Mit privaten Bahnen lief das Geschäft wie auf Schienen

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Wunderwerke der Technik. Die rasante Entwicklung des heimischen Eisenbahnwesens durch reiche Investoren.

Es war ein Quantensprung in der Fortbewegung der Menschheit, was die Geschwindigkeit anlangt: die Eisenbahn. Sie „eröffnet den Menschen Paradiese“, schwärmten die Zeitgenossen etwa von der Südbahn, die über den Semmering führte, „durch das schöne Gotteswerk Natur“. Carl Ritter von Ghegas Ingenieurkunst war weltberühmt, aber beileibe nicht die einzige Spitzenleistung, die Österreichs Eisenbahnbauer vollbracht haben.

Seit 1823 brausten „Eilwagen“ auf den Hauptstrecken der Monarchie dahin, leicht gebaute Kutschen, deren Fahrplan nur noch kurze Aufenthalte zum Wechseln der Pferde vorsah. Mit diesen „Special-Coursen“ der Biedermeierzeit konnte man etwa die Strecke Wien–Graz in 26 Stunden bewältigen, von Wien nach Brünn brauchte man gar nur mehr zwölf Stunden (durchschnittliche Reisegeschwindigkeit etwa 12,7 km/h).

Für den Güterverkehr aber, besonders den Transport von Kohle, Eisen und Holz, brauchte es eine größere Geschwindigkeit. Seit 1820 arbeitete man in Österreich an Plänen für eine Eisenbahnlinie aus dem Linzer Raum nach Böhmen, wo das frühe industrielle Herz der Monarchie schlug.

Eine Revolution – die Lokomotive

Dampflokomotiven waren die Lösung des Problems. Und Kohle war der Energieträger dafür. Die gab es im Revier um Mährisch-Ostrau. Die Vision des Franz Xaver Riepl, Professor am k. k. Polytechnischen Institut, sah schon 1829 eine Bahnverbindung quer durch die Monarchie von Brody im äußersten Galizien über Wien bis an die Adria nach Triest vor. Aber die Ablehnung ging quer durch alle Bevölkerungsschichten. Kaiser Franz I. stand damit nicht allein da („wo doch kaum jemand mit der Postkutsche von Wien nach Brünn fährt“). Die außerordentlichen Vorteile für Staat und Volkswirtschaft wurden nicht erkannt.

Schließlich haperte es auch am Geld. Erst der Milliardär Salomon Mayer Freiherr von Rothschild (1774–1855) machte es möglich. Er hatte vorbehaltloses Vertrauen in Riepls Pläne. Und dann war da noch der Tod von Franz I. und die Thronbesteigung des wesentlich moderneren Kaisers Ferdinand. Die geplante „Nordbahn“ sollte seinen Namen tragen. Der Baron Rothschild riskierte viel. Er gewann alles.

Am 4. März 1836 erhielten Riepl, Rothschild und die übrigen Aktionäre ein Privilegium auf fünfzig Jahre. An ihrer Aktiengesellschaft beteiligten sich alle Bankiers, die den Profit ahnten: Daniel Eskeles, Heinrich Geymüller, Georg Simon von Sina und Leopold von Wertheimstein.

Das Hindernis hieß Semmering

Der Weg in den Süden dieses Riesenreichs – bis zur Hafenstadt Triest – war technisch weit anspruchsvoller. Der Ingenieur Carl v. Ghega (1801–1860), der in Mathematik seinen Doktortitel erworben hatte, hatte sich mit Projekten an Gebirgsstraßen in Südtirol sein Rüstzeug erworben und konnte die kühne Vision realisieren, zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag ein kunstvolles Schienenbauwerk zu errichten, das bis heute seinen Dienst tut. Die private Südbahn von Wien bis Triest wurde ein finanzieller Schlager. Um der betuchten Klientel Luxus pur bieten zu können, entstanden auf dem Semmering die tollsten Hotels. Und das verschlafene Fischerdorf Abbazia wurde innerhalb weniger Jahre zum bestaunten fashionablen Aufenthaltsort.

Am 17. Juli 1854 ging die Semmeringstrecke unter allgemeinem Jubel in Betrieb; eine kühne technische Errungenschaft, als Beweis, dass sich eine von Lokomotiven gezogene (und geschobene) Eisenbahn auch im Gebirge bewährt. Die „Wiener Zeitung“ pries den „Gigantenbau“ euphorisch: „Wunderbarer als die Chinesische Mauer!“

Die Salzkammergutbahn

1893 ging ein weiteres technisches Wunder in Betrieb. Das war die Zahnradbahn auf den Schafberg mit der Talstation in Sankt Wolfgang am Abersee. Zu ihr führte die k.k. Salzkammergutbahn durch eine grandiose Landschaft. Sie brachte auch alljährlich den kaiserlichen Hof, den ganzen Tross samt Bediensteten nach Bad Ischl ins Sommerquartier. Daniel Spitzer, der scharfzüngige Kollege der „Neuen Freien Presse“, hat über die Reisestrapazen 1869 eine gallbittere Glosse verfasst, weil man ihn zwang, im Bahnhofshotel Lambach zu übernachten. Von Schlaf konnte wohl keine Rede sein, wie wir seiner trostlosen Schilderung entnehmen. Dabei war der Mann Satiriker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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