziert.

Das Design der Uhr bedient sich der reduzierten Formsprache des österreichischen Architekten Adolf Loos. Neben Loos führte auch Otto Wagner klare, schlichte Linien in die Wiener Moderne ein, die nun auch auf der Suchy-Uhr des 21. Jahrhunderts zu finden sind. Für Loos galt: „Ornamente sind ein Verbrechen.“ Diese Geisteshaltung sollte in weiterer Folge das Ende des barocken Historizismus einläuten.


Ein Schnitzel brachte Gespür für Wien.
Als Designer für die Marke wurde Rein Steger von Proxi ausgewählt, für die Gestaltung der Uhr Milos Ristin. Mit den ersten Entwürfen des gebürtigen Serben gab sich Punkenhofer aber nicht zufrieden. Der Wiener Charme habe noch gefehlt. „Daraufhin habe ich Milos nach Wien eingeladen. Wir sind ins Mak, in die Loos-Bar und Schnitzel essen gegangen, damit er ein besseres Gespür für die Stadt entwickelt. Und es hat funktioniert“, erklärt Punkenhofer. Die Uhr hat beispielsweise keinen Sekundenzeiger im klassischen Stil, sondern eine rotierende (Walzer-)Scheibe. „In Wien kommt es nicht auf jede einzelne Sekunde an, es ist nach wie vor eine gemütliche Stadt“, sagt Punkenhofer. Neben seinem Job bei der Wirtschaftskammer bleibe aber nicht viel Zeit für ihn selbst übrig. Verständlich, denn der gebürtige Steirer ist auch in der Design- und Architekturszene kein Unbekannter: Er plante und designte unter anderem die 2003 eröffnete Murinsel in Graz mit. Seit zwölf Jahren veranstaltet Punkenhofer auch die Vienna Art Week. Alles nebenberuflich, versteht sich. Deshalb genießt der Wiederentdecker der Luxusuhrenmarke es, wenn jemand zu einem Termin zu spät kommt. Diese „freie Zeit“ könne er für sich selbst nutzen.

Mit der Herstellung der Uhr betraute Punkenhofer den Schweizer Uhrmachermeister Marc Jenni, Mitglied der renommierten Académie Horlogère des Créateurs Indépendants sowie die traditionsverbundene Uhrenmanufaktur Vaucher Fleurier. Die Académie Horlogère ist ein Verein zur Belebung der traditionellen handwerklichen Kunst der Uhrmacherei. 2016 zählte der exklusive Verein lediglich 34 Mitglieder. „Die Carl Suchy Uhr ist schon etwas Besonderes für mich. Es kommt nicht alle Tage vor, dass man eine Marke wieder zum Leben erweckt“, sagt Marc Jenni.


Ein halbes Jahr Handarbeit. Die Uhr wird in sechsmonatiger Handarbeit in der Schweiz hergestellt, wie schon zu Zeiten von Carl Suchy junior. Die Produktion ist an die höchsten Präzisionsstandards der Schweizer Uhrenmanufaktur angepasst. „Uhren derartiger Qualität sind üblicherweise nicht unter 10.000 Euro zu bekommen“, erklärt Jenni. Die Carl Suchy Uhr ist mit 7080 Euro zwar kein Schnäppchen im klassischen Sinn. Doch bei Experten aus der Luxusuhrenszene gelte das noch als herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Bereits vor der offiziellen Präsentation im Looshaus am Wiener Michaelerplatz waren alle 22 Exemplare verkauft – an ausgewählte Freunde und Kunden. Unter anderem besitzen jetzt ein einflussreicher Designsammler aus Berlin, ein Vorstand der Industriellenvereinigung und ein Manager von Volkswagen die Uhr, namentlich genannt werden möchten die Herrschaften nicht. Die nächste Serie ist bereits in Planung und soll 50 Stück enthalten.

Für sein Herzensprojekt investierte Robert Punkenhofer den Großteil seiner Ersparnisse. Die Frage nach Gewinn kostet ihn nur ein müdes Lächeln: „Davon bin ich weit entfernt. Mit einem positiven Cashflow rechne ich ab dem dritten Jahr. Fortlaufend liquide zu bleiben, war eine der größten Schwierigkeiten.“ Dass Punkenhofer die Uhr aus Liebe zur Sache, und nicht wegen eines möglichen Profits, auf den Markt brachte, stößt nicht bei allen auf Verständnis. „Chinesische Investoren wollten mich von Stückzahlen im fünfstelligen Bereich und einem Verkaufspreis von 1000 Euro überzeugen. Als ich ihnen nähergebracht habe, dass ich die Leidenschaft dem Geld vorziehe, haben sie mich für verrückt erklärt.“

Er möchte aber das Vermächtnis und die Exklusivität des Hoflieferanten beibehalten. Auf der Suche nach Geschäftspartnern sei ihm die Liebe zur Sache zugutegekommen. „Alle haben gespürt, dass ich es aus Leidenschaft mache, sonst hast du es als No-Name-Brand schwer, die Besten an Bord zu holen.“

Carl Suchy & Söhne

– Die Uhrenmanufaktur wurde 1822 gegründet.

– Carl Suchy war Hoflieferant der Habsburger.

– 1918 verschwand die Luxusuhr vom Markt.

– Designexperte Robert Punkenhofer entdeckte die vergessene Uhr vor drei Jahren wieder.

– 22 Stück der „Waltz N°1“ wurden hergestellt, Kostenpunkt: 7080 Euro – allesamt vergriffen.

– Eine neue Serie mit 50 Stück ist in Planung.

Nachlese auf: www.carlsuchy.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2017)

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