Semperit: „Gummi muss gescheit werden“

Der neue Konzernboss Martin Füllenbach.
Der neue Konzernboss Martin Füllenbach.(c) Semperit
  • Drucken

Der neue Konzernboss Martin Füllenbach kennt beim Totalumbau des Unternehmens kein Tabu: Auch die Medizinhandschuh-Sparte könnte verkauft werden.

Wien. „Das Unternehmen ist noch nicht im Heute angekommen und für morgen nicht aufgestellt.“ Dieser Satz trifft voll ins Schwarze, so wie alles, was der neue Semperit-Boss Martin Füllenbach über den Gummikonzern sagt. Treffsicherheit – das hat der gebürtige Bayer vor allem zu Anfang seiner Karriere als Offizier bei der deutschen Bundeswehr gelernt. Nicht blinde Disziplin, vielmehr Führung und Motivation, Durchsetzungsstärke und strategisches Denken nahm der 49-Jährige vom Soldatenleben mit, aber auch von den Managertätigkeiten bei den Technologiekonzernen Voith und Oerlikon.

Diese Eigenschaften sind bei Semperit gerade jetzt sehr gefragt. Denn das Unternehmen, das in seiner langen Geschichte auch harte Schnitte wie die Trennung von der Reifensparte mitgemacht hat, steht an einer Wende. Füllenbach hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als den Konzern, dessen Marke zwar sehr bekannt ist, dem es jedoch mit einer (bereinigten) Ebit-Marge von nur 1,3 Prozent deutlich an Profitabilität fehlt, komplett neu auszurichten. „Gummi muss gescheit werden“, meint er und spricht in Anlehnung an andere Industrien von „smart rubber“ (intelligentem Gummi). Semperit sei noch analog. Sein Vorbild ist die schwedische Trelleborg, ein weltweit agierender Kunststoff-Konzern, dessen Wurzeln auf eine Gummifabrik zurückgehen.

Um das Kunststück des totalen Konzernumbaus bei gleichzeitigem Wachstum zu schaffen, dreht Füllenbach erst einmal jede Schraube um. Für den Analyseprozess holt er sich Berater ins Haus, die gerade in der Auswahl stehen. Im ersten Halbjahr 2018 soll eine klare Strategie herauskommen. Faktum ist, dass Füllenbach bei der Transformation kein Tabu kennt.

Was heißt das? „Es ist möglich, dass wir ein oder das andere Segment verkaufen.“ Auch die Medizinhandschuh-Produktion (Sempermed), die 40 Prozent des Umsatzes macht, ist nicht in Stein gemeißelt. „Sempermed ist nicht der Kern.“ Auch in dieser Sparte gibt es Handlungsbedarf. Handschuhe seien Commodities, wo es viel Konkurrenz gebe. Erst im März wurde das Joint Venture mit der thailändischen Sri-Tang beendet.

Also geht es doch ums Schrumpfen? „Nein, wir werden in bestehenden Bereichen wachsen und auch zukaufen.“ Wenn Semperit im Jahr 2020 200 Jahre alt ist, müsse das Unternehmen „größer, anders und exzellent“ sein. Ziel sei es, in profitablen Nischen zu reüssieren. Und zwar mit „Produkten, wo China nicht mithalten kann“.

Geschäft ist zu breit aufgestellt

Semperit sei zu breit aufgestellt, lautet seine Diagnose: Die vier Sparten – Sempermed (Untersuchungshandschuhe), Sempertrans (Förderbänder), Semperform (Profile, Handläufen für Rolltreppen), Semperflex (Schläuche) – bedeuteten zu viele Geschäftsmodelle, zu viele verschiedene Märkte. In diesen konkurriere Semperit mit vielen Mitbewerbern, die zwar kleiner seien, aber mehr Geschäft machten. Fazit: „Der Bauchladen ist nicht optimal.“

Das größte Sorgenkind ist die Sempertrans, die im ersten Halbjahr ein negatives Betriebsergebnis von 10,4 Mio. Euro hatte. Deshalb wird bereits – ungeachtet der künftigen Strategie – die Schließung eines Werks in Frankreich geprüft. Die Sparte sei auf Europa konzentriert, begründet Füllenbach die Schieflage. Das Geschäft liege jedoch in Asien und Nordamerika. „In China gibt es 12.000 Minen, wir beliefern aber nur zwei.“

Als „möglichen Nukleus der Semperit von morgen“ sieht Füllenbach indes die Semperform. Dort gebe es exzellente Produkte und viel Knowhow, das es zu heben gelte. Angesichts der großen Nachfrage in den USA überlegt Füllenbach, dort ein eigenes Werk zu bauen. Gerade für diese Sparte will er auch das Paradigma, nicht für die Autoindustrie zu produzieren, aufbrechen. „Warum ist Semperit in den letzten Jahren nicht mehr gewachsen? Weil Marktchancen nicht genutzt wurden“, verweist Füllenbach genau auf den Automotive-Bereich. Fensterprofile gebe es auch in Autos.

Gut aufgestellt sieht Füllenbauch auch die Produktion von Hydraulikschläuchen (Semperflex). Deshalb werde in die Erweiterung der Fabrik in Tschechien investiert.

Trotz der Baustellen erwartet der seit drei Monaten amtierende Semperit-Chef für das Gesamtjahr 2017 schwarze Zahlen. Dennoch heißt es für die Aktionäre, allen voran die B&C Holding, warm anziehen: die Dividende werde „überprüft“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

CONTI SCHLIESST SEMPERIT-REIFENWERK TRAISKIRCHEN ENDGUELTIG
Österreich

Verlust für Semperit

Gummi und Kautschuk. Sondereffekte belasten das Betriebsergebnis schwer, die Aktie fiel.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.