Biografie von Rudolf Höß: Der KZ-Kommandant fühlte sich schuldlos

Besichtigung bei Heinrich Himmlers Besuch der Monowitz-Buna-Anlage in Auschwitz. Von links nach rechts: Rudolph Brandt, Heinrich Himmler. Mitte: Max Faust Chefingenieur. Rechts: Rudolf Höß. Datum: 17. Juli 1942
Besichtigung bei Heinrich Himmlers Besuch der Monowitz-Buna-Anlage in Auschwitz. Von links nach rechts: Rudolph Brandt, Heinrich Himmler. Mitte: Max Faust Chefingenieur. Rechts: Rudolf Höß. Datum: 17. Juli 1942 via www.imago-images.de
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Rudolf Höß war unumschränkter Herr über Leben und Tod in Auschwitz – und stolz auf seine Mordbefehle.

Vor 70 Jahren, im November 1944, zerstörte die SS die Krematorien und Gaskammern des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im heutigen Polen. Die Rote Armee stand schon vor den Toren. Die noch lebenden Häftlinge, etwa 66.000, trieb man auf einen Todesmarsch in Richtung Westen.

Da war Rudolf Höß, der SS-Kommandant des KZs, schon in Richtung Flensburg geflohen. In einem abgelegenen Bauernhof nahe der dänischen Grenze überwältigten ihn britische Soldaten, setzten ihm die Pistole an, während ein Militärarzt ihn nach Giftkapseln durchsuchte. Er heiße doch Fritz Lang, beteuerte der völlig Überraschte. Daraufhin wollten sie ihm den Ehering abnehmen. Der sei zu eng, meinte Höß. „Dann schneide ich dir einfach den Finger ab“, drohte der Offizier. Schließlich war der Ring ab. „Rudolf und Hedwig“ stand eingraviert.

Zeuge der Verteidigung

Rudolf Höß gilt als einer der größten Massenmörder des Dritten Reiches. Und trotzdem saß der Mann beim ersten Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher nicht auf der Anklagebank. Im Gegenteil, er sprach als Zeuge der Verteidigung für seinen SS-Vorgesetzten Ernst Kaltenbrunner.

Sein Verfahren bekam er dann erst nach der Auslieferung an Polen. Am 2. April 1947 wurde er zum Tode verurteilt und zwei Wochen später vor seiner früheren Dienstwohnung in der Kommandantur von Auschwitz mit Blick auf das KZ erhängt.

Ein rätselhafter Mensch. Bis zu seinem Tod verstand er nicht, was ihm überhaupt vorzuwerfen war. Schon Martin Broszat hat seinerzeit festgestellt, dass Höß kein sadistischer Massenmörder war. Viel eher war er „durchschnittlich, kleinbürgerlich, ordnungsliebend, pflichtbewusst“. Und stets penibel bemüht, seine Vorgesetzten zufriedenzustellen. An der Spitze den Reichsführer SS, Heinrich Himmler.

Dass in seinem KZ Millionen von Unglücklichen umgebracht wurden, stellte er überhaupt nicht in Abrede. Im Gegenteil. Er kooperierte mit seinen Richtern in beklemmender Art und Weise.

Denn was er tat, war nur seine „Pflicht“. Da er nun einmal das KZ Auschwitz zur größten Tötungsfabrik aller Zeiten auf- und ausbauen sollte, widmete er sich voll und ganz diesem Auftrag. Die NS-Führung hätte dafür keinen Geeigneteren finden können.

Höß war auch deswegen so diensteifrig, weil er in jungen Jahren 1923 an einem politischen Fememord beteiligt war. Einer der Komplizen hieß Martin Bormann und erhielt dafür ein Jahr Zuchthaus, Höß fasste zehn Jahre aus. Aber 1928 war er wieder frei.

Trotz vieler persönlich erteilter Mordbefehle in „seinem“ KZ empfand Höß keinerlei persönliche Schuld. Im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis sprach der US-Psychiater Gustave M. Gilbert ausführlich mit Höß. Bereitwillig räumte dieser ein, dass die Vernichtungsaktion im Sommer 1941 begonnen hatte und unter seiner Leitung annähernd zweieinhalb Millionen Juden getötet worden waren. Er bezeichnete dies als „überhaupt nicht schwierig“. Hermann Göring hatte dies nämlich zuvor technisch angezweifelt.

Nicht so Höß: Man hätte noch viel mehr Menschen vernichten können. Man müsse von einem 24-Stunden-Tag ausgehen: In Auschwitz gab es sechs Vernichtungskammern – in zwei großen Kammern konnten je 2000 Menschen und in den vier kleineren bis zu 1500 Menschen getötet werden, was eine Gesamtkapazität von 10.000 Opfern pro Tag ergab.

„Das Ganze ging sehr schnell“

Gilbert zeigte sich erschüttert. Er versuchte sich vorzustellen, wie das Morden vor sich ging, aber Höß korrigierte ihn: „Nein, Sie stellen es sich nicht richtig vor. Das Töten selbst nahm die wenigste Zeit in Anspruch, aber das Verbrennen kostete so viel Zeit. Das Töten war leicht; man brauchte nicht einmal Wachmannschaft, um sie in die Kammern zu treiben; sie gingen einfach hinein, weil sie annahmen, sie würden dort duschen, und statt des Wassers stellten wir Giftgas an. Das Ganze ging sehr schnell.“

Ja, und es war vor allem wesentlich unblutiger, als es Höß zuvor ein halbes Jahr lang als Kommandant des KZs Sachsenhausen erlebt hatte. Dort war eine Genickschussanlage im Einsatz.

Genug, genug! Einen letzten Dienst hat Höß noch den Menschen erwiesen, unfreiwillig: Sein Leichnam wurde verbrannt, die Asche in den nächsten Bach gestreut, und nicht – wie er es getan hätte – zermahlen und als Dünger auf die Felder verteilt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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