Paukenschlag: ABB kauft österreichische Paradefirma B&R

ABB-Chef Ulrich Spiesshofer
ABB-Chef Ulrich SpiesshoferAPA/KEYSTONE/WALTER BIER
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Der Industriekonzern ABB übernimmt den oberösterreichischen Automationsspezialisten B&R mit 3000 Mitarbeitern und 600 Millionen Dollar Umsatz. Geschätzter Kaufpreis: knapp zwei Milliarden Dollar.

"Heute schlagen wir ein neues Kapitel der österreichischen Industriegeschichte auf. Die Kombination von B&R und ABB bietet eine einmalige Chance für unsere beiden Unternehmen und stärkt den Wirtschafts- und Technologiestandort Österreich. B&R ist eine Perle in der Welt der Maschinen- und Fabrikautomation", schwärmt Ulrich Spiesshofer, der Chef des Schweizer Industriekonzerns ABB von seinem neuesten Coup.

Er hat am Dienstag die Übernahme des 1979 von beiden Freunden Erwin Bernecker und Josef Rainer im Keller einer Bank in der oberösterreichischen Marktgemeinde Eggelsberg gegründeten Unternehmens B&R bekannt gegeben. B&R beschäftigt mehr als 3000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von mehr als 600 Millionen US-Dollar (2015/16). B&R, noch immer im alleinigen Besitz der beiden nun 66 Jahre alten Gründer, bietet Produkten, offenen Lösungen und Software für Maschinen- und Fabrikautomation an. In der Industrieautomation kommen ABB und B&R gemeinsam auf einen Umsatz von rund 15 Milliarden Dollar. Marktführer ist Siemens,  Nummer drei der US-Konzern Emerson (14,5 Milliarden Dollar Umsatz, 1,64 Milliarden Dollar Gewinn, 38,6 Milliarden Dollar Börsewert).

Der Kaufpreis für die in Privatbesitz stehenden Firma B&R entspreche den in der Branche üblichen Bewertungen, so ABB. Gemessen an der in einem ähnlichen Gebiet tätigen amerikanischen Rockwell dürften die Zürcher damit knapp zwei Milliarden Dollar für B&R auf den Tisch legen, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Analysten der Bank Vontobel schätzen den Kaufpreis für die oberösterreichische Paradefirma auf 1,6 bis 1,7 Milliarden Dollar. Das sei angesichts der erwarteten Synergien von 300 bis 400 Millionen Dollar sehr vernünftig, der Zukauf passe bei ABB prima in die Plattform "Ability" für digitale End-to-End-Lösungen. Auch bei Barclays sieht man den Zukauf mit Wohlwollen: "Damit wird ABB die einzige Firma, die die komplette Fabrikautomation mit Robotik kombiniert." Experten halten es für möglich, dass Konkurrenten damit unter Zugzwang kommen und sich nun ebenfalls nach geeigneten Zukäufen umschauen könnten. 

Nun kein "must have" mehr

Mit der Übernahme von B&R will ABB zum Komplettanbieter von Industrieautomation werden, mit Mess- und Steuerungssystemen, Robotik, Digitalisierung und Elektrifizierung. "Diese Transaktion ist ein wahrer Meilenstein für ABB, da B&R die historische Lücke in unserem Automationsangebot schließt", sagte ABB-Chef Ulrich Spiesshofer. Er sprach am Dienstag an einer Telefonkonferenz sogar vom "wichtigsten Deal", den ABB je gemacht habe. Mit B&R stosse gewissermassen das "Microsoft der industriellen Automation" zum ABB-Konzern, sagte er. Es werde zwar weitere Akquisitionen geben, fügte er an. Doch gebe es nach diesem Deal kein "must have" mehr.

Der Hauptsitz von B&R in Eggelsberg in Oberösterreich wird für ABB zum globalen Zentrum für Maschinen- und Fabrikautomation, heißt es in der Mitteilung. Mittelfristig wird für B&R ein Umsatzziel von mehr als einer Milliarde Dollar angepeilt. Die beiden Unternehmensgründer Bernecker und Rainer sollen während der Integrationsphase als Berater zur Verfügung stehen. Das aktuelle B&R-Management und sämtliche Standorte in Österreich mit allen Mitarbeitern sollen unverändert erhalten bleiben.

Pressekonferenz in Hörsching

Schweizer Elektrotechnik-Konzern ABB hat wegen der Übernahme kurzfristig eine Pressekonferenz angesetzt.  Sie findet am Dienstag  um 15.45 Uhr am Flughafen Linz in Hörsching im General Aviation Center statt.  ABB-CEO Ulrich Spiesshofer wird gemeinsam mit dem designierten Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wirtschaftslandesrat Michael Strugl (beide ÖVP) die Bedeutung der Übernahme von B&R erläutern.

Eine fantastische Chance

"Diese Kombination ist eine fantastische Chance für B&R, für die österreichische Industrie und für Oberösterreich. Wir sind überzeugt, dass ABB für uns die beste Plattform bietet, um das nächste Kapitel unserer Wachstumsgeschichte zu schreiben und die Neuausrichtung der österreichischen Wirtschaft auf die Zukunftsmärkte des 21. Jahrhunderts weiter zu beschleunigen, sagte Josef Rainer, einer der beiden Miteigentümer von B&R.

Und auch Gründerkollege Erwin Bernecker ist überzeugt, dass es ein guter Deal ist:  "Diese Transaktion ist ein äußerst positives Signal an all unsere Mitarbeiter, denn Eggelsberg wird für die gesamte ABB zum globalen Zentrum für Maschinen- und Fabrikautomation. Für mich ist dabei das Wichtigste, dass beide Firmen und ihre Mitarbeiter so gut zusammenpassen und dass unser Gründungsstandort weiter eine zentrale Rolle spielen wird.“

B&R rasant gewachsen

Mit einer durchschnittlichen jährlichen Umsatzsteigerung von rund elf Prozent ist B&R in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Der Umsatz hat sich alleine seit dem Jahr 2000 mehr als verfünffacht. Die globale Kundenbasis ist rasant auf mittlerweile mehr als 4000 Maschinenbauer gewachsen. B&R ist in den letzten Jahren dazu übergegangen, Endkunden wie Nestle oder BMW direkt mit Fabrikautomationsgeräten und Software zu beliefern.

B&R investiert mehr als 10 Prozent des Umsatzes in Forschung & Entwicklung und beschäftigt mehr als 1000 Mitarbeiter in diesem Bereich und in der Anwendungsentwicklung. ABB investiert jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar in F&E und beschäftigt rund 30.000 Forscher, Entwickler und Anwendungsingenieure. Beide Unternehmen planen auch in Zukunft umfangreiche Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Die Transaktion folgt einer branchenüblichen Bewertung. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. ABB wird die Übernahme vollständig mit Barmitteln finanzieren. Die Transaktion wird sich voraussichtlich bereits im ersten Jahr positiv auf den operativen Gewinn je Aktie auswirken. Die erwarteten Synergien liegen bei rund acht Prozent des B&R-Umsatzes im vierten Jahr nach Abschluss der Transaktion. Dieser unterliegt den üblichen regulatorischen Genehmigungen und erfolgt voraussichtlich im Sommer 2017.

ABB ist an der Börse in Zürich gelistet und mit 51,6 Milliarden Franken Börsewert ein Schwergewicht. Der Konzern beschäftigt 132.000 Mitarbeiter, hat im Vorjahr 33,8 Milliarden Dollar umgesetzt und 1,9 Milliarden Dollar verdient. Die Bernecker & Rainer Industrie-Elektronik GmbH wies im Geschäftsjahr 2015/16 einen von 217 auf 235 Millionen Euro gestiegenen Bilanzgewinn aus.

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