Fiat droht Milliardenklage in den USA

Ein großer, schwerer „Stinker“: Der Dieselmotor des Ram 1500 soll eine illegale Abgasschaltvorrichtung haben.
Ein großer, schwerer „Stinker“: Der Dieselmotor des Ram 1500 soll eine illegale Abgasschaltvorrichtung haben.(c) APA/AFP/FREDERIC J. BROWN (FREDERIC J. BROWN)
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Der italienische Autobauer soll ähnliche Abgastricks wie VW verwendet haben. Die USA drohen nun mit Klage, die EU geht deswegen gegen Italien vor.

Washington/Wien. „EcoDiesel“ nennt Jeep in den USA den Grand Cherokee mit dem 3.0-Liter-Dieselmotor. Doch allzu eco ist dieser Diesel nicht: Er überschreitet die Grenzwerte massiv. Passiert ist deswegen aber wenig. Jetzt reicht es den Behörden, sowohl in den USA als auch in Europa. Das US-Justizministerium bereitet eine Milliardenklage gegen FCA (Fiat Chrysler Automobiles) vor, in Europa leitet die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien ein.

Um was geht es? Ähnlich wie Volkswagen soll Fiat den 3.0-Liter-Dieselmotor (betroffen sind in den USA 104.000 Modelle des SUV Jeep Grand Cherokee und des Pickup Ram 1500) mit einer illegalen Vorrichtung ausgestattet haben, die die Abgasreinigung nach der Prüfung im Labor abschaltet. In Europa sollen noch weitere Fahrzeuge und Motoren betroffen sein. Fiat bestreitet das vehement. Doch für die US-Behörden sind die Erklärungen nicht schlüssig.

Daher hat man vorsorglich eine Klage gegen den italienischen Autobauer vorbereitet, obwohl noch Gespräche laufen. Offenbar will das US-Justizministerium damit den Druck erhöhen: Denn hochgerechnet auf die Anzahl der verkauften Fahrzeuge ergibt sich eine theoretische Strafe von 4,6 Milliarden Dollar.

„Nie Vorschriften gebrochen“

FCA-Chef Sergio Marchionne meinte zwar vor einem Monat bei einem Gespräch, man habe „vielleicht Fehler gemacht“. Aber: „Wir haben nie versucht, die Vorschriften zu brechen.“

Sollten die Gespräche zwischen den Behörden und FCA nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen, könnte die Klage noch heute, Freitag, eingebracht werden, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Aktie des Unternehmens gab bereits stark nach.

Neben den Schwierigkeiten in den USA kommt auch in Europa Ungemach auf Fiat zu – allerdings indirekt über den Staat Italien. Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien wegen der möglicherweise manipulierten Abgaswerte eingeleitet. Die italienischen Behörden hätten die EU-Vorschriften für die Genehmigung von Fahrzeugtypen des Autobauers Fiat Chrysler nicht eingehalten, erklärte die Kommission. Sie forderte Italien auf, sich zu Bedenken zu äußern, wonach das Land auf die von Fiat „eingesetzten Emissionsminderungsstrategien“ unzureichend reagiert habe.

Im Dezember vergangenen Jahres hatte Brüssel bereits ähnliche Verfahren gegen Deutschland und sechs weitere EU-Staaten eröffnet. Der Vorwurf lautete dabei, dass die Länder entweder keine Sanktionssysteme für Verstöße der Autobauer eingerichtet haben oder diese nicht anwendeten. Deutschland und Großbritannien wurde zudem vorgeworfen, sich geweigert zu haben, der Kommission alle ihre Erkenntnisse aus nationalen Untersuchungen bei Volkswagen und bei anderen Herstellern offenzulegen.

Das Verkehrsministerium in Berlin hatte im September seinerseits in einem Schreiben an die EU-Kommission auf die Existenz illegaler Software zur Abschaltung der Abgasreinigung bei Fiat-Fahrzeugen verwiesen. Grundlage war der Test von vier Autos durch das deutsche Kraftfahrtbundesamt: zwei Fiat 500x, ein Jeep Renegade und ein Fiat Doblo.

15-fache Überschreitung

Durch die festgestellte Abschaltung steigt nach den deutschen Angaben der Ausstoß an Stickoxiden auf das Neun- bis 15-Fache des Grenzwerts. Die italienische Zulassungsbehörde sieht nach eigenen Tests jedoch keinen Verstoß und damit auch keine Notwendigkeit, in der Causa aktiv zu werden. Ein Schlichtungsverfahren zwischen Italien und Deutschland brachte keine Ergebnisse.

Die EU-Kommission nimmt das Vorgehen der Länder zum Anlass, um die Zuständigkeit für die Durchsetzung von Rechtsvorschriften und Bestrafung für sich zu reklamieren. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass man diese Kompetenzen nicht den einzelnen Staaten überlassen könne. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2017)

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