Geheimwaffe in Flammen: Die Selbstversenkung der Graf Spee

Admiral Graf Spee
Admiral Graf Spee(c) imago stock&people
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Vor 75 Jahren verlor Kapitän Langsdorff die erste Seeschlacht des Zweiten Weltkriegs, rettete hunderte Leben - und versenkte den modernsten Panzerkreuzer seiner Zeit.

Es ist der 17. Dezember 1939, 17:30 Uhr. Mehrere Männer holen die Reichskriegsflagge vom Fahnenmast der „Admiral Graf Spee“ ein. Sie sehen sich noch einmal um, dann verlassen sie das Schiff, das dreißig Meilen vor Montevideo Anker geworfen hat. Es folgt ein Knall. Die Munitionskammern explodieren, schwarze Rauchsäulen erscheinen über dem Rumpf. Drei Tage später versinkt der modernste Panzerkreuzer seiner Zeit im Atlantik – und markiert das Ende des ersten Seekriegskapitels des Zweiten Weltkriegs.

Elf Tage vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, am 21. August 1939, läuft die Admiral Graf Spee in geheimer Mission aus Wilhelmshaven aus. Selbst seine Besatzung hat Kapitän Hans Langsdorff nicht eingeweiht. Erst nach drei Tagen enthüllt er die wahre Route: Das deutsche Panzerschiff – ausgestattet mit zwei 28-Zentimeter-Drillingsgeschütztürmen, acht 15-Zentimeter-Geschützen und acht Torpedorohren – geht auf Kaperfahrt im Südatlantik. Der Hintergrund: „England als Insel war von der Zufuhr von Lebensmitteln abhängig“, sagt Marinehistoriker Jann Witt im Interview mit dem ZDF. „Es war seine Achillesferse.“ Um diese zu treffen, sollte die Spee möglichst viele britische Handelsschiffe versenken.

Kaperfahrten der Admiral Graf Spee und des Schwesterschiffes Deutschland 1939
Kaperfahrten der Admiral Graf Spee und des Schwesterschiffes Deutschland 1939(c) S. W. Roskill (Wikipedia)

Der offizielle Befehl an Langsdorff ergeht am 26. September – und der Panzerkreuzer nimmt mit seinen 55.400-PS-Dieselmotoren volle Fahrt auf. Zwischen 30. September und 7. Dezember werden neun britische Frachter aufgespürt, die Besatzungen gefangen genommen, die Ladungen beschlagnahmt – ohne ein einziges Todesopfer. London rotiert. Es ist für die Admiralität nicht ersichtlich, um wie viele Feinde es sich handelt. Denn zwischen den Einsätzen der rund 1100 Mann starken Crew läuft das Schiff keinen Hafen an. Die Versorgung der Mannschaft übernimmt das Versorgungsschiff „Altmark“.

Am 6. Dezember wendet sich das Blatt. Während einer Scheinwerferübung wird ein norwegisches Schiff auf die Graf Spee aufmerksam und funkt nach London. Die Royal Navy sendet drei Kriegsschiffe los. Am 13. Dezember kommt es zur Konfrontation. Um sechs Uhr morgens registriert die Graf Spee nahe der Mündung des Rio de la Plata die Mastspitzen von drei Schiffen. Langsdorff werden drei britische Frachter gemeldet. Er glaubt an leichte Beute – und täuscht sich. „Tatsächlich standen ihm zwei leichte und ein schwerer Kreuzer gegenüber“, berichtet Witt.

Zwei entscheidende Fehler

Kapitän Hans Langsdorff
Kapitän Hans Langsdorff (c) imago stock&people

„Der Kommandant machte zwei entscheidende Fehler“, so der Marinehistoriker Eric Grove im ZDF. „Der Erste war, sich auf das Gefecht einzulassen. Der Zweite, die Briten zu nahe herankommen zu lassen.“ Letztere nehmen die Spee in die Zange, landen 20 Treffer. Doch auch der Panzerkreuzer verbucht einen Erfolg: Nach 80 Minuten dreht die kampfunfähig geschossene „Exeter“ der Briten ab. Dann schlägt eine Granate in die Spee. „Der Kommandant stürzte zu Boden, er war verletzt“, erinnert sich Hans Eubel, einst Torpedomechaniker an Bord. Die leichten Kreuzer „Ajax“ und „Achilles“ gehen außer Schussweite. Kurz vor acht Uhr ist die erste Seeschlacht des Zweiten Weltkrieges vorbei.Zwei Drittel ihrer Munition hat die rund 185 Meter lange Graf Spee verschossen, als sie im Hafen von Montevideo einläuft. Man hofft auf einen 30-tägigen Aufenthalt, um das Schiff reparieren zu können: Geschützbedienungen sind zerfetzt, Lüftungsschächte zerstört, Panzerungen und Wasserleitungen durchlöchert. Die Schiffsärzte stehen „zentimeterhoch“ im Blut. „21 große Wundversorgungen und 7 Amputationen“, notiert Marineoberstabsarzt Fritz Härting. 28 Männer sind tot, ehe ein Arzt ihnen helfen kann.

Indes beginnt das politische Tauziehen. Der britische Botschafter Sir Eugen Millington-Drake bedrängt Uruguay, der Spee ein Ultimatum von 72 Stunden zu stellen - zu wenig Zeit für die nötigen Reparaturen, genug allerdings für die sich in Stellung bringenden Briten. Uruguay, das zwar offiziell unabhängig ist, jedoch in engen Handelsbeziehungen zu Großbritannien steht, willigt ein.

Bande zwischen Schicksal und Schiff

Langsdorff steht unter Zugzwang. „Er hat den Offizieren mitgeteilt, dass keine Möglichkeit besteht, heil aus dem Hafen rauszukommen“, sagt Eubel. Daher entschließt er sich zu einem drastischen Schritt: Am 17. Dezember verlässt das Schiff den Hafen, begleitet vom deutschen Frachter „Tacoma“ – und vor den Augen von schaulustigen Militärs, Diplomaten und Reportern. Kaum haben die Schiffe die Dreimeilenzone verlassen, werfen sie Anker. Eine Explosion erklingt – ausgelöst durch 14 Torpedosprengköpfe, befestigt an Motoren, in den Munitionslagern, an den Treibstofftanks. Die Admiral Graf Spee geht in Flammen auf. Drei Tage lang brennt sie, bevor sie sinkt.

Die Crew: unversehrt – und per Schlepper auf dem Weg nach Argentinien. „Tausend junge, lebendige Matrosen sind mir lieber als tausend tote Helden“, erklärt Langsdorff bei der Ankunft in Buenos Aires. Abgeschlossen ist die Causa damit für ihn aber nicht, im Gegenteil: Langsdorff zerbricht an seiner Entscheidung und flieht in den Selbstmord.

In der Nacht auf den 20. Dezember schreibt er seinen Abschiedsbrief: „Es steht für einen Kommandanten mit Ehrgefühl außer Zweifel, dass sein persönliches Schicksal von dem seines Schiffes nicht zu trennen ist. Ich schob meine Entscheidung so lange hinaus, wie ich noch die Verantwortung für die Maßnahmen hatte, die das Wohlergehen der unter meinem Kommando stehenden Mannschaft betreffen. Ich kann keinen aktiven Anteil mehr an dem gegenwärtigen Kampf meines Vaterlandes nehmen.“ Tags darauf wird er, in Uniform auf der Flagge der Admiral Graf Spee liegend, gefunden. Sein Begräbnis wird zum Weltereignis. Tausende Trauergäste geben ihm in Buenos Aires letztes Geleit, darunter auch Briten.

Admiral Graf Spee
Admiral Graf Spee(c) Deutsches Bundesarchiv

Die deutsche Propaganda schlachtet das Ereignis aus. Hinter den Kulissen aber gärt es: Adolf Hitler tobt. Er wirft Langsdorff „Feigheit vor dem Feind“ vor, gesteht dessen Witwe nicht die volle Rente zu. Großadmiral Erich Raeder erlässt daraufhin den Befehl: „Das deutsche Kriegsschiff kämpft unter vollem Einsatz seiner Besatzung bis zur letzten Granate, bis es siegt oder mit wehender Fahne untergeht.“Heute erinnern einzelne gehobene Wrackteile an die einstige deutsche „Geheimwaffe“. 1997 wurde ein 150-Millimeter-Geschütz und 2004 der 27 Tonnen schwere Entfernungsmesser des Vorderdecks geboren. Im Februar 2006 folgte ein 300 Kilogramm schwerer Bronzeadler mit Hakenkreuz, der am Heck des Schiffes befestigt war. Weitere Bergungen sind vorerst nicht geplant. Geht es nach Karl Fengler, ehemaliger Matrosenobegefreiter an Bord der Spee, soll dies auch so bleiben: „Das Schiff soll nicht geborgen werden. Es ist seine Grabstätte.“

>> ZDF-Dokumentation „Das Ende der Admiral Graf Spee“

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