Deutsche Bank-Chef Cryan will den Blick nach vorne richten

Deutsche Bank-Chef John Cryan
Deutsche Bank-Chef John CryanAPA/dpa/Arne Dedert
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Den Blick nach vorne richten - nichts wünscht sich die Deutsche-Bank-Führung nach den vielen Krisenjahren mehr.

Milliardenschwere Strafzahlungen, zu wenig Kapital, mangelnde Kontrollen - mit den Negativ-Schlagzeilen soll jetzt Schluss sein. Auf der Hauptversammlung am Donnerstag wird Vorstandschef John Cryan die neue Strategie in den Mittelpunkt rücken, für die die Aktionäre gerade erst acht Milliarden Euro lockergemacht haben. Die Grundpfeiler sind eingezogen, das Personal-Tableau rund um den neuen Finanzchef sortiert. Die wichtigsten Rechtsstreitigkeiten wurden beigelegt. Jetzt geht es darum, wieder ins Geschäft zu kommen, wie der Brite bei jeder Gelegenheit betont. Doch die Wogen sind noch nicht geglättet. Einige Aktionäre wollen der Führungsmannschaft die Entlastung verweigern und fordern Sonderprüfungen zu den teuersten Skandalen.

Die größten Investoren - das chinesische Finanzkonglomerat HNA und die Scheichs aus Katar - haben sich hinter Cryan gestellt. Die Chinesen stockten ihren Anteil zuletzt sogar noch auf, ein Vertrauensvorschuss. Auftreten werden sie in der Frankfurter Festhalle aber nicht, genauso wenig wie die Herrscherfamilie vom Golf. Daher könnten bei dem Aktionärstreffen schnell wieder die Kritiker die Oberhand gewinnen. Ein Großinvestor, der ebenfalls zum Kreis der mächtigen Top-10-Eigner zählt, bemängelt: "Die Bank hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Sie hat schon häufig eine finale Strategie verkündet und diese dann nicht umgesetzt. Die Maßgabe ist jetzt: Ergebnisse zeigen. Die Bank kann sich kein weiteres Jahr Zeit nehmen, bis sie sichtbare Erfolge vorlegt."

Die Deutsche Bank muss in den nächsten Quartalen zeigen, dass sie das Vertrauen der Kunden zurückgewinnt und vor allem im wichtigen Investmentbanking Marktanteile zurückerobert. Die Umbauarbeiten, die mit der Vollintegration der Postbank und dem Börsengang der Vermögensverwaltung bald in eine neue Runde gehen, dürfen nicht zu sehr vom Tagesgeschäft ablenken. Darin sind sich nicht nur Analysten, sondern wohl auch die meisten Anleger einig. "Die Deutsche Bank steht jetzt unter Beobachtung", sagt ein anderer Top-10-Aktionär. "Die letzten Jahre waren eine Katastrophe."

Weniger Konsens besteht in der Frage, ob das Geldhaus seine unzähligen Skandale und die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat intern schon ausreichend aufgearbeitet hat und deshalb wirklich einen Schlussstrich ziehen kann. Eine kritische Aktionärin findet: Nein. Sie fordert deshalb externe Sonderprüfungen zu zwei besonders großen Rechtsstreitigkeiten: dem Skandal um manipulierte Zinsen (Libor) und der Geldwäsche-Affäre in Russland. In beiden Fällen hat die Bank schon Strafen gezahlt. Im vergangenen Jahr war die Anlegerin mit ihrem Anliegen knapp gescheitert. Dieses Jahr könnte es spannend werden, denn gleich zwei einflussreiche Stimmrechtsberater, ISS und Glass Lewis, unterstützen die Forderung.

Zweite Amtszeit für Achleitner

Bei der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat laufen ISS und Glass Lewis auseinander: ISS stellt sich trotz der Forderung nach Sonderprüfungen hinter die Deutsche-Bank-Spitze, weil sich niemand nachweislich etwas zu Schulden habe kommen lassen. Auch Union Investment, einer der Top-20-Aktionäre, gibt Rückendeckung: "Wir wollen Vorstand und Aufsichtsrat entlasten und damit honorieren, dass in einem sehr schwierigen Jahr gute Arbeit geleistet wurde", sagt Portfoliomanager Ingo Speich im Gespräch mit Reuters.

Rechtliche Folgen hat die Entlastung nicht. Die Abstimmungsergebnisse gelten aber als Indikator dafür, wie viel Vertrauen die Aktionäre in die Konzernführung haben. Vor zwei Jahren waren die Ergebnisse so verheerend, dass die beiden damaligen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen kurze Zeit später ihren Rückzug ankündigten.

Diese Gefahr besteht bei Cryan nicht. Ihm haftet noch immer das Image des peniblen Sanierers an, mit dem er im Sommer 2015 gestartet war - auch wenn die Neuausrichtung der Bank länger dauert als von vielen erhofft. Für Aufsichtsratschef Paul Achleitner könnte es spannender werden, er steht zur Wiederwahl. Insidern zufolge ist Achleitner nach vielen vertraulichen Gesprächen mit Investoren in den vergangenen Monaten zuversichtlich, dass die Mehrheit steht. Im Kontrollgremium selbst genießt er hohes Ansehen, auch auf der Arbeitnehmerseite, die sich den Österreicher für weitere fünf Jahre wünscht. Einer der Großaktionäre will in das Loblied nicht unbedingt einstimmen, sondern plädiert aus pragmatischer Sicht für Kontinuität: "Für die Bank wäre es am besten, wenn sie mal zwei, drei Jahre keine Personaldebatten hätte. Wenn endlich Ruhe eingekehrt, könnte sie sich darauf konzentrieren, wirtschaftlich die Wende zu schaffen."

(Kathrin Jones/Reuters)

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