Vor 50 Jahren: Historischer Oscar für den "weißen Schwarzen"

Sidney Poitier und Anne Bancroft.
Sidney Poitier und Anne Bancroft.(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Am 13. April 1964 erhielt Sidney Poitier als erster Schwarzer einen Oscar für die beste Hauptrolle. Von radikalen Schwarzen wurde er dennoch angefeindet.

Es ist ein historischer Moment in der Geschichte Hollywoods, als Sidney Poitier am 13. April 1964 als erster Afroamerikaner einen Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in "Lilien auf dem Felde" erhält. Poitier spielt in dem Film einen charmanten Gelegenheitsarbeiter, der Nonnen eine Kapelle erbaut.

Als ihn Ann Bancroft bei der Oscar-Gala auf die Wange küsst, sorgt das in den USA teilweise für Empörung. Ein Mädchen ist hingegen begeistert. "Ich war zehn und saß auf dem Linoleumboden zuhause. Meine Mutter arbeitete als Zimmermädchen, wir lebten von der Fürsorge", erinnerte sich die TV-Ikone Oprah Winfrey vor einigen Jahren. "Farbige wurden immer noch als Schwarze bezeichnet, und da sah ich also einen Farbigen aus einer Limousine steigen vor der Oscar-Zeremonie - ein Schauer durchfuhr mich."

Poitier war zweifellos der Wegbereiter für die späteren Oscar-Preisträger Denzel Washington (2001), Jamie Foxx (2004) und Forest Whitaker (2006). Halle Berry erhielt 2002 als erste afroamerikanische Schauspielerin den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Und Poitier war auch der erste Schwarze, der in einem Hollywood-Film eine weiße Frau küssen durfte ("Rat mal, wer zum Essen kommt", 1967). Zwar ist der Kuss nur durch einen Rückspiegel eines Taxis zu sehen, dennoch war es ein großer Schritt in einem rassistischen Land.

Als "weißer Schwarzer" beschimpft

Poitier genoss auf den Bahamas eine Kindheit ohne Rassismus. Sein Leben verdankte er einer Wahrsagerin, wie in seiner Autobiografie "The Measure of a Man" nachzulesen ist. Denn er kam am 27. Februar 1927 als Frühgeburt mit einem Gewicht von 1,5 Kilogramm zur Welt. Sein Vater, der bereits mehrere Kinder beerdigen musste, besorgte daraufhin einen Schuhkarton für das Begräbnis. Doch eine Wahrsagerin sagte seiner Mutter voraus, dass ihr Sohn einmal "in fast alle Winde der Erde ziehen und leben Königen einhergehen" würde. Die Mutter schaffte es danach trotz widriger Umstände das Kind durchzufüttern.

Erst als er als 15-Jähriger seinen Bruder in Miami besuchte, wurde er erstmals als Mensch zweiter Klasse eingestuft. Dennoch zeigte er sich auch in Hollywood selbstbewusst. Er werde keine Rollen als Kellner, Schuhputzer oder Chauffeur übernehmen, teilte er seinem Agenten mit. Doch obwohl er Ärzte, Anwälte und Polizisten spielte, wurde er von radikalen Schwarzen als "Uncle Tom", als angepasster "weißer Schwarzer", beschimpft. Etwa für seine Rolle in dem Film "Rat mal, wer zum Essen kommt", in dem er als idealistischer Arzt den künftigen Schwiegereltern Katharine Hepburn und Spencer Tracey vorgestellt wird. Dazu sollte man allerdings wissen, dass 1967, als der Film in die Kinos kam, die Ehe zwischen Weißen und Schwarzen noch immer in 17 US-Bundesstaaten illegal war.

Hollywood: Nicht alles hat sich gut entwickelt

Der 87-jährige Poitier selbst zählt die zwei Rassismus-Dramen "Flucht in Ketten" und "In der Hitze der Nacht" (der übrigens nicht in den Südstaaten, sondern im US-Bundesstaat Illinois gedreht wurde) zu "den Klassikern meines Lebens". In ersterem Film gelingt Poitier, an einen weißen Sträfling gekettet, die Flucht aus einem Gefangenentransporter. In zweiterem muss er sich gegen einen von Rod Steiger dargestellten rassistischen Polizisten zur Wehr setzen.

Aber nicht alles ist in den vergangenen 50 Jahren optimal verlaufen, wie Peter Keough im Hinblick auf den heuer oscarnominierten Film "12 Jahre ein Sklave" im "Boston Globe" schrieb: "1963 spielte Poitier einen normalen Kerl. Keinen Diener, keinen Sklaven, kein Opfer und keinen Heiligen. 50 Jahre später sind die Chancen auf einen Oscar-Gewinn für afroafrikanische Schauspieler zwar dramatische gestiegen, die Breite der Rollen scheint aber abgenommen zu haben."

Eine Auswahl seiner bekanntesten Filme:

"Flucht in Ketten" (1958)

"Lilien auf dem Felde" (1963)

"In der Hitze der Nacht" (1967)

"Rat mal, wer zum Essen kommt" (1967)

"Sneakers - Die Lautlosen" (1992)

>>> Zum "Boston Globe-"Bericht

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