Sie schworen „Wallahi, Billahi“

Der 1. Weltkrieg (1) - Kaiser Franz Joseph und der 1. Weltkrieg
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1914. Die Soldaten aus Bosnien-Herzegowina galten als kampfstark, loyal und verwegen. In Friedenszeiten war für viele eine Dienstzeit in Wien der Höhepunkt ihres Lebens.

In der kaiserlich-königlichen Armee des Jahres 1914 herrschte zwar ein wahres Sprachenbabel, aber selbst in Bosnien-Herzegowina, im jüngsten Kronland der Monarchie, galt als Kommandosprache Deutsch. Die zusammengewürfelte Armee stand kurz vor ihrer schwersten Prüfung.

Den bosniakischen Truppen ging schon in Friedenszeiten ein hervorragender Ruf der Tapferkeit voraus, ab August 1914 mussten sie nun diesem Ruf gerecht werden. Militärhistoriker rühmen die Disziplin, die bis 1918 bestand, obwohl die kaiserliche Armee ja 1878 nach heftigen Kämpfen als unliebsame Besatzungstruppe einmarschiert war.

50.000 Mann blieben nach der Okkupation zur Sicherung dieser unruhigen Provinz in Bosnien. Die Verwaltung war zunächst Sache des Militärs – unter nur noch nomineller Oberhoheit des Osmanischen Reiches. Als dann 1908 Bosnien-Herzegowina vom Habsburger-Reich annektiert wurde, stand Wien zunächst vor der Frage: Welcher Reichshälfte sollte das neue Kronland zufallen? Die „österreichische Lösung“: weder noch. Die oberste Zivilverwaltung oblag dem k.u.k. Finanzministerium. Es war für beide Reichshälften zuständig (wie das Kriegs- und das Außenministerium).

Die Bosniaken, die als äußeres Zeichen ihrer Verschiedenartigkeit den Fez aus rotem Filz statt der grauen Feldkappe tragen durften, waren in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien vor dem Krieg eine pittoreske Selbstverständlichkeit. Fotos zeigen sie bei der Burgwache und vor dem Kriegsministerium. Für diese Burschen aus dem rückständigsten Kronland der Monarchie war eine kurze Versetzung nach Wien ein überwältigendes Erlebnis. Ihren religiösen Bedürfnissen wurde großzügig entgegengekommen. Von der Wehrpflicht befreit waren – ebenso wie die Seelsorger anderer Religionsgemeinschaften – „Mollahs, die dienenden Schariarichter, Imams und Hatibs“. Die Freitage galten für muslimische Soldaten als Ruhetag (außer im Feld), ihr Essen konnten sie gesondert zubereiten und die erforderliche Verpflegung selbst einkaufen. Eigene Kochgeschirre wurden angeschafft und mit einer Marke versehen. Hammelfleisch war die bevorzugte Nahrung. Dies alles gestaltete sich natürlich nach Kriegsausbruch immer schwieriger, von den Gebetszeiten ganz zu schweigen.

Ihrem Schamgefühl wurde – wenigstens in Friedenszeiten – erstaunlich Rechnung getragen: Die ärztliche Visitierung fand stets einzeln und in einem abgesonderten Raum statt. Ihre Hosen waren praktisch: Bis unterhalb des Knies fallend, dann um die Unterschenkel eng anliegend. Das brachte eine so bequeme Bewegungsfreiheit, dass die Armeeführung allen Ernstes erwog, die „bosnische Hose“ nach dem Kriege für alle österreichischen Truppen einzuführen.

Viele starben an der Ostfront

1896 wurde die Eidesleistung für muslimische Bosniaken normiert. Der Militär–Imam hatte, den Koran in der Hand, vor den Soldaten den Eid vorzulesen. Die Soldaten sprachen die Formel mit bedecktem Haupte nach. Beschlossen wurde das Gelöbnis mit den Worten „Wallahi, Billahi“ (bei Gott!).

Als der Krieg ausbrach, wurden die Bosnier ganz verschiedenen Regimentern zugewiesen. Viele mussten an der Ostfront kämpfen, auf dem galizischen Kriegsschauplatz und dann 1915 in den verzweifelten Abwehrkämpfen in den Karpaten bei Eis, Schnee und tagelangem Regen. In der Heimat blieben hauptsächlich die Stäbe und Kadersoldaten für die Assentierung und Ausbildung immer neuer Rekruten. Einige Bataillone mussten an den verlustreichen „Strafexpeditionen“ gegen Serbien teilnehmen, andere wieder kämpften bei der Besetzung großer Teile Serbiens, Montenegros und Albaniens. Hier entwickelten sich alsbald grausame Partisanenkämpfe.

Fahnenflucht erst bei Kriegsende

Trotzdem blieb die Armeeführung gegenüber den bosnisch-serbischen Soldaten und Offizieren äußerst vorsichtig. Das war angesichts der nationalistischen Aufwallungen nach dem Attentat nur zu verständlich. Dadurch fühlten sich zwar viele aktive serbische Unteroffiziere der k.u.k. Armee in ihrer Soldatenehre gekränkt. Aber unter den Mannschaften kam es zu verstärkten Desertionen. Man mischte also bald die Truppen mit Polen und Ruthenen. Fazit ist, dass die Bosniaken an allen Fronten kämpften und starben.
Literaturtipp:

„Des Kaisers Bosniaken“, Verlag Militaria 2008

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2014)

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