Die Heldensaga zu Hainburg – ein leiser Beginn

25. JAHRE BESETZUNG DER HAINBURGER AU: ARCHIBVBILD HAINBURGER AU 1984
25. JAHRE BESETZUNG DER HAINBURGER AU: ARCHIBVBILD HAINBURGER AU 1984(c) APA/ Gerhard Sokol
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November 1984. Die Bagger fahren in der Donauau bei Stopfenreuth auf, der Bau eines Wasserkraftwerks ist beschlossene Sache.

Hainburg/Stopfenreuth. Eigentlich war es eine „klare“ Sache: Wasserkraft statt Atomenergie, ein ökologisches Anliegen. Und da der Energiebedarf der Österreicher ungebremst anstieg, lag ein Donaukraftwerk zwischen Wien und Pressburg/Bratislava auf der Hand. Die Ortswahl der Experten fiel auf die bis dahin mäßig bekannte Stopfenreuther Au beim lieblichen Ort Hainburg. Die rot-blaue Koalitionsregierung, seit 1983 im Amt, wähnte sich auf absolut sicherem Terrain. Kanzler war SPÖ-Chef Fred Sinowatz, Vizekanzler und zuständiger Handelsminister war FPÖ-Obmann Norbert Steger.

Welcher vernünftige Mensch sollte mit welch abstrusen Ideen gegen eine solch saubere Energiegewinnung sein? War nicht das gigantische Stauwerk Kaprun immer noch der Stolz der Nation? Und waren nicht alle für das Ausbaggern der Donau, um einen schiffbaren Verkehrsweg zu schaffen? Eben. So dachte der ÖGB, die Koalition, die Wirtschaft, die Industrie (und „Die Presse“). Allein – es sollte anders kommen. Ganz anders.

Dabei hätte man gewarnt sein müssen. Als wir Journalisten am 12. November in den Presseclub „Concordia“ zum Energiebericht der Regierung wollten, stießen wir auf einige Demonstranten, manche durchaus bekannt: „Unser“ Chef der Journalistengewerkschaft, Günther Nenning; die TV-Mitarbeiterin Freda Meissner-Blau, ein Herr Heilingbrunner und andere. Noch forderten sie ein endgültiges „Aus“ für Zwentendorf. Bald schon würden sie aber Schützer der Donauau werden.

Erstmals in der Erfolgsstory der Zweiten Republik kam es zum Widerstreit zwischen Technik und Umweltbewusstsein. Und erstmals auch zu einem scharfen Gegensatz zwischen Alt und Jung. Dass ausgerechnet die Massenzeitung der Alten auf den rollenden Zug der jungen Umweltschützer aufsprang, gehört zu den Skurrilitäten jüngerer Zeitgeschichte. Die „Kronenzeitung“ des Hans Dichand schoss aus allen Rohren gegen die Zerstörung einer Au, die bis dato kaum einer gekannt hatte. Als Schutzengel fungierte der Nobelpreisträger von 1973, Konrad Lorenz.

So präsentierte sich die Ausgangslage, quasi ein „Frontbericht“: Die Bagger der Verbundgesellschaft waren aufgefahren, die Kettensägen der Bauarbeiter gut geschmiert, es sollte zunächst um die Rodung des Bauplatzes gehen. Doch die Gegner formierten sich. Am 13. November brachten sie eine unschuldig aussehende „Versammlungsanzeige“ bei der BH Gänserndorf ein. Bei der Brücklwiese in der Au sollte am 8. Dezember ein Sternmarsch stattfinden, weil dort die Errichtung des Bauzaunes begann. Keiner ahnte damals, dass eine Besetzung des Baugeländes geplant war und die Vorbereitungen für Barrikaden liefen.

Denn die Politik – und damit auch „Die Presse“ – hatte ganz andere Sorgen. In Salzburg überlegte der Landeshauptmann Haslauer, am kommenden Marienfeiertag, den 8. Dezember, die Geschäfte offen zu halten. Die Kaufkraft sollte in der Vorweihnachtszeit nicht wie bisher in das benachbarte Bayern abfließen. Handelsminister Steger, der bisher einzige liberale FP-Obmann, war dafür. Der Koalitionspartner SPÖ dagegen. Sozialminister Alfred Dallinger drohte, den Landeskaiser vor den Verfassungsgerichtshof zu zerren.

Ende November eskalierten die verbalen Auseinandersetzungen um Hainburg, das für die Ökologiebewegten zur Fahnenfrage gemacht worden war. Freda Meissner-Blau bezeichnete den zuständigen Umweltlandesrat Brezovsky (S) als „Umweltverbrecher“, der ORF zog die Dame daraufhin sofort als Gastgeberin vom „Club 2“ ab. Nun sprang der Kampfhahn Günther Nenning in die Arena: „Sie wollen ein starker Mann sein“, höhnte er in einem offenen Brief an den ORF-Chef, „Sie haben es nur zum Tyrannen gebracht!“

Bacher nahm den Streit dankbar auf: Nenning betrachte das Leben als eine Spielwiese und stehe „staatsbürgerlichem Luxus wie Verantwortung und Pflicht so verständnislos gegenüber, dass man mit Ihnen nicht einmal mehr streiten kann ...“ Und so ward auch Nenning aus dem ORF verbannt.

Das konnte ja heiter werden ...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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