Waltz: "Christoph in Alpbach? Kuriose Idee"

Elisabath Waltz-Urbancic
Elisabath Waltz-Urbancic(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Elisabeth Waltz-Urbancic, Mutter von Oscarpreisträger Christoph Waltz, war bei dem ersten Forum Alpbach 1945 dabei. Damals wurde sie in einen Kasten eingesperrt und lauschte Vorträgen im Hexameter.

Die Presse: Sie sind eine der letzten Zeitzeuginnen des ersten Europäischen Forum im Jahr 1945. Was verbinden Sie mit Alpbach?

Elisabeth Waltz-Urbancic: Das war für mich ein ganz großes Erlebnis. Wir waren im Krieg eingesperrt, konnten nicht raus aus der Wohnung oder aus Wien. In Alpbach waren Leute aus der Schweiz, Frankreich und Amerika. Die Welt stand mir auf einmal offen.


Damals hieß das Forum noch „Internationale Hochschulwochen". Wie kamen Sie dazu?

Ich war 19 und Studentin, als meine Mutter, meine Großmutter und ich vor den Russen geflüchtet sind - zu einer Tante nach Tirol. Dort habe ich einen Freund getroffen, der mit mir in der Neuland-Schule war. Er war zu dem Forum eingeladen und hat mich mitgenommen.


Wie hat Alpbach-Gründer Otto Molden reagiert?

Otto war furchtbar böse. Es passte ihm nicht, dass jemand auftauchte, der nicht eingeladen war. Sein Ärger verflog aber schnell.


Wie sah 1945 ein typischer Tag in Alpbach aus?

Es war viel schöner als jetzt. Wir wohnten in drei Gasthäusern. In Summe waren wir weniger als 100 Leute. Je nach Thema fanden sich etwa 15 Studenten und ein Professor zusammen. Wir setzten uns in die Wiese und diskutierten. Einen Vortrag hielt der Psychologe und Philosoph Theodor Erismann - im Hexameter. Das war ein Wahnsinn.


Alpbach ist ein Wandergebiet. Sind Sie in die Natur gekommen?

Hin und wieder sind wir zu dem Maler Werner Scholz gepilgert. Das hatte einen Reiz, da er unter den Nazis verboten war.


Und nach den Vorträgen . . .

War's lustig. Ich habe mir mit einer Studentin ein Zimmer geteilt. Da waren dann aber nicht mehr nur wir zwei, sondern eine Gruppe von Leuten. Dann wurde gefeiert.


Was war das Verrückteste, das Ihnen in Alpbach passiert ist?

Ich wurde im Schrank eingesperrt und mitsamt dem Kasten die Treppen hinunter getragen. Aber daran kann ich mich gar nicht mehr genau erinnern. Das haben mir die anderen erzählt. Generell war dort stets ein ziemliches Hallo.


Wie oft waren Sie in Alpbach?

Die ersten fünf Jahre bin ich immer beim Forum gewesen, danach eher sporadisch. Ich bekam in München ein Engagement als Bühnenbildnerin, von dort ist Alpbach nicht weit. Zum 50- und 60-jährigen Bestehen war ich wieder dort.


Das diesjährige Motto lautet „at the crossroads". Passend?

Ich denke, damals stand Europa mehr an einer Weggabelung als heute. Unter Adolf Hitler wurde ein Weg eingeschlagen, der uns allen nicht gepasst hat. Nach 1945 kam ein großer Schwung in die Neuzeit.


Was geschah nach Alpbach?

60 Studenten von dort wurden in die Schweiz eingeladen. Das war toll. Wir wurden bestaunt, sogar beschenkt - wo gibt es das heute?


Ihr Mann starb 1964. Wie erging es Ihnen als alleinerziehende Mutter mit vier Kindern?

Es war nicht leicht. Der Älteste war zehn, der Jüngste fünf Jahre alt. Meine Mutter hat mir sehr geholfen. Die Kinder kamen in Wien ins Internat, dann ins Gymnasium. Ich habe in München gearbeitet, am Wochenende war ich bei ihnen.


Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Kindern heute?

Enorm gut! Sie sind zwar zerstreut - mein Ältester lebt in Zürich, meine Tochter in München, Christoph ist auf der ganzen Welt unterwegs und Johannes lebt in London -, aber wir telefonieren immer.


Zwei Ihrer Söhne sind Schauspieler, Sie und Ihr Mann waren Bühnen- und Kostümbildner. Das Theater liegt Ihnen im Blut.

Das hat sich sicher ein bisschen vererbt. Abseits des Theaters habe ich auch für Film und Fernsehen gearbeitet. Interessant ist, dass Christoph als Kind Arzt werden wollte, am Schauspielen lag ihm zunächst nicht viel.


Christoph Waltz erhielt zweimal den Oscar. Wie war das für Sie?

Ich habe mich wahnsinnig gefreut. Es kam so unerwartet. Davor hat er im deutschen Fernsehen und im Theater alles gespielt, auch wenn ihm eine Rolle nicht gefiel. Aber er hatte nun mal drei Kinder, da musste der Schornstein rauchen.


Was halten Sie von der Idee, dass er einen Film über Alpbach drehen könnte?

Einen Film über das Forum? Keine schlechte, aber eine etwas kuriose, absurde Idee. Christoph hat dafür wohl zu viel zu tun. Aber man weiß ja nie, vielleicht steht er auch in Alpbach einmal vor der Kamera.

Zur Person

Elisabeth Waltz-Urbancic wurde am 13. August 1925 in Wien geboren. Sie besuchte die Neuland-Schule der katholischen Jugendbewegung. Nach der Matura begann ein Studium der Kunstgeschichte, das sie nach fünf Semestern abbrach. Von 1944 bis 1948 studierte sie an der Akademie der bildenden Künste in der Bühnenbildklasse bei Emil Pirchan. Danach lernte sie bis 1950 im Atelier von Fernand Léger in Paris Malerei. 1950 wurde sie Ausstattungsassistentin an den Münchner Kammerspielen, wirkte als Bühnen- und Kostümbildnerin für das Bayerische Staatsschauspiel sowie für mehrere Filme (zB. Das Wirtshaus im Spessart; Die schöne Helena; Pique Dame). Waltz-Urbancic arbeitete unter anderem mit den Regisseuren Fritz Kortner, Rudolf Noelte und Kurt Hoffmann zusammen. Ursprünglich wollte sie Buch-Illustratorin werden.

Sie war mit dem Bühnen- und Kostümbildner Johannes Waltz verheiratet, der 1964 verstarb. Das Paar hat eine Tochter und drei Söhne, darunter Oscar-Gewinner Christoph Waltz.

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