Briten bangen um Vauxhall´- Jeder dritte Opel-Job in Gefahr

AFP (PHILIPPE HUGUEN)
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Pensionslasten könnten bei der Entscheidung des französischen Autobauers Peugeot über mögliche Einschnitte nach einer Übernahme der beiden europäischen GM-Töchter Opel und Vauxhall eine Rolle spielen.

Beim geplanten Kauf der GM-Europa-Sparte muss Peugeot einem Insider zufolge bei der britischen Opel-Schwester Vauxhall millionenschwere Pensionsverpflichtungen einkalkulieren. Sie beliefen sich auf bis zu eine Milliarde Pfund (rund 1,2 Milliarden Euro), sagte die mit den Umständen vertraute Person zu Reuters.

Pensionslasten könnten bei der Entscheidung der Franzosen über mögliche Einschnitte nach einer Übernahme der beiden europäischen GM-Töchter eine Rolle spielen. Dem früheren Opel-Betriebsratschef Klaus Franz zufolge beliefen sie sich beim Rüsselsheimer Unternehmen zuletzt auf 4,6 Milliarden Euro. Für international aufgestellte Konzerne sind Pensionslasten in bestimmten Ländern bei Übernahmen immer wieder ein Knackpunkt - so wie für Tata Steel die Verpflichtungen in Großbritannien bei der Fusion mit dem Stahlgeschäft von Thyssenkrupp.

May zeigt sich kämpferisch

Die britische Premierministerin Theresa May nimmt sich der Sache selbst an. Der geplante Verkauf des Autobauers Opel an den französischen PSA-Konzern bereitet den Beschäftigten bei Vauxhall Sorgen. Die Briten fürchten um die Standorte der Opel-Schwestermarke in Ellesmere Port und Luton. May wurde zu einem Gespräch mit PSA-Chef Carlos Tavares eingeladen.

In Ellesmere Port (Astra) sind nach Firmengaben 1.830 Mitarbeiter beschäftigt, in Luton (Vivaro) waren es Ende vergangenen Jahres 1.530. Gefährdet sein könnten auch Jobs bei Zulieferern und im weitreichenden Händlernetz.

Der britische Fusionsexperte John Colley hält es für möglich, dass die Produktionsstätten in seinem Land dichtgemacht werden. Er nennt gleich mehrere Gründe: "Die Schließung der deutschen Werke wäre mindestens dreimal so teuer wie die der britischen Produktionsstätten." Auch der Einfluss der Gewerkschaften in Deutschland sei stärker, sagte Colley von der Warwick Business School dem Branchendienst "Automotive Management".

"Und der Brexit ist auch eine Ursache für die Unsicherheit", sagte Colley. Großbritannien wird nicht nur aus der EU aussteigen, sondern auch aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion. May will die Austrittserklärung bis Ende März nach Brüssel schicken.

Auch für die mehr als 19.000 Opel-Beschäftigten in Deutschland gibt es noch keine Entwarnung. PSA Peugeot-Citroen hat noch keine verbindlichen Zusagen gemacht, was mit den Arbeitsplätzen und Werken in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach sowie dem Ersatzteilzentrum in Bochum passieren würde. Die Opel-Beschäftigten in Deutschland sind bis Ende 2018 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt, während die Investitionszusagen sogar bis ins Jahr 2020 reichen.

Opel war vor fast 90 Jahren vom US-Autobauer General Motors (GM) übernommen worden. Zusammen mit der britischen Schwestermarke Vauxhall ist es auf den europäischen Markt fokussiert. Opel hat seit 1999 keinen Gewinn gemacht. Bereits 2008/2009 wollte GM die Deutschen loswerden, behielt sie dann aber doch. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Freitag betont, es werde alles politisch Mögliche getan, "dass die Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland gesichert sind".

Gewerkschaft kämpferisch

Len McCluskey von der größten britischen Gewerkschaft Unite zeigt sich kämpferisch: "Wir werden keine Arbeitsplatzverluste oder Werksschließungen akzeptieren." Die Zukunft der Arbeitsplätze in der Automobilbranche dürfe nicht in der Hand der Regierung in Paris und deren Unterstützung für PSA liegen. Der französische Staat hält etwa 14 Prozent der Anteile an dem Konzern.

Die Regierung in London müsse die britischen Werke genauso absichern wie sie es bei Nissan getan habe, forderte der Gewerkschafter. Laut "Financial Times" hat London dem PSA-Konzern bereits ein solches Angebot gemacht. Der japanische Autobauer investiert in eine moderne Fabrik im nordostenglischen Sunderland, wodurch 7.000 Arbeitsplätze gesichert werden sollen. Zuvor hatte die Regierung in London Hilfen zugesagt, falls es Probleme durch den Brexit für Nissan geben sollte.

Großbritannien ist weit vor Deutschland der wichtigste Einzelmarkt für die Marke, die auf der Insel unter dem historischen Namen Vauxhall antritt. Britische Autokäufer hielten sich nach dem Brexit-Votum merklich zurück. 289.000 Vauxhall wurden dort nach Firmenangaben 2016 noch verkauft - 23.000 weniger als im Jahr zuvor. In den anderen Märkten Europas konnte Opel hingegen zulegen und schaffte inklusive UK ein Absatzplus von vier Prozent.

Die einst so stolze britische Autoindustrie mit Herstellern wie Jaguar, Rolls-Royce oder Rover ist längst größtenteils in ausländischer Hand. Größter Hersteller des Landes ist Jaguar Land Rover, der inzwischen dem indischen Autokonzern Tata Motors gehört.

Die gesamte Autobranche ist durch den bevorstehenden Brexit verunsichert. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, rechnet künftig mit Zollschranken zwischen EU und Vereinigtem Königreich. Zölle seien aber Gift für die Hersteller. Der britische Autoverband SMMT warnte vor zu eiligen Handelsabkommen mit Blick auf den EU-Austritt. Dies könnte zu irreparablen Schäden für die britische Autoindustrie führen.

Jeder dritte Opel-Job in Gefahr

Langfristig sieht ein Experte trotz aller Rettungsversuche jeden dritten deutschen Job bei Opel in Gefahr. Ein Abbau von Arbeitsplätzen sei bei einer Übernahme für Peugeot-Chef Carlos Tavares der einzige wirksame Kostenhebel, meinte der Chef des CAR-Center an der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer. Daran änderten auch die bestehende Beschäftigungsgarantie bis Ende 2018 und die Investitionszusagen für die deutschen Werke bis 2020 nichts. "2018 kann es mit den Abfindungen losgehen."

Die Chance auf zusätzliche Märkte oder erhebliche Mehrverkäufe nach der Übernahme bestehe nicht, sagte der Branchenspezialist. PSA und Opel seien beide zu stark auf Europa konzentriert und hätten in den vergangenen Jahren Marktanteile verloren, erklärte Dudenhöffer. Seit 2011 seien in Europa beide Autobauer zusammen von 21 Prozent Marktanteil auf 16,3 Prozent geschrumpft. Auch nach einer Fusion würden sie mit rund 3,5 Millionen Fahrzeugen im weltweiten Vergleich keineswegs zu den Großen gehören.

Dudenhöffer sieht wegen hoher Kosten vor allem das Montagewerk in Eisenach und die Motorenfertigung in Kaiserslautern gefährdet. Vom Stammsitz Rüsselsheim könnten in absehbarer Zeit zentrale Funktionen wie Einkauf, Vertrieb und Marketing nach Paris verlagert werden, erwartet der Wissenschafter. Das Entwicklungszentrum mit fast 8.000 Beschäftigten werde ebenfalls Kompetenzen verlieren, etwa bei der Entwicklung von Motoren und Plattformen. Nur die Entwicklung eigener Modelllinien und die Anpassung der Autos an PSA-Plattformen sei unter dem Dach des künftigen Konzerns vorstellbar.

Erste Ergebnisse einer 2012 begonnenen Kooperation mit PSA waren am Montag in Frankfurt bei einer Präsentation des neuen Opel-Modells Crossland X zu sehen, das auf einer PSA-Plattform gemeinsam entwickelt und Produziert wird. "Alles, was man sehen und berühren kann, stammt von Opel", sagte Crossland-Chefingenieur Olaf Kaden. Im Umkehrschluss komme das meiste andere aus den Regalen der Franzosen.

Von den Kartellbehörden ist kein Veto zu erwarten. "Derzeit haben PSA wie auch Opel einen Marktanteil im Pkw-Markt in Europa von jeweils unter zehn Prozent. Das ist für sich genommen keine kritische Größe", sagte der Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, der "Rheinischen Post". Die Kartellwächter würden den Markt aber sorgsam analysieren - immerhin entstünde das zweitgrößte Fahrzeugunternehmen in Europa.

(APA/Reuters/dpa)

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