Die Prager Trabi-Krise

Trabant cars arrive at the German embassy in Prague to mark the 25th anniversary of the East German exodus in Prague
Trabant cars arrive at the German embassy in Prague to mark the 25th anniversary of the East German exodus in Prague(c) REUTERS (DAVID W CERNY)
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Herbst 1989. Wie die Zweitakter aus der DDR beinahe das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei destabilisierten.

Prag. Martin Svamberg aus dem mittelböhmischen Kolín staunte: Unlängst sah er in alten Fernsehaufnahmen aus dem Herbst 1989 „seinen“ Trabi. Seinerzeit stand er in einer Prager Gasse, abgestellt von Fluchtwilligen aus Bautzen, die über die westdeutsche Botschaft in den Westen gelangen wollten. Svamberg erkannte „seinen“ grünen Zweitakter an einem der Außenspiegel, der damals kein echter Trabi-Spiegel war.

Als er das Auto 2001 kaufte, lagen noch die alten DDR-Nummernschilder im Kofferraum. Im Buch mit der Betriebsanleitung hätten sich auch noch ein paar Ost-Mark befunden. Mit Hilfe der Nummernschilder möchte er jetzt die einstigen Besitzer der grünen Gefährts ausfindig machen.

Wie der grüne Trabi im Herbst 1989 in Prag seinen Besitzer wechselte, weiß Svamberg nicht. Es gab nicht wenige Fluchtwillige, die ihr Auto einfach irgendwo in Prag abstellten, den Schlüssel im Zündschloss stecken und die Türen offen ließen – sollte sich bedienen, wer wollte. Andere drückten irgendeinem Tschechen die Papiere und Schlüssel dankbar dafür in die Hand, dass der den Weg zur bundesdeutschen Botschaft beschreiben konnte. Nicht selten wurden die abgestellten Autos jedoch auch aufgebrochen und weggeschleppt.

Dicker Stasi-Bericht

Fakt ist, dass die damaligen KP-Machthaber in Prag alles andere als glücklich waren über die DDR-Autos, die die engen Gassen der Stadt verstopften. Dass die Trabis und Wartburgs irgendwo im Halte- oder Parkverbot herumstanden, war das geringste Problem. Ihr Anblick zeigte den Pragern, dass die Ostdeutschen die Nase voll hatten von einem Regime, ähnlich wie sie selbst. Nachvollziehbar also, dass die Verantwortlichen in Prag eine „destabilisierende Ansteckungsgefahr“ befürchteten.

Die Prager Stasi-Unterlagenbehörde hat einen dicken Bericht archiviert, der zeigt, welchen Druck die damalige tschechoslowakische Staatssicherheit auf die westdeutsche Botschaft ausübte, um die „Automobilkrise“ in den Griff zu bekommen. Zudem gibt es Akten, die belegen, wie sauer die Tschechen auf die damalige DDR-Führung um Erich Honecker waren, und dass es zum „Automobilproblem“ ernsthafte Verhandlungen mit Ost-Berlin gab.

Die Tschechen waren vor allem auf die westdeutsche Botschaft nicht gut zu sprechen. Sie ließen zahllose Autos vom bewachten Parkplatz auf dem Kleinseitner Ring – unweit des Botschaftsgebäudes – abschleppen. Die Kosten für den Abschleppdienst stellten sie der Botschaft in Rechnung.

Verstärkter Abschleppdienst

Der bundesdeutsche Botschafter Hermann Huber organisierte später selbst in Abstimmung mit dem Prager Stadtrat den Abtransport der Autos. Die tschechoslowakische Stasi ihrerseits war auch nicht faul. Sie verstärkte die „operative Gruppe“ des Abschleppdienstes. Zu den 64 Fahrern kamen „operativ“ weitere 50 hinzu. Die hatten auch genug zu tun: Aus einem Stasi-Dokument geht hervor, dass „bis zum 9. Oktober 1989 1525 DDR-Autos abgeschleppt wurden“.

In Berlin fiel dann die Mauer, und die Machthaber in Prag hatten alle Hände voll zu tun, um die eigene Bevölkerung ruhig zu stellen. So wurden die Autos kurzerhand in staatlichen Gebrauchtwagen-Firmen verkauft. Immerhin wurde so die kommunistische Tschechoslowakei noch zum zweifelhaften Hehler. Dies und die Tatsache, dass eine unbekannte Zahl von Trabis und Co. auf zwielichtige Art an „neue Besitzer“ kam, ist mit ein Grund, weshalb bis heute in Prag niemand gern über die „Automobilkrise“ von vor 25 Jahren redet.

Die Flüchtlinge von damals dürfte es nicht stören. Und diejenigen, die ihrem Trabi doch noch eine Träne nachweinen, können gewiss sein, dass Tschechen wie Martin Svamberg sich liebevoll um die fahrbaren Hinterlassenschaften aus DDR-Besitz gekümmert haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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