Das unglaubliche Leben des Louis Zamperini

Das unglaubliche Leben des Louis Zamperini
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Mitte Jänner kommt die Verfilmung von Zamperinis Leben in die Kinos. Einwandererkind, Olympiateilnehmer und Weltkriegsheld – eine amerikanische Karriere.

Wenn der alte Louis Zamperini über seine Kindheit erzählte, kam fast immer der Satz vor: „… und dann bin ich gerannt wie wahnsinnig.“ Der Junge, 1917 als Sohn mittelloser italienischer Einwanderer in den USA geboren, musste immer jemandem davonlaufen, oft einem Polizisten, weil er wieder einmal einer Hausfrau Essen aus der Küche geklaut hatte, oft der Mutter, weil er verbotenerweise ausgebüxt war. Immer flitzte er herum und rannte jemanden über den Haufen. Er war eine arge pädagogische Herausforderung, Huckleberry Finn dagegen ein Amateur. Doch „Huck“ war eine literarische Erfindung, Zamperini lebte wirklich.

Die Autorin Laura Hillenbrand hat seiner Biographie einen dicken, ungemein spannenden Wälzer gewidmet („Unbroken“, erschienen 2010 und in den USA zum Sachbuch des Jahres erkoren), Angelina Jolie hat sich als Regisseurin an die Verfilmung dieses spektakulären Lebens gemacht, der Film kommt Mitte Jänner 2015 auch in unsere Kinos. Der uralt gewordene Held der Geschichte hat die Rohfassung des Films noch gesehen, er starb am 2. Juli 2014 an einer Lungenentzündung, drei Jahre noch, und er hätte ein ganzes Jahrhundert durchlebt.

Das Leben des jungen Zamperini war das eines Kleinkriminellen der Prohibitionszeit, es schien zum Scheitern verurteilt, bis er eines Tages auf einer Rennbahn landete. Dass er sein Leben lang (davon-)gelaufen war, kam ihm jetzt zugute: Alle bewunderten sein Lauftalent. Applaus – eine neue Erfahrung für Louis, ab dem Sommer 1932 entwickelte er eine regelrechte Laufmanie.

Hitler: „Ah, der Junge mit dem schnellen Endspurt“

Vier Jahre später lief er vor Adolf Hitler bei den Olympischen Spielen in Berlin, als jüngster Teilnehmer beim 5000-Meter-Lauf. Zamperini wurde nur Achter. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er im Olympia-Lager genug zu essen bekommen, daher an Gewicht zugelegt, was seiner Kondition nicht zuträglich war. Aber immerhin legte er eine sensationelle letzte Runde in 56 Sekunden vor, beeindruckte damit die nationalsozialistischen Führer, Hitler schüttelte ihm die Hand („Ah, Sie sind der Junge mit dem schnellen Endspurt“), Goebbels knipste. Dem Goldmedaillengewinner Jesse Owens, mit dem Louis das Zimmer im Olympialager teilte,  wurde diese Ehre verweigert, er war Afroamerikaner. Zamperini war weiß und hatte keinen deutschen Leichtathleten übertroffen. Hitler wirkte auf ihn wie „ein freundlicher Komödiant“: „Es schienen freundliche Männer zu sein“, erinnert er sich später, „erst als ich drei Jahre später vom Überfall auf Polen hörte, habe ich begriffen, dass sie Verbrecher waren.“

Zu Hause wurde er überschwänglich begrüßt, auch vom Polizeichef seiner Heimatstadt Torrance (Kalifornien): „Nachdem ich Louie kreuz und quer durch alle Gassen in Torrance gejagt hatte, musste er ja für irgendetwas in Form sein.“

Der Titel, unter dem Zamperinis Biographie weltweit Verbreitung fand – „Unbroken“ – passt nicht nur auf seine schwierigen Jugendjahre, sondern vor allem auf seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Eigentlich wollte er seine Scharte von Berlin bei den Olympischen Spielen in Tokio 1940 auswetzen und trainierte dementsprechend. Doch Japan war im Kriegszustand, es gab keine Spiele. Zamperinis Träume vom Sportlerruhm brachen zusammen. Er ging zur Air Force, Pearl Harbor wurde angegriffen, die USA befand sich im Krieg.

Seinen ersten Angriff flog Bombenschütze Zamperini am Heiligabend 1942, stationiert war er auf Hawaii. Am 27. Mai 1943 wurde bekannt, dass ein B-25-Bomber der US Air Force ins Meer gestürzt war, achthundert Meilen südlich der Basis auf Hawaii. Eine kleine Crew mit Zamperini machte sich auf, um die Besatzung aus dem Meer zu retten. Das einzige dafür verfügbare Flugzeug war ein alter Transporter, mit dem innerhalb von Hawaii Vorräte transportiert wurden, er steckte voller „Gremlins“ – so nannten die Piloten unerklärliche mechanische Ausfälle. Die „Green Hornet“ stürzte über dem Meer ab, ging in einem Flammenball auf. Zamperini überlebte: Er war Läufer, er konnte länger als die meisten anderen die Luft anhalten und tauchte wieder aus dem Meer auf. Drei überlebten, konnten sich im haiverseuchten Meer auf zwei gelbe Rettungsflöße, die sich automatisch aufgeblasen hatten, retten.

Phil, Mac und Louis waren keine frommen Kirchgänger: Doch jetzt erschien es ihnen angebracht, ein Gebet zu sprechen, nicht nur für die Rettung: Sie trieben unaufhaltsam auf feindliches Gebiet zu. Sie ernährten sich von rohem Fisch und Albatros-Fleisch, am 27. Tag lenkten die ausgemergelten Männer mit Leuchtkugeln die Aufmerksamkeit eines Flugzeugs auf sich, eines japanischen. Die Folge war eine Maschinengewehrsalve. Nach 47 Tagen auf dem Floß waren sie zweitausend Meilen nach Westen getrieben, auf die Marshall-Inseln zu. Dann wurden sie – zum Skelett abgemagert – gerettet, von den Japanern, nur zwei hatten überlebt.

Folter im japanischen Kriegsgefangenenlager

Im japanischen Kriegsgefangenenlager wurden Zamperini und seine Mitgefangenen behandelt wie Tiere in Käfigen, sie litten Hunger, wurden geschlagen und psychisch gedemütigt. Ein sadistischer Kommandant – Zamperini nannte ihn „The Bird“ – sollte ihn noch Jahre lang in seinen Alpträumen verfolgen.  Im Juni 1944 wurden Zamperinis Eltern von offiziellen Stellen unterrichtet, ihr Sohn sei im Kampf gefallen. Doch er überlebte auch das Lager und wurde nach seiner Heimkehr als Kriegsheld gefeiert, obwohl er zugeben musste: „Meine einzige wirkliche Leistung war, am Leben zu bleiben.“

Von nun an ging es bergab mit Zamperinis Leben: Er war körperlich zu schwach geworden, um wieder Leistungssport zu betreiben, mit seiner Trunksucht machte er seine Frau Cynthia unglücklich. Durch ein „Erweckungserlebnis“, eine Begegnung mit dem Prediger Billy Graham, gelang ihm eine Neugeburt: „Es war das realistischste Erlebnis, das ich je hatte….Ich spürte eine grenzenlose Ruhe, die mich einhüllte und mich wissen ließ, dass ich zu Christus gekommen war und er zu mir.“ Seine Alpträume verschwanden, er zog einen radikalen Strich unter sein bisheriges Leben. 1950 besuchte Zamperini die als Kriegsverbrecher inhaftierten sadistischen Aufseher seines Gefangenenlagers und vergab ihnen.

1954 traf er in einer Fernsehshow auf Jesse Owens und den Piloten, mit dem er 47 Tage auf dem Floß verbracht hatte. Seine Autobiographie „Devil at my Heels“ erschien, eine Verfilmung mit Tony Curtis in der Hauptrolle lehnte Zamperini ab: Das Drehbuch habe die Rolle von Christus bei seiner Rettung nicht ausreichend gewürdigt. 1998 fanden wieder Olympische Spiele in Japan statt: Zamperini lief bei der Übergabe der Olympischen Fackeln an die Olympiastadt Nagano an seinem 81. Geburtstag eine Ein-Kilometer-Etappe, mit der Fackel in der Hand. So hat er doch noch an Olympischen Spielen teilgenommen.

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