In der Windindustrie ist die Luft raus

APA/dpa
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Reihenweise verbuchen die Windturbinen-Hersteller derzeit Gewinneinbrüche und kündigen Personalabbau an. Experten rechnen mit einer Konsolidierungswelle.

Vor drei Jahren noch als Wachstumsmarkt gepriesen und bei Anlegern heiß begehrt, ächzt die Windindustrie-Branche unter einem enormen Preisverfall. Der trifft die Windturbinen-Hersteller - Marktführer Vestas und Siemens Gamesa genauso wie die kleineren Rivalen Nordex und Senvion - und hat sich in letzter Zeit noch beschleunigt. Schuld ist die Einführung von Ausschreibungsverfahren für Windparkprojekte in vielen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Indien. Bei solchen Auktionen erhalten die Projektentwickler den Zuschlag, die die niedrigsten Subventionen fordern. Diesen Preisdruck geben die Windparkbauer an ihre Zulieferer weiter - die Margen sinken. Reihenweise verbuchen die Windturbinen-Hersteller derzeit Gewinneinbrüche und kündigen Personalabbau an. Experten rechnen mit einer Konsolidierungswelle.

"Die Einführung der Auktionen hat zu einer deutlichen Preiserosion geführt, die Sorgen über die Margen ausgelöst hat", beschreibt Thomas Deser, Portfolio-Manager beim Siemens Gamesa-Aktionär Union Investment, die Zusammenhänge. Die Siemens-Tochter, die vor Kurzem aus der Fusion der Windkraftsparte des deutschen Konzerns und deren spanischem Konkurrenten Gamesa fusioniert worden war, hatte zuletzt die Bilanz des Münchner Technologieriesen getrübt. Auftragseingang und Gewinn der Tochter brachen im Quartal ein, der Umsatz schrumpfte ebenfalls. Nun sollen 600 Jobs in Dänemark gestrichen werden. Die Aktie verlor in den vergangenen Monaten rund 17 Prozent an Wert.

Der Hamburger Wettbewerber Nordex, Marktdaten zufolge auf Rang sechs der Branche, wollte durch die Übernahme der Wind-Tochter der spanischen Acciona ebenfalls hoch hinaus. Doch spätestens im Frühjahr verlor auch dieses Unternehmen das Vertrauen der Anleger: Nachdem Projektverzögerungen schon im Herbst 2016 die Euphorie gedämpft hatten, lösten die aufgegebenen Mittelfrist-Ziele im Februar dann einen Kurssturz aus. Derzeit verhandelt das Management mit den Arbeitnehmervertretern über einen möglichen Stellenabbau, um die Kosten zu senken. Die TecDax-Titel verloren binnen neun Monaten fast zwei Drittel ihres Wertes.

Neue Übernahme-Fantasien

Dabei wendeten sich die Anleger vor allem von den Unternehmen ab, die nach Übernahmen mit Vorschusslorbeeren an den Start gegangen waren. Siemens Gamesa und Nordex hätten sicher beide individuelle Probleme. "Doch es es stimmt auch, dass beide eine Übernahme zu managen haben und das ist eine Belastung", sagte ein Brancheninsider. Die Aktien des Marktführers Vestas, der keine Integration eines Unternehmens zu stemmen hat, legten seit Ende 2015 dagegen um zwei Drittel zu. "Zusammenschlüsse von Unternehmen sind immer schwierig. Und wenn es Unternehmen aus zwei verschiedenen Kulturen sind, dann wird es nicht leichter. Es gibt dort oft Reibungsverluste," erläutert Portfolio-Manager Deser.

Dennoch lösen die Marktverwerfungen neue Übernahme-Spekulationen aus. "Wir glauben fest daran, dass der Markt sich weiter konsolidieren wird. Kleinere Player wie Nordex drohen bedeutungslos zu werden", schrieben Barclay-Analysten zuletzt. In Branchenkreisen wird gemutmaßt, Nordex und der kleinere Rivale Senvion, eine ehemalige Tochter der indischen Suzlon, könnten nun selbst Übernahmeziele werden. So könnte etwa Nordex-Großaktionär Acciona bei den Hamburgern zugreifen, sagen Insider. Das ist allerdings erst nach Ablauf einer dreijährigen Stillhaltefrist im Herbst 2018 möglich. Acciona hatte 2015 im Gegenzug zur Übernahme der Wind-Tochter durch Nordex 29,9 Prozent an der Firma übernommen. Acciona wollte die Spekulationen nicht kommentieren. Bei Nordex hieß es: "Wir sehen derzeit keine Konsolidierungsnotwendigkeit für uns."

Ein Senvion-Sprecher erklärte: "Wir sehen auch einen enormen Konsolidierungsdruck." Daher setze die Firma konsequent auf ihr Zukunftsprogramm um, um als Unternehmen global stark aufgestellt zu sein.

(Christoph Steitz/Reuters)

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