Der beinahe vergessener Aufstand gegen Josef Tizo

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Vor 70 Jahren erhob sich das Gros der Armee gegen das faschistische Tiso-Regime und dessen nazideutsche Schutzmacht.

Zwei Monate, von 29. August bis 28. Oktober 1944, kämpften zehntausende Slowaken, unterstützt von Freiwilligen aus über 30 Ländern, gegen NS-Deutschland und Hitlers slowakischen Marionettenstaat unter dem katholischen Priesterdiktator Jozef Tiso. Der Slowakische Nationalaufstand vor 70 Jahren, in den Namen von Straßen und Plätzen mit der Abkürzung SNP verewigt, war die großflächigste Erhebung im NS-Machtbereich und erzwang die vorübergehende Befreiung von fast der Hälfte des slowakischen Gebiets. Der 29. August ist in der Slowakei deshalb Staatsfeiertag.

Obwohl der SNP fast zeitgleich mit dem Warschauer Aufstand stattfand, mehr Kämpfer auf beiden Seiten band und die Kampfzone größer war, ist er allerdings ein „weitgehend vergessener Aufstand“, bedauert der Historiker Stanislav Mičev. Leiter des SNP-Museums im Zentrum der Rebellion, Banská Bystrica. Vor allem sei er international gewesen: In der Slowakei gab es viele Kriegsgefangenenlager. Mit Beginn des Aufstands wurden sie aufgelöst, viele Insassen machten bei der Erhebung mit. Aus Nachbarländern flohen Kriegsgefangene ins Aufstandsgebiet, aus der UdSSR und dem Westen wurden Kämpfer eingeflogen, die auf dem Flugplatz der Rebellen landeten oder per Fallschirm absprangen.

Das schwächelnde Tiso-Regime hatte am 1. August die faktische Kontrolle im Land an die Deutschen abgegeben. Die Souveränität war nun praktisch null, es gab ständig Desertionen in slowakischen Divisionen an der Ostfront. Das Misstrauen der Deutschen war schon so groß, dass die Entwaffnung der slowakischen Armee bevorstand. Ohne die aber hätte der Aufstand keinen Erfolg gehabt, und so war entscheidend, dass er von einem wesentlichen Teil der slowakischen Streitkräfte getragen wurde. Es war also nicht nur ein Partisanenkampf: Die Deutschen sahen sich jäh regulären Truppen zuzüglich fast der ganzen slowakischen Gendarmerie gegenüber.

Es begann zu früh

Allerdings musste die Erhebung aus verschiedenen Gründen vorzeitig beginnen, die Rote Armee war noch weit entfernt, dazu gab es grobe Pannen, etwa, dass es nicht gelang, strategische Verbindungswege wie den Duklapass zu besetzen und bis zum Eintreffen der Roten Armee zu halten. Und so konnten die Deutschen bald auch die stärksten slowakischen Einheiten entwaffnen, die für die Rebellen eben jene Routen sichern sollten.

Am 28. Oktober musste die Rebellenarmee, die 75.0000 bis 80.000 Mann umfasste, kapitulieren, ihre beiden Führer starben in deutschen KZ. Einige Rebellen kämpften bis Kriegsende als Partisanen.

Die dunkle Seite des in kommunistischer Zeit glorifizierten SNP wurde erst nach der Wende Teil der offiziellen Geschichtsschreibung: Es gab viele Übergriffe auf bzw. wahre Massaker an Angehörigen der deutschen Minderheit, obwohl auch viele Karpatendeutsche den Aufstand unterstützten. Deutsche wiederum brannten mehr als 100 Dörfer nieder, ermordeten die Männer und deportierten Kinder und Frauen in KZ, falls die Dorfbewohner verdächtigt wurden, Aufständische zu verstecken.

Faschist im Aufstandszentrum

Ausgerechnet zum heurigen runden Jahrestag des Aufstands finden die alljährlichen Gedenkfeiern in Banská Bystrica übrigens ohne den „Bezirkshauptmann“ der Region statt. Seit der Regionalwahl Ende 2013 regiert im damaligen Aufstandszentrum nämlich Marián Kotleba, ein Rechtsextremist. Er kam früher mit dem Gesetz in Konflikt, weil er das faschistische Regime Tisos verherrlichte; für ihn waren die Aufständischen „Banditen, die gegen ihre eigene Heimat kämpften“. Viele ausländische Ehrengäste hatten signalisiert, sie würden zu den Feiern nicht kommen, sollte Kotleba dabei sein.

Auch bezüglich eines anderen möglichen Gasts gab es Diskussionen und Forderungen, ihn wieder auszuladen: Russlands Präsident Wladimir Putin, der wie alle Staatsoberhäupter jener Länder, die den Aufstand unterstützten, eingeladen worden war. Er schickt nun aber den Verteidigungsminister; so bewahrt er westliche Staatsgäste vor der Peinlichkeit, ihm die Hand zu schütteln, während sie ihn wegen des Kriegs im Nachbarland Ukraine mit Sanktionen belegen.

LEXIKON

Im Slowakischen Nationalaufstand fochten etwa 75.000–80.000 Rebellen, großteils Armee-Einheiten, gegen etwa gleich viele, aber schwerer bewaffnete Deutsche und regimetreue Slowaken. Die Führer des Aufstands, die Generäle Ján Golian und Rudolf Viest, wurden 1945 im KZ Flossenbürg (Bayern) ermordet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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