Wohnen wird immer mehr zum Luxus

APA/GEORG HOCHMUTH
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Wohnungspreise und Löhne driften immer mehr auseinander. Neubauwohnungen in Wien sind teurer als in Frankfurt und Berlin.

Die Leistbarkeit von Wohnraum verschlechtert sich zusehends. "Die Wohnungspreise und die Löhne driften immer mehr auseinander", sagte der frühere s-Bausparkassen-Chef Josef Schmidinger, der derzeit Bereichsleiter für Wohnbau und Immobilien bei der Erste Bank sowie Geschäftsführer der (noch nicht operativ tätigen) Wohnbauinvestitionsbank ist. Die Mieten stiegen wesentlich stärker als die Einkommen.

Dabei brummt derzeit der Wohnbau - es wird viel gebaut und die Zinsen sind niedrig. Angesichts der wachsenden Bevölkerung infolge des Zuzugs und des Älterwerdens der Menschen würden künftig jedes Jahr rund 60.000 neue Wohnungen gebraucht. 2017 habe es über 65.000 Neubaubewilligungen gegeben, stellte Schmidinger zufrieden fest. "Wir haben wirklich eine sehr starke Wohnbautätigkeit - in den Neubaufertigstellungen erreichen wir langsam den Wert, den wir brauchen", merkte er an. Diesbezüglich sei "ein Optimalzustand erreicht".

Parallel dazu schnellen aber die Baukosten in die Höhe - alleine 2017 habe es hier eine Teuerung von 6,6 Prozent gegeben, bei 2 Prozent Inflation. "Wir haben einen sehr starken Drift der Preise nach oben - auch bei der Errichtung von Wohnungen", so der Marktexperte.

Grundstückspreise explodieren

Es sind nicht nur die Baukosten, sondern auch die Grundstückspreise in die Höhe geschnellt. 2008/09 war beispielsweise ein Quadratmeter im Wiener Sonnwendviertel rund um den neuen Hauptbahnhof noch um 330 Euro zu haben, jetzt sind dafür 1.800 Euro zu bezahlen. Öffentliche Grundstücksreserven um rund 400 Euro gibt es derzeit noch am Wiener Nordbahnhof und in Aspern. Die Flächen, die neu auf den Markt kämen - etwa aufgelassene Kasernen -, kosteten aber zwischen 1.200 und 1.600 Euro.

Schmidinger sieht auch die Politik gefordert: "Der Frage des Mietrechts wird man sich stellen müssen, da die Menschen an die Grenze kommen, wo sie sich Wohnungen leisten können." Der Stock an Wohnungen, die "gebunden" (im Sinne von gefördert, gemeinnützig, etc.) sind, wachse weniger stark als der Stock am freien Markt. "Diesen Stock der gebundenen Mieten weiterzuentwickeln, ist eine Schlüsselaufgabe."

Alle Kategorien teurer geworden

Gleichzeitig sei fraglich, in wie weit es möglich sei, Eigentum zu bilden. Die Preise in Österreich sind den Angaben zufolge sogar höher als in so manchen deutschen Städten. Für eine neu gebaute Eigentumswohnung sind in Wien mittlerweile im Schnitt 4.800 Euro pro Quadratmeter hinzulegen - in Frankfurt seien es nur rund 3.400 Euro, in Berlin 3.200 Euro. In Deutschland sei lediglich das hochpreisige München mit 5.500 Euro teurer. In London sind freilich etwa 7.000 Euro zu berappen, in Paris 6.000 Euro.

Die Preise für das Wohnen seien österreichweit "in allen Kategorien deutlich nach oben gegangen". 2017 verteuerten sich neue Wohnungen um 6,9 Prozent, bestehende um 2,4 Prozent. Häuser wurden um 4,8 Prozent teurer. Selbst in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung brauche die Miete rund 40 Prozent des Einkommens auf. 25 Prozent der Menschen in Mietwohnungen seien "armutsgefährdet", in den Genossenschaftswohnungen seien es 12 Prozent.

Nachdenklich stimmt Schmidinger auch die Tatsache, dass der Anteil der befristet vermieteten Wohnungen heuer von 20,4 auf 20,9 Prozent weiter angestiegen sei. "Durch die starke Nachfrage müssen die Leute Befristungen akzeptieren", so der Wohnbauexperte.

Der Nachfragedruck dürfte nicht nachlassen: 2016 sei die Bevölkerung in Österreich um 1,3 Prozent gewachsen, bis 2025 soll die Einwohnerzahl Schätzungen zufolge von derzeit 8,74 auf 9,15 Millionen zulegen. "Wir brauchen Wohnungen für die Älteren und junge Familien", betonte Schmidinger.

Aggression gegen Vermieter

Die Deutsche Wohnen als Berlins größter Vermieter sieht sich nach eigenen Angaben Aggressionen ausgesetzt. "Es gibt bestimmte Gruppen, die massiv Stimmung gegen uns und andere Immobilienunternehmen machen", sagte Vorstandschef Michael Zahn der "Berliner Morgenpost" (Donnerstag). Die Konzernzentrale in Wilmersdorf werde deshalb nun durch einen Zaun geschützt.

"Wir sehen uns in Zeiten, wo Wohnraum sich immer weiter verknappt, auch mit der Wut von Menschen konfrontiert, die bei Wohnungsbesichtigungen leer ausgehen." Bis zu 100 Interessenten melden sich laut Zahn mittlerweile für freie Wohnungen. Durchschnittlich zahlen Mieter bei der Deutschen Wohnen demnach 6,40 Euro kalt je Quadratmeter. Bei der Neuvermietung verlange das Unternehmen im Schnitt 8 Euro.

Aus Zahns Sicht ist das Klima Vermietern gegenüber feindlicher als zuvor, seit Berlin im vergangenen Jahr einen rot-rot-grünen Senat erhielt. Dennoch hat die Deutsche Wohnen im Oktober ihren Hauptsitz von Frankfurt in die Hauptstadt verlegt. Dort befinden sich 100.000 der bundesweit 160.000 Wohnungen des Konzerns. Kritik an dem Vermieter kommt vor allem von der Berliner Linken.

(APA)

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