Wird die Lufthansa in Wien zu stark?

Auf dem Weg zur marktbeherrschenden Stellung? Die Lufthansa kommt ins Visier heimischer Wettbewerbshüter.
Auf dem Weg zur marktbeherrschenden Stellung? Die Lufthansa kommt ins Visier heimischer Wettbewerbshüter. (c) REUTERS
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Für BWB-Chef Thanner fliegt der mächtige Marktführer „ums Kartellrecht herum“. Hinter der Miete von Air Berlin-Maschinen samt Crew wittert er eine versteckte Fusion.

Wien. Mehr Personal, das Budget um zwei Drittel aufgestockt – mit ihren neuen Kapazitäten zeigt die immer noch kleine Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nun Muskeln. Ihr Chef Theodor Thanner hat offenbar keine Scheu, sich mit der mächtigen Lufthansa anzulegen. Sein Verdacht: Beim Leasing von 38 Maschinen samt Mannschaft von der schwer angeschlagenen Konkurrentin Air Berlin gehe es nicht nur um Zusammenarbeit, sondern in Wahrheit um eine Fusion. Die beiden Firmen „fliegen um das Kartellrecht herum“, sagte der oberste heimische Wettbewerbshüter im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Juristische Spitzfindigkeiten? Alle Passagiere sind betroffen, wenn die deutsche Gruppe (samt AUA, Eurowings und Swiss) als einziger Anbieter auf wichtigen Strecken eine marktbeherrschende Stellung gewinnt – weil dann meist die Tickets teurer werden. Das zeigt die Erfahrung: Nach der Übernahme von AUA und Brussels Airways stiegen die Preise auf der Strecke Wien–Brüssel um ein Viertel, während sie auf vergleichbaren Verbindungen mit Wettbewerb um ein Fünftel sanken. Ähnliches fürchtet Thanner nun wieder: Für Wien–Zürich „häufen sich Beschwerden“, dass sich seit Aufnahme der Gespräche mit Air Berlin die Preise „verdoppelt“ hätten.

Die EU-Kommission hat für den Miet-Deal vorerst grünes Licht gegeben. Denn Flugzeuge sind für Fluggesellschaften keine „wesentlichen Betriebsmittel“, womit keine Fusion vorliege. Das hat Jurist Thanner in dieser Causa gelernt, aber: „Ich verstehe es trotzdem nicht.“ Marktanteile verschieben sich jedenfalls erst, wenn auch Landerechte (Slots) mit übergeben werden. Zwar verneinen dies die Vertragspartner. Aber vielleicht, spekuliert Thanner, haben sie ja „irreführende Angaben“ gemacht.

Das gilt es nun zu prüfen – und hier können alle Regulierer mitreden, in deren Ländern die Fluglinien tätig sind. Kommt einer von ihnen zu dem Schluss, dass tatsächlich eine Fusion vorliegt und die Airlines es verabsäumt haben, diese anzumelden, kann er auch national Strafen verhängen.

Deshalb wollte die Lufthansa im November auch von den Wiener Wettbewerbshütern eine Art Freibrief bekommen. Die BWB wich in ihrer Antwort Ende Dezember einer klaren Stellungnahme aus. Sie wartet lieber die Entscheidung der deutschen Kollegen ab, die gerade über der Frage der Slots brüten. Aber Thanner hat auch einen eigenen Pfeil im Köcher: Im Vorjahr verklagte der Fachverband der Reisebüros die Lufthansa beim Kartellgericht wegen ihrer Ticketgebühr. Ein Ökonom erhielt den Auftrag zu prüfen, ob die Kranich-Airline damit eine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Sein Gutachten soll noch im Jänner vorliegen – und das Ergebnis, sagt Thanner, „hat dann Einfluss“ auf die Beurteilung des Air Berlin-Deals.

Whistleblower-Hotline kommt

Für das Jahr 2017 hat sich der Chef der Wettbewerbshüter einiges vorgenommen. Wichtigste Neuerung in seiner Behörde: eine eigene Hotline für Whistleblower. Für sie braucht es noch eine Novellierung der Kronzeugenregelung, die bis April über die Bühne gehen soll. Freilich ist die BWB heute nicht mehr allein darauf angewiesen, dass Mittäter von Kartellen als Kronzeugen auspacken. Sie setzt immer mehr auf eigene Ermittlungen. Dabei nimmt sie schwerpunktmäßig Sektoren unter die Lupe, bei denen sie Preisabsprachen oder geheimen Gebietsschutz vermutet. Heuer nimmt sie sich vor allem die Gesundheitsbranche und die Bestatter mit ihren „enormen Spannen“ vor.

Mit Spannung erwartet wird auch ihr Monitoring zu den Bankomatgebühren, das die Behörde am 31. Jänner bekannt geben will.

Um aktiv Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht aufzuspüren, setzten seine Hüter auf ausgefeilte Werkzeuge der IT-Forensik – aber auch auf ganz simple Methoden: Schon beim Blättern auf der Preisvergleichplattform geizhals.at finden sich immer wieder Indizien für illegale Absprachen.

Thanners Beispiel, bei dem er keine Namen nennt: ein Wachsmaschinenmodell, das von 23 Händlern zum exakt gleichen Preis angeboten wird – und das „schon seit Jahren“. Nur einmal dürfte ein mutiger Verkäufer sich über die Preisbindung hinweggesetzt haben. Die Rüffel des Lieferanten folgten wohl auf dem Fuß, denn schon tags darauf wiesen alle Anbieter wieder den einheitlich hohen Preis aus (siehe Grafik).

Für einen „begründeten Verdacht“ reicht das freilich nicht. Die BWB konnte vorerst nur den Lieferanten mit den Daten konfrontieren. Aber wie die Trophäensammlung der Behörde zeigt, gab es in vergleichbaren Fällen auch schon Strafen – und zwar gegen Philips, Grundig und Media-Saturn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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Lufthansa/Air Berlin fliegen um Kartellrecht herum

Der Chef der österreichischen Wettbewerbsbehörde BWB, Theodor Thanner, sieht gute Gründe, dass die Zusammenarbeit zwischen Lufthansa und Air Berlin doch unter das Kartellrecht fällt.

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