Terrorist und Genie: Vor 2000 Jahren starb Kaiser Augustus

Kaiser Augustus
Kaiser Augustus (c) imago stock&people
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Mit 19 Jahren beging er als Octavian Hochverrat, gab Macht ab und baute sie damit noch weiter aus: Augustus wurde Roms erster Kaiser - und ein Gott.

„Wenn euch denn alles gefallen hat, so klatscht Beifall und entlasst uns freudig...". Diese Worte werden Augustus von Historikern in den Mund gelegt, der am 19. August 14 nach Christus seine Augen für immer geschlossen hat. Im Alter von 76 Jahren hatte ihn eine Darmerkrankung dahingerafft. Das römische Imperium verlor damit seinen Friedensbringer, seinen ersten Kaiser - und ein Propaganda-Genie, das zum Gott erhoben wurde.

Es ist Anfang März 44 vor Christus, als sich der 19-jährige Octavian auf den Weg nach Apollonia, im heutigen Albanien, macht. Dort will er an einem Feldzug gegen die Parther teilnehmen, als er die Nachricht erhält: Gaius Iulius Caesar, sein Großonkel und Herrscher über das Imperium Romanum, wurde ermordet - mit 23 Dolchstichen. Die Täter: eine Gruppe von Senatoren. Umgehend kehrt der schmächtige junge Mann nach Rom zurück. Dort wird gerade das Testament des getöteten Diktators verlesen. Und dessen Inhalt ist brisant: Caesars letzter Wille ist die Adoption seines Großneffen, der damit zum Herrscher aufsteigt.

Der schmächtige Octavian, der die Sonne scheut, im Sommer die Hitze nicht verträgt und sich im Winter in vier Tuniken und eine Toga hüllt, weiß, wie dünn das Eis ist, auf dem er sich nun befindet. Bevor sich Caesar zum Alleinherrscher auf Lebenszeit erhoben hat, hatten seit über 150 Jahren Machtkämpfe das Reich dominiert: Attentate und Straßenkämpfe dienten dem Machtgewinn, Intrigen und Bestechung dem Machterhalt. Um davor gewahrt zu sein umgibt sich Octavian mit Beratern, darunter Caesars früherer Privatsekretär Lucius Cornelius Balbus und der Redner Marcus Tullius Cicero. Letzterer streut dem blonden Mann mit den „stechend blauen Augen" umgehend Rosen: „Er setzt Großes ins Werk ... Bedenk seinen Namen, bedenk sein Alter", schreibt er am 2. November 44 vor Christus.

„Grausige, verfassungswidrige Episode ... des Durchgreifens"

Seine erste Amtshandlung ist Hochverrat: Mit seiner Erbschaft kauft sich Gaius Iulius Caesar Octavianus, wie er sich nun rufen lässt, ein Heer aus Veteranen. Am 19. August 43 vor Christus marschiert er in Rom ein, zwingt den Senat, ihn zum Konsul zu erheben, und geht mit Marcus Antonius, Caesars einstigem Mitkonsul, sowie dem Reiterführer Marcus Aemilius Lepidus eine „Dreimännerherrschaft zur Ordnung des Staates" ein. Es folgt eine „grausige, verfassungswidrige Episode ... des Durchgreifens", so der britische Historiker Michael Grant. Denn das Triumvirat entledigt sich gezielt seiner Feinde - rund 300 Senatoren und 2000 Ritter fallen dem Massaker zum Opfer. Kaum ein Mörder Caesars überlebte diesen „länger als drei Jahre", berichtet Sueton, „keiner starb eines natürlichen Todes".

Auch seiner Mitregenten entledigt sich Octavian gekonnt: Er schafft es, Lepidus zu entmachten, dessen Truppen in Sizilien zu ihm überlaufen, wodurch er den gesamten Westen des Reiches beherrscht. Danach gelangt er an das Testament von Antonius, worin der Co-Regent die Kinder von Ägyptens Königin Kleopatra VII. als Erben eingesetzt hat. Der Feldherr gerät zur Unperson, Kleopatra zur Staatsfeindin. Während das Paar nach verlorenen Schlachten Selbstmord begeht, feiert sich Octavian in einem Triumphzug nie dagewesenen Ausmaßes und lässt ein Goldenes Zeitalters („aurea aetas") ausrufen, als er im August 29 vor Christus die Tore des Janustempels schließt - als Symbol des Friedens im ganzen Reich. „Ich habe den durch die Willkürherrschaft einer bestimmten Gruppe versklavten Staat befreit", wird er seine Taten später in seinen „res gestae" rechtfertigen.

Octavian hat von Caesars Schicksal gelernt: Statt sich wie dieser zum Diktator auf Lebenszeit zu erklären, gibt er (scheinbar) Macht ab: Er lässt sich den Titel „Princeps" verleihen, legt dafür aber sein Konsulat nieder. Er gibt das Kommando über seine Legionen ab, erhält stattdessen aber eine besondere Befehlsvollmacht. Er fördert „Provinzlinge", entlohnt seine Soldaten großzügig und begeistert das Volk mit Geld- und Getreidegeschenken, dem Ausbau von Aquädukten sowie Gladiatorenspielen. Der Historiker Velleius Paterculu resümiert: „Die Äcker fanden wieder Pflege, die Heiligtümer wurden geehrt, die Menschen genossen Ruhe und Frieden." Die Magistrate verleihen Octavian den Namen „Augustus" (der Erhabene) und jubeln über die Republik, die tatsächlich eine Monarchie ist. Denn Augustus hat zwar formal keine hervorgehobene Stellung, ist aber für alle Belange zuständig.

Kaum verwunderlich, dass er auch sein Begräbnis entsprechend geplant hat: In einem großen Trauerzug wird seine Leiche 14 nach Christus zum Forum Romanum gebracht, Bilder zeigen seine Ahnen und unterworfene Völker, Lobreden scheinen kein Ende zu nehmen. Zuletzt wird seine Leiche am Marsfeld verbrannt, ein Adler freigelassen. Ein Senator wird später unter Eid aussagen, er habe die Seele des Kaisers auf den Schwingen des Vogels in den Himmel aufsteigen sehen. Bald darauf wird Augustus offiziell zum Gott erhoben.

Ein „Terrorist" verordnet Sittlichkeit

Während die einen Augustus als „Friedensbringer" sehen, ist er für den deutschen Historiker Jochen Bleicken ein „ganz gewöhnlicher Terrorist". Der Mann, der sich seiner Größe Willen Socken in die Sandalen gestopft haben soll, sei wohl die meistgehasste Person Italiens gewesen, vermutet der Forscher - auch geschuldet seiner verordneten Frömmigkeit: Männer über 25 mussten zu Augustus‘ Zeit verheiratet sein, Frauen ab 20. Ehebruch wurde bestraft; selbst seine Tochter Iulia verbannte der Monarch, als man sie dessen überführte. Er selbst pflegte hingegen zahlreiche Liebschaften, seine zweite Frau Livia soll ihm sogar Knaben zugeführt haben.

All dem schenkte das PR-Genie Augustus in seinem Tatenbericht keinerlei Bedeutung. Auch, dass er an einer Sehschwäche litt, zusammengewachsene Augenbrauen und schlechte Zähne hatte, ist kaum bekannt. Vielmehr überdauerte sein offizielles Porträt, das er mittels Büsten festmachen und via Münzen verteilen ließ: Es zeigt den Herrscher alterlos, ohne körperliche Defizite, dafür mit zwei Locken über der Stirn. Augustus Hofarchivar Sueton durfte zudem festhalten: „Er wohnte in der bescheidenen Unterkunft ... ohne Marmorstuck und Mosaikböden." Doch sprechen die Funde von Archäologen eine andere Sprache: Der Palast des Kaisers erstreckte sich demnach über 24.000 Quadratmeter. „Das Haus des Augustus ist ein Heiligtum, aber auch eine Stadt", meint Historiker Andrea Carandini.

Und dennoch: Das Interesse an Augustus hält auch 2000 Jahre nach seinem Ableben an: Neben Ausstellungen, wie die „Väter Europas" im Kunsthistorischen Museum in Wien, reißt auch die Produktion an Biografien über Roms ersten Kaiser nicht ab. Sogar die Kriminalistik beschäftigt sich mit ihm: So hat das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt gerade drei Phantombilder des Herrschers angefertigt - auf Basis einer Büste und literarischen Beschreibungen. Auf einem Bild ist Augustus als junger Mann zu sehen, auf zwei weiteren im Alter von 50 und 70 Jahren. Selbst in der römisch-katholischen Kirche ist er bis heute präsent, sei es im Weihnachtsevangelium oder im „Martyrologium Romanum", wo es heißt: Jesus Christus sei zur Zeit des Kaisers Augustus geboren worden, „toto orbe in pace composito" - „als auf dem ganzen Erdkreis Friede war".

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