Abschied: Von Staatsbegräbnissen, die keine waren

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Nur Bundespräsident, Kanzler und Parlamentspräsidenten, die im Amt sterben, erlangen die höchsten Ehren. Die Habsburger zelebrierten Zitas und Ottos Eingang in die Kapuzinergruft mit einer Pracht, die sich die Republik versagt.

Die Verabschiedung von Barbara Prammer am Samstag ist nicht nur ein Novum, weil sie vor dem Hohen Haus am Ring geplant ist. Es hat auch noch nie ein Staatsbegräbnis für einen Nationalratspräsidenten gegeben, weil alle Vorgänger Prammers schon Pensionisten waren, als sie starben. So stand ihnen nur ein „staatliches Begräbnis“ zu – ein feiner Unterschied. „Echte“ Staatsbegräbnisse sind rar. Nur wer im Amt als Bundespräsident, Kanzler oder Parlamentspräsident stirbt, dem widerfährt diese Ehrung, die zudem noch vom Ministerrat beschlossen werden muss. Außer, es hätte sich einer zu Lebzeiten solches verbeten.

So geschehen beim Tod von Rudolf Kirchschläger und Kurt Waldheim. Beiden – sie waren längst in Pension – wäre im Rahmen des „staatlichen“ Begräbnisses eine Aufbahrung des Sarges im „Jagdzimmer“ der Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg zugestanden. Einer Beisetzung in der Präsidentengruft am Zentralfriedhof widersetzten sich aber Kirchschlägers und Waldheims Familien dann doch nicht.

Das letzte Staatsbegräbnis fand im Juli 2004 statt. Thomas Klestil war – vier Tage vor der geplanten Amtsübergabe an seinen schon gewählten Nachfolger Heinz Fischer gestorben. Da er Katholik war, fand für ihn auch ein Requiem im Stephansdom statt, was bei den sozialistischen Amtsvorgängern nicht üblich war (siehe den untenstehenden Text). Apropos Sozialisten: Ein prominenter „Genosse“ legte großen Wert darauf, in der Metropolitankirche von Wien aufgebahrt zu werden: der frühere Innenminister und ÖGB-Chef Franz Olah. Dass damals – 2009 – die gesamte SP-Spitze fehlte, aber dafür Hannes Androsch das Wort ergriff, machte die Sache nur noch pikanter.

Das jüngste staatliche Begräbnis datiert aus dem Jahr 2007. Die Ehrung galt dem Ex-Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Sie war insofern politisch heikel, als Heinz Fischer in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt die Laudatio halten musste. Viele der damals Anwesenden hatten schon verdrängt, welch üble Rolle die SPÖ in der Verleumdungskampagne gegen Waldheim 1986 gespielt hatte. Fischer war damals deren Fraktionschef im Nationalrat.

Da auch noch nie in der Zweiten Republik ein Bundeskanzler im Amt verstorben ist, blieben die Staatsbegräbnisse auf die amtierenden Bundespräsidenten beschränkt: Karl Renner, Theodor Körner, Adolf Schärf, Franz Jonas und Thomas Klestil.

Ein staatliches Begräbnis (das ebenfalls vom Steuerzahler beglichen wird) erhielten die ehemaligen Bundeskanzler Leopold Figl, Julius Raab, Alfons Gorbach, Bruno Kreisky und Fred Sinowatz. Ehrengräber haben sie zwar alle. Aber Gorbach ruht in der heimatlichen Steiermark, Sinowatz im Burgenland. Josef Klaus verbat sich überhaupt jede staatliche Verabschiedung und wurde im engsten Familienkreis auf dem Grinzinger Friedhof beerdigt.

Was das staatliche Protokoll vorschreibt, wird zwar Punkt für Punkt erfüllt, aber dass auch das Herz und echte Trauer dabei sind, kann niemand verordnen, auch der Ministerrat nicht. Und so gestalteten sich andere Promi-Abschiede zu viel imposanteren „Quasi-Staatsakten“. Der ehrende und nicht enden wollende Trauerzug für Julius Raab durch die Wiener City war ein solches Beispiel. Ihm folgte bald darauf der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik, Raabs bester Freund Leopold Figl. Und noch lange in Erinnerung wird der Abschied von Bruno Kreisky bleiben. Das hätte den „Alten“ wohl sehr gefreut. Willy Brandt sprach am Ehrengrab, das heute eine runde Steinscheibe von Prantl ziert, vielen aus dem Herzen: „Seine Welt war größer als sein Land. Er hat sich um die Gemeinschaft und das Wohlergehen der Völker verdient gemacht. Ruhe in Frieden, lieber, schwieriger und guter Freund!“

Apropos Zentralfriedhof: Die Wiener städtische Bestattung, die sich heutzutage „Bestattung Wien“ nennt, verfügt bei Bedarf auch über eine gläserne Kutsche und stellt auch die entsprechenden Rappen bei. Für den legendären Bürgermeister Helmut Zilk wurde sie aus dem Fundus geholt. In der Abenddämmerung, bei Fackelschein, vollzog sich 2008 Zilks letzte Fahrt. Stilsicher.

Das Gefährt kam schon im April 1986 zum Einsatz, denn nur eine Kutsche passte zum letzten Weg des Heinz Conrads. Unübersehbar die Menschenmenge, die den beliebtesten „Talkmaster“ Österreichs die Maxingstraße hinauf zum Hietzinger Friedhof begleitete – in einer Zeit, da dieser Begriff noch gar nicht erfunden war. Zumindest nicht in Österreich.

Zweimal noch war die Kutsche im Einsatz. Im März 1989 entfaltete die Familie Habsburg den ganzen Prunk einer untergegangenen Welt, als Zita, letzte Kaiserin von Österreich und Apostolische Königin von Ungarn, im Schweizerischen Exil zu Zizers gestorben war. Dass das Sechsergespann mit der schwarzen Glaskutsche die Kurve vom Graben in den Kohlmarkt nur mit diskreter Hilfe der städtischen Bestattung schaffte, fiel nur uns Reportern auf. Es war ein buntes, feierliches Schauspiel. Bundeskanzler Franz Vranitzky war sicherheitshalber ins Ausland geflüchtet. Seine SPÖ war damals noch nicht so weit. Die „Volkshymne“ im Stephansdom – undenkbar für einen Republikaner?

Ganz anders die regierende SPÖ im Juli 2011. Zitas ältester Sohn Otto, der in biblischem Alter starb, war zwar noch Österreichs letzter Kronprinz, hatte aber auf jegliche Thron-Anwartschaft offiziell verzichtet und sich „als getreuer Bürger der Republik Österreich“ bekannt. Und da er eine außergewöhnlich starke Persönlichkeit war, sahen Bundespräsident und Kanzler kein Problem, am Requiem teilzunehmen und dem „Gott erhalte“ zu lauschen. Die „schwarze“ Reichshälfte sowieso nicht.

Der anschließende Kondukt bei „Kaiserwetter“ zur Kapuzinergruft zählt heute noch zum Prächtigsten, was die Wiener Innenstadt je gesehen hat. Dass auch das Bundesheer ausrückte, wurde zwar bekrittelt, aber nur pianissimo. Es war ein würdiger, fast fröhlicher Abschied von der „Welt von Gestern“. Und dies in einer gefestigten Republik, ohne irgendwelche Gegendemonstrationen oder störende Nebengeräusche. Kein Staatsbegräbnis. Nein, es war viel mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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