Siebeneinhalb Jahre Jobgarantie: Chinesen umgarnen Autozulieferer Grammer

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Die chinesische Ningbo Jifeng will den 1,8 Milliarden Euro Umsatz großen Autozulieferer Grammer zur Gänze übernehmen.

Der bayerische Autozulieferer Grammer steht voraussichtlich vor einem Verkauf nach China. Der Hersteller von Mittelkonsolen, Armlehnen, Kopfstützen und Lkw-Sitzen befindet sich in fortgeschrittenen Verhandlungen mit seinem chinesischen Großaktionär Ningbo Jifeng, der ein 772 Millionen Euro schweres Übernahmeangebot vorlegen will, wie Grammer am Dienstag mitteilte. Jifeng war vor gut einem Jahr von Grammer an Bord geholt worden, um den unerwünschten Großaktionär Hastor abzuwehren. Jifeng hält 25,5 Prozent an dem Unternehmen aus Amberg in der Oberpfalz und will nun laut Finanzkreisen auf mindestens 50 Prozent aufstocken. Die Chinesen böten den rund 13.000 Grammer-Mitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie über siebeneinhalb Jahre, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Eine Einigung auf einen Fusionsvertrag gebe es noch nicht, betonte ein Grammer-Sprecher. Die Aktionäre setzen aber darauf, dass die Übernahme zustande kommt. Die im Kleinwerteindex SDax notierte Aktie schoss um 20 Prozent auf 61,60 Euro nach oben und lag damit leicht über den 61,25 Euro, die Jifeng einschließlich der geplanten Dividende von 1,25 Euro für 2017 bietet.

Für die Familie Hastor, den Eigentümer des Autozulieferers Prevent, biete das Angebot eine gute Möglichkeit zum Ausstieg, schrieb DZ-Bank-Analyst Michael Punzet. Die bonisch-stämmigen Hastors hatten 2016 eine Beteiligung von 19 Prozent aufgebaut, waren aber mit dem Versuch gescheitert, Vorstandschef Hartmut Müller zu stürzen. Damals lag die Grammer-Aktie zwischen 27 und 36 Euro. Prevent liegt mit mehreren deutschen Autobauern, allen voran Volkswagen, im Clinch. Grammer hatte berichtet, dass mehrere Hersteller nach dem Einstieg der Hastors mit Aufträgen gezögert hätten. Nach einer Übernahme durch Jifeng könne sich der Ordereingang wieder normalisieren, schrieb Analyst Punzet.

Die Autozulieferbranche gehört neben dem Maschinenbau zu den Branchen, die chinesische Firmen in Deutschland vorzugsweise ins Visier nehmen. Vor allem über die milliardenschwere Übernahme des Roboter-Herstellers Kuka war kontrovers diskutiert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Besuch in China kürzlich auf gleiche Rechte für deutsche Unternehmen bei Übernahmen in China gepocht. Bisher sind sie dort meist auf Gemeinschaftsprojekte mit chinesischen Partnern angewiesen.

Keine Hürden zu erwarten

Den Einstieg von Jifeng bei Grammer hat die Bundesregierung bereits durchgewinkt, so dass die Chinesen auch bei einer Übernahme keine Hürden erwarten. Jifeng habe von Anfang an auf einen größeren Anteil spekuliert, sagte einer der Insider. Erst jetzt habe das von der Familie Wang beherrschte Unternehmen, das kleiner ist als Grammer, aber die Finanzierung der Übernahme gesichert. Inklusive Schulden müssten die Chinesen, mit denen Grammer schon vor dem Einstieg zusammengearbeitet hatte, mehr als eine Milliarde Euro finanzieren. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, für den Jifeng 75 Prozent der Anteile bräuchte, sei nicht geplant, sagten Insider.

Grammer hatte erst vor einer Woche die größte Übernahme seiner Geschichte in Angriff genommen, um bei US-Autobauern stärker Fuß zu fassen: Der umgerechnet 233 Millionen Euro teure Zukauf des Kunststoff-Spezialisten Toledo Molding & Die (TMD) aus dem US-Bundesstaat Ohio soll mit Krediten finanziert werden.

Grammer hat im Vorjahr knapp 1,8 Milliarden Euro umgesetzt und dabei 32,5 Millionen Euro verdient. Die Aktie des Konzerns kostete am Montag 51,30 Euro.

(Reuters)

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