Herbert Keßler wollte nur ein Landesbeamter unter seinesgleichen sein

Herbert KESSLER
Herbert KESSLER(c) Die Presse / Archiv
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Der Vorarlberger Landeschef regierte sein Ländle mehr als 22 Jahre lang, umsichtig, unspektakulär, aber umso erfolgreicher. Vor ihm der Landeshauptmann Ilg, nach ihm Martin Purtscher – sie schufen ganz im Westen ein alemannisches Musterland.

Bregenz. Keiner vor oder nach ihm hat je so schlicht regiert: eine weiße Holztür im 6. Stock des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, ein kleines, genormtes Namensschild, ein winziges Vorzimmer, dahinter das Büro. In nichts sollte sich der Landeshauptmann Herbert Keßler von seinen Beamten unterscheiden. Oberster Verwalter eines Landes, Behördenleiter wie aus dem Bilderbuch – so wollte er es – 22,5 Jahre lang, von 1964 bis 1987. Dem Land hat das gutgetan. Der dominierenden ÖVP auch. Bei jedem Parteitag bekam er als Landesparteichef eine Zustimmung, weit jenseits der 90 Prozent.

Der Bludescher Arztsohn und Absolvent des Jesuitenkollegs Stella Matutina in Feldkirch musste noch in der deutschen Wehrmacht in Oberitalien und in Frankreich kämpfen, dann erst konnte er Jus studieren und 1950 in den Vorarlberger Landesdienst eintreten. Parallel dazu verlief die Bilderbuchkarriere in der Volkspartei: Keßler wurde für den Landtag nominiert und als Abgeordneter gewählt. Damit brach er 1954 ein Tabu: Ein Landesbeamter hat weisungsgemäß zu handeln, nicht selbst die Gesetze zu machen! Doch er verschaffte sich als temperamentvoller Redner Respekt. Seine akribische Liebe zu Flächenwidmung und Raumordnung rührte aus dieser Zeit.

Keine Frage, wer dem legendären Landeshauptmann Ulrich Ilg nachfolgen soll, als dieser 1964 wegen Krankheit zurücktreten will. Im Oktober nimmt Keßler die Last auf sich. Im Land geht es höchst turbulent zu. An dem Tag, an dem er in der Wiener Hofburg angelobt wird, rebellieren die Vorarlberger gegen die „Wiener Zentralisten“. Der unglückliche Verkehrsminister Otto Probst will ein neues Bodenseeschiff „Karl Renner“ taufen lassen. Die Bürger proben den Aufstand. Und die marktbeherrschenden „Vorarlberger Nachrichten“ entfachen eine Kampagne allererster Sorte. Die Alemannen siegen, Probst muss unter bedrohlichen Umständen abziehen, das Schiff heißt bis heute „Vorarlberg“.

Keßler kann mit Fug und Recht darauf verweisen, dass er bei diesem unkontrollierten Ausbruch alemannischer Gewalttätigkeit nicht dabei war. Dennoch verlaufen die Wahlen 1969 nicht nach Wunsch. Fünfzig Prozent – das absolut schlechteste Ergebnis seit 1945. Also kommt es 1973 zum lang befürchteten, letztlich aber missglückten Aufstand der Parteijugend gegen Herbert Keßler. Der ist nicht bereit, so leicht aufzugeben. Vor allem deswegen nicht, weil er eine höchst anständige Leistungsbilanz vorweisen kann. Und so sieht das Jahr 1974 Keßler als strahlenden Wahlsieger.

Die vormals fest in SP-Hand befindliche Arbeiterkammer wechselt die politische Farbe, die forsche SPÖ-Opposition im Land zerschellt an der beharrlichen, spröden Art des Landesherrn. Er wirft sie aus der Regierung, davon haben sich die Sozialisten nie mehr erholt. Dass er den Jugendschutz im Kino rigoros hochhält, zwingt die Jugendlichen, scharenweise ins nahe deutsche Lindau jenseits der Grenze zu pilgern, um die so süßen verbotenen Früchte zu naschen.

Zu Mitte der Legislaturperiode verkündet Keßler seinen Rückzug. Im Juli 1987, vier Monate nach seinem 62. Geburtstag, tritt er ab, nachdem er noch Martin Purtscher im Land und in der Partei inthronisiert hat.

Am Montag wird der Dr. iur. Herbert Keßler neunzig Jahre alt. (hws)

ZUR PERSON

Fünfmal wurde Herbert Keßler als Landeshauptmann von Vorarlberg angelobt. Genauso lang wie seine Amtszeit dauerte seine Funktion als Landesparteichef der ÖVP. Der Vater dreier Kinder zog sich in der Pension in seine Heimatgemeinde Rankweil zurück. [ „Die Presse“/Archiv ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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