13 Minuten zu spät: Als hinter Hitler die Bombe tickte

Georg Elser
Georg Elser(c) imago/epd
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Am 8. November 1939 hätte Adolf Hitler in München in einem Keller sterben sollen – durch eine Bombe, versteckt in einer Säule.

Es ist der 8. November 1939 - im Münchener Bürgerbräukeller sammeln sich nationalsozialistische Funktionäre, um den „Führer“ bei einer Ansprache zu hören. Adolf Hitler spricht über seinen misslungenen Putschversuch im Jahre 1923. Er wettert gegen die Briten, die ihm nach dem Einmarsch in Polen den Krieg erklärt haben. Dann tritt er vom Rednerpult ab. Er geht zum Zug, um nach Berlin zu fahren. Es ist 21:20 Uhr – und es knallt. Den gerade verlassenen Keller erfüllt ein Feuerball. Balken und Ziegel stürzen in die Tiefe, zertrümmern Tische und Stühle, begraben Körper unter sich. Stahlträger lösen sich von der Decke, acht Menschen finden in dem Chaos den Tod, 63 werden verletzt.

Ein Jahr lang hatte der schwäbische Schreinergeselle Georg Elser alles vorbereitet. Sein Hass auf das NS-Regime (nie soll er den Hitlergruß ausgeführt haben) saß so tief, dass er seine Arbeit als Uhrmacher aufgab und vom württembergischen Hermaringen nach München übersiedelte. Nur, um ein Attentat zu begehen. „Ich war davon überzeugt, dass der Nationalsozialismus die Macht in seinen Händen hatte und dass er diese nicht wieder hergeben werde", wird er später im Verhör der Gestapo sagen. Daher sei er zu dem Ergebnis gekommen, „dass man nur dadurch etwas verändern kann, dass man die augenblickliche Führung beseitigt, also Hitler, Göring und Goebbels“.

Vom Zither-Spieler zum Bombenbauer

Seit August 1939 stattete der leidenschaftliche Zither-Spieler und frühere KPD-Wähler dem Bürgerbräukeller allabendlich einen Besuch ab. Rund 30 Mal versteckte er sich dort in einer Abstellkammer, wartete die Sperrstunde ab, um dann behutsam die Säule hinter dem Rednerpult auszuhöhlen, an dem Hitler jedes Jahr am 8. November seine Ansprachen hielt. „Wenn ich zum Beispiel einen Stein herausbrechen musste, habe ich gewartet, bis in den Abortanlagen des Bürgerbräukellers die automatische Spülung einsetzte“, wird Elser in den rund 100-seitigen Verhörprotokollen zitiert.

Schließlich war der Tag gekommen. Hitler nahm seinen Platz am Pult ein und begann mit seiner Rede. Zu diesem Zeitpunkt trennten ihn und Elser 230 Kilometer. Denn nachdem der Geselle die Bombe scharf gestellt hatte, war er nach Konstanz gefahren, um dort illegal über die Grenze in die Schweiz zu gelangen – vergebens. Um 20:45 Uhr wurde er verhaftet. Eine halbe Stunde später detonierte in München die Bombe – 13 Minuten zu spät. Denn, anders als in den Jahren zuvor, hatte Hitler keine zwei Stunden lang gesprochen, sondern war vorzeitig abgereist.

Die Frage nach dem Wenn

Hitler verbreitete umgehend das Gerücht, die Briten hätten ihn ermorden wollen. Indes wurde Elser in das Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße 8 in Berlin gebracht. Er hatte sich verdächtig gemacht, da seine Tasche eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers und Teile eines Zeitzünders enthielt. SS-Chef Heinrich Himmler persönlich nahm am Verhör teil, auch an den brutalen Folterungen soll er sich beteiligt haben. Schließlich gestand der 36-Jährige und wurde ins Konzentrationslager Dachau überstellt. Der Plan der NS-Führung: Nach dem deutschen „Endsieg“ sollte Elser in einem Schauprozess verurteilt und anschließend – am liebsten im unterworfenen London – getötet werden.

Doch das Vorhaben ging nicht auf. Nachdem 1945 ein deutscher Sieg immer unwahrscheinlicher wurde, gab das Reichssicherheitshauptamt am 5. April die Anweisung, Elser „in absolut unauffälliger Weise... zu liquidieren". Vier Tage später wurde er in Dachau erschossen und seine Leiche verbrannt – einen Monat vor der Kapitulation der Wehrmacht, 20 Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers durch US-Truppen.

Es dauerte bis 1999, bis Elser für seine Tat in der deutschen Öffentlichkeit Anerkennung erhielt. Auslöser war eine Biografie von Helmut G. Haasis, in der er den Widerstandskämpfer als großen Deutschen würdigte. Und er warf die Frage nach dem Wenn auf: Was wäre gewesen, wenn die Bombe 13 Minuten früher hoch gegangen wäre? Vermutlich hätte sie mehr als 50 Millionen Menschen das Leben gerettet und den Deutschen die Teilung ihres Landes erspart.

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