Heute vor ... im Februar: Die verwandelte Wienerin

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Ein Feuilleton über das neue Frauenbild.

Die verwandelte Wienerin

Ein Feuilleton über das neue Frauenbild.

Neue Freie Presse am 28.2.1915

Die Wienerin, die wir früher gekannt haben, gibt es nicht mehr. Im Juli, vor Kriegsausbruch, hat sie noch in vielen tausenden Exemplaren existiert, auch in den ersten Kriegsmonaten war sie da und dort noch anzutreffen, aber jetzt ist sie beinahe völlig verschwunden. Sowohl die raffinierte und verruchte Mondäne, die ihre Verruchtheit direkt aus Paris oder London bezog, wie die Modepuppen, diese zierlich unbeholfenen und entzückend nutzlosen Geschöpfe, die auf allen Ecken und Enden geschlitzt und dekolletiert waren. Weit und breit keine Pokerfrauen und Bridgemädchen, keine Five o’clock-Damen, die von 6 bis halb 8 Uhr ununterbrochen Tee konsumieren und Brötchen, die mit allen möglichen Neuigkeiten belegt sind. Sogar die früher so häufige Mittelstandsgattin ist verschwunden, die mit der fixen Idee behaftet war, wie eine Markgräfin aussehen und leben zu müssen.  Ihr Tagesprogramm ist nun ganz anders: pflegen, laben, nähen, stricken, sammeln. Mit einem bemerkenswerten schönen Eifer haben sich die Frauen und Mädchen in diese ungewohnten und oft schwierigen Tätigkeiten gestürzt.  Eine kinderlose und meistens geschiedene junge Frau widmet sich jetzt der Beaufsichtigung von Flüchtlingskindern. Ein literarisch angehauchtes Mädchen ist in einer Sammelstelle tätig, wo sie eifrig und liebevoll Socken, Fußlappen, Halstücher und Bauchtücher aufstapelt, die sie anscheinend viel mehr interessieren als die gesamte französische Literatur.

Kampf um die Dardanellen beginnt

England will Fall Konstantinopels und Zusammenbruch der Türkei.

Neue Freie Presse am 27.2.1915

Das Unerhörte geschieht wirklich: Die britische Flotte will Konstantinopel für die Russen erobern, wobei die Franzosen mithelfen. Zehn Dreadnoughts sollen nach Meldungen aus Saloniki diese Einbrecherarbeit an den Dardanellen verrichten. Nach den Meldungen aus Konstantinopel hat die Beschießung am 25. Februar sieben Stunden gedauert. Sie wurde am 26. Februar fortgesetzt. Die äußeren Dardanellenforts sind an einigen Punkten beschädigt worden, aber der Verlust an Menschenleben war gering. Die Erklärung des englischen Staatssekretärs im Unterhaus ist eine Bestätigung der Gerüchte, dass die Teilung der Türkei zwischen den Ententemächten im Falle des Sieges geplant sei. Wenn die Mohammedaner außerhalb der Türkei noch eine Spur von politischem Rückgrat haben, müssen sie, da ihre letzte unabhängige Heimstätte bedroht wird, sich gegen England und Frankreich wie ein Mann erheben und die Schmach nicht länger auf sich nehmen, dass sie bei einem Versuche der Zerstörung des Kalifats mitwirken.

Beinamputation bei Sarah Bernhardt

Schicksalsschlag für die berühmte Schauspielerin.

Neue Freie Presse am 26.2.1915

Die täglichen Berichte, die sich die französischen Blätter über das Befinden Sarah Bernhardts aus Bordeaux telegraphieren lassen, lauten befriedigend. Die heftigen Schmerzen haben nachgelassen. Die große Tragödin ruht gefasst auf ihrem Krankenbett und lächelt wieder. Von dem gichtischen Leiden, von dem sie neun Jahre im rechten Knie geplagt wurde und das in letzter Zeit unerträglich geworden war, hat sie das Messer des Chirurgen befreit. Wenn die Heilung normalen Verlauf nimmt, hoffen die Ärzte, dass sie am 8. März auf ihr Besitztum in Andernos wird zurückkehren können, um dort die endgültige Genesung abzuwarten. Sie selbst trägt sich mit dem Gedanken, von Mai ab ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Die erste Rolle, an die sie sich machen will, ist die des Bertrand in der „Princesse Lointaine“. Später will sie dann wieder in „Phädra“ auftreten.

Die Schule der Einarmigen

Invalide werden wiederhergestellt.

Neue Freie Presse 25.2.1915

Die Schule der Einarmigen ist eigentlich ein Spital. Hier, in der neuen Schule draußen im zehnten Bezirk, werden Einarmige zu mancherlei wichtiger Fertigkeit und Kenntnis herangebildet, invalide Krieger aller Art, die zum Dienst unter den Fahnen nicht mehr tauglich sind und nun vorzeitig ins bürgerliche Leben zurückkehren sollen. Die Schule der Einarmigen sorgt dafür, dass es nach dem Kriege nicht allzu viele Invalide gebe. Mancher, der sich schon verloren wähnte, findet hier neue Hoffnung, mancher, der sich für einen Krüppel hielt, wird gar noch einmal dem soldatischen Handwerk wiedergewonnen, während sich die anderen nach Neigung und Fähigkeit in die geruhsamen Handwerke des Friedens ordnen. Bald lernen diese Schüler kennen, dass e i n tüchtiger Arm mehr zu leisten vermag, als deren zwei, die lässig zugreifen. Ein fieberhafter Eifer erfasst die meisten, sie wollen über ihren Schaden hinweg es den anderen Gesunden gleich und zuvor tun.

Der erste Brotkartentag in Berlin

Kein Gebäck ohne Berechtigungskarte.

Neue Freie Presse am 24.2.1915

Es scheint, dass man sich in Berlin rasch an die neuen Brotkarten gewöhnt. Am einfachsten wickelte sich gestern das Geschäft in den Bäckerläden ab, wo Käufer und Verkäufer auf das neue System vorbereitet waren. Auch die kleinen Bäckerjungen, die die Ware ins Haus bringen, waren bereits mit einer Schere versehen, um die entsprechenden Abschnitte nach dem Gewicht des gelieferten Gebäcks von den Brotkarten abzutrennen. In den Restaurants freilich gab es noch einige Verwirrung, weil viele Gäste ihre Brotkarte vergessen hatten. Jeder Kellner war angewiesen, bei jeder Bestellung von Brot nach der Karte zu fragen, und ohne Karte wurde auch kein Gebäck verabreicht. Bei den Automatenrestaurants steht an jedem Apparat eine Verkäuferin, die sowohl das Geld, wie auch die Brotmarken in Empfang nimmt. Die kleinen Schwierigkeiten, die sich am ersten Tag der neuen Einführung gelegentlich ergaben, werden zweifellos sehr bald behoben sein.

Die Österreichische Schule der Nationalökonomie

Josef Schumpeter zum 75. Geburtstag von Carl Menger.

Neue Freie Presse am 23.2.1915

In anderen, glücklicheren Feldern der Wissenschaft findet ein jeder alle Werkzeuge vorbereitet, alle Probleme präzis gestellt. Für den Nationalökonomen  Menger gab es das alles nicht, er knüpfte an keine Tradition an – die gab es in Österreich damals nicht, die hat erst er geschaffen. Niemand ermutigte ihn, niemand konnte ihn anregen oder beraten. Dafür trat ihm ein jeder nach Tunlichkeit in den Weg. Seine Lehrer hatten nicht etwa nur keine Sympathien, sondern auch keine Spur von Verständnis für seine Ziele. Seine Altersgenossen in Österreich oder in Deutschland wussten kaum, was er wollte. Wie aus einer anderen Welt – unerklärlich, ursachenlos – sind Menger, Böhm-Bawerk und Wieser in der Sozialökonomie von damals aufgetaucht, und keine der Erfahrungen, die schöpferische Geister immer zu machen haben, blieb ihnen erspart. Allein und ohne alle äußeren Mittel haben sie schließlich den besten Teil der modernen Sozialökonomie geschaffen und ihren großen Sieg erfochten. Dieser Sieg kam spät, aber vollständig. Überall, wo Sozialökonomie auf der Erde betrieben wird, haben diese drei ihren Ideenkreis durchgesetzt, und überall wurden der eigentlichen sogenannten „Mengerschule“ entsprechende Richtungen hervorgerufen. Nie sonst und auf keinem anderen Gebiet der Wissenschaft ist ein so starker Einfluss von Österreich ausgegangen.

Heute vor 100 Jahren: Weltausstellung San Francisco eröffnet

Expo anlässlich der Eröffnung des Panamakanals.

Neue Freie Presse am 22.2.1915

Unbeirrt um das Wüten des Weltkrieges setzte es die Regierung der Vereinigten Staaten durch, den Plan der Eröffnung der Weltausstellung San Francisco zur Feier der Eröffnung des Panamakanals ins Werk zu setzen. Präsident Wilson hat nun von Washington aus das Zeichen zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung gegebene, welche die große Tat der Verbindung zweier Ozeane durch den Panamakanal feierlich veranschaulichen soll. Den ersten Spatenstich zum Baue dieser Weltausstellung, welche den Ruhm amerikanischer Technik und Unternehmungslust in aller Welt verkünden sollte, hatte schon am 14. Oktober 1911 der Präsident der Union im Stadion des Golden Gate Parks geführt. Einladungen ergingen an alle Länder der Welt zur Beteiligung an diesem größten aller industriellen Schauwerke. Mit dem Eintritt des Weltkriegs wurden naturgemäß viele Bemühungen vereitelt. Die Ausstellung in San Francisco, zu welcher die amerikanische Regierung auch die Kriegsmarinen der europäischen Mächte geladen hatte, verliert hiedurch notwendigerweise den kosmopolitischen Anstrich.

Heute vor 100 Jahren: Die Kaiserjäger kommen!

Österreichs Elitetruppe stammt aus Tirol.

Neue Freie Presse am 21.2.1915

Wenn erst der Kaiserjäger so weit angelangt ist, Mann gegen Mann oder eigentlich gegen drei oder vier Männer zu kämpfen, dann wird ihm wohl zumute, denn dann ist er in seinem Elemente, er kann „raufen“. Weh euch, ihr Russen, denen ein Tiroler Kolbenhieb auf den Schädel niedersaust! Euch tut nachher nichts mehr weh. Raufen, Schießen und Bergsteigen sind die Liebhabereien des Kaiserjägers. Das Schießen besonders macht ihm viel Vergnügen, ist doch Tirol die Heimat des „Brettelbohrers“ (Ausdruck für Gildenschützen, Anm.).  Wer Gelegenheit hatte, alle vier Regimenter der Tiroler Kaiserjäger zu sehen, muss zugeben, dass sie alle von einem Schnitt sind und nichts eingebüßt haben von ihrem rühmlichen, von altersher  überkommenen militärischen Eigenschaften. Zu diesen gehört eine ganz außerordentliche Kameradschaft untereinander. Kein Kaiserjäger lässt den anderen im Stich. Sowohl auf dem serbischen als auch auf dem nördlichen Kriegsschauplatz hat sich diese Kameradschaft geradezu glanzvoll bewährt.  So sind die Kaiserjäger wahre Elitetruppen. Wehe dem Eindringling! Auf dem Berge Isel findet sich des Kaiserjägers Nationalheiligtum, dort sind alle die ruhmreichen Kriegstrophäen seiner Väter aufbewahrt, dort hat auch die Legende um seine Vorfahren aus den Franzosenkriegen ihren goldenen Glorienschein gewoben. Dorthin blickt er im Geiste, wenn er auf Galiziens Erde kämpft, wenn er gegen den Moskowiter anstürmt und ihn niederschlägt. So wie jetzt.

Mode im Dienst der Nation

Paris muss auch in der Mode besiegt werden.

Neue Freie Presse 20.2.1915

Im Verlauf eines Kulturprozesses, der sich jetzt allenthalben in Europa vollzieht, und den man die Nationalisierung der Nationen nennen könnte, spielen auch die Äußerlichkeiten, und gar eine so wichtige Äußerlichkeit wie die Kleidung, eine gewisse Rolle. Wenn es sich nun darum handelt, die Pariser Mode endgültig durch eine inländische zu verdrängen, so kann hiezu keine deutsche Stadt berufener sein als Wien. Die Wiener Mode ist lang genug das süße Mädel gewesen, das den Pariser Hut flink über die Gasse trug, nun mag sie sich selbständig machen und ihre bürgerliche Tüchtigkeit, ihre Anmut, ihr Talent vor den Augen von ganz Deutschland unter eigenem Namen bewähren. Auf die Wiener Frauen kommt es ja eigentlich an, auf ihre Meinung, die in Modefragen viel unkomplizierter ist, als man denkt: Sie wollen in ihren Kleidern hübsch sein – diejenigen, die es von Natur aus sind, und die anderen erst recht – und wer ihnen das ermöglicht, der ist ihr Schneider. Wer möchte daran zweifeln, dass die liebenswürdige Wiener Mode diesem Bedürfnis Rechnung tragen wird, ebenso gut, nein besser als die ausländische, weil sie auf die natürlichen Vorzüge der Wienerin mehr Rücksicht nimmt. Die Pariser Mode wird in Deutschland an dem Tag besiegt sein, an dem ihr die Wienerin den Krieg erklärt.

Faschingsrummel in Ober-St. Veit

Großer Beifall für das närrische Treiben.

Neue Freie Presse am 19.2. 1890

Zu den populärsten Carnevals-Vergnügungen gehört der Faschingszug von Ober-St. Veit. Der Andrang zu diesem carnevalistischen Treiben war ein riesiger. Die Dampftramway musste ihren ganzen vorrätigen Wagenpark in Stand setzen, um den Massenverkehr zu bewältigen. Jede halbe Stunde kam ein Zug mit fünf bis sechs zusammengekoppelten Waggons, mit Passagieren dicht besetzt, an. Um vier Uhr begann der schon mit Ungeduld erwartete Faschingsumzug, der sich nur langsam durch die von vielen Tausenden besetzten Straßen bewegte. Der Zug selbst, ein buntes Potpourri von Gschnas und Typen aus dem Lumpenball, bot zwar wenig parodistischen Witz, allein in dekorativer Beziehung fanden einzelne Gruppen den verdienten Beifall. Herolde in altdeutscher Tracht eröffneten unter Fanfarenklängen den Zug, dann folgte der burleske Mummenschanz. Die größte Heiterkeit erregte die Gruppe der streikenden Bäcker am 1. Mai, welche die Devise losließen: „Nix wird g’arbeit’t!“ Zwischen den Wagengruppen liefen und ritten Lumpen, Chinesen, Rastelbinder, Jockeys, von denen einige unter großem Gelächter vom Pferde stürzten. Zwei Eisbären entliefen dem Zug, um sich unter das Publikum zu mischen, und hätten durch ihre natürliche Maske die Pferde eines Wagens beinahe scheu gemacht.

Der Schah von Persien fährt Ski in Gastein

Der hohe Gast vergaß aufs Mittagessen.

Die Presse am 18.2.1965

Höchst überrascht war Mittwoch früh die Leitung des „Hotels Europa“, als schon um acht Uhr das Frühstück für Schah Mohammed Reza Pahlevi bestellt wurde. Niemand rechnete damit, dass der Kaiser des Irans schon so früh auf den Beinen sein werde. Aber noch größer war im Hotel die Überraschung, als der Monarch sich um neun Uhr mit dem Leiter der Badgasteiner Skischule traf und sofort ein Programm für den ersten Tag seines Badgasteiner Aufenthalts zusammenstellte. Den Schah, der ein begeisterter Schifahrer ist, trieb es sofort auf die Pisten. Kurz nach dem Zusammentreffen mit Hans Zehetner, seinem Skilehrer für die kommenden elf Tage machte sich der Monarch zum Stubnerkogel auf. Immer wieder fuhr er ab und vergaß ganz das Mittagessen. Als er endlich genug hatte, war es schon Nachmittag. Nachdem er vergeblich versucht hatte, General Nasseri, den Verwalter der kaiserlichen Privatschatulle, zum Skifahren zu bewegen, entschloss er sich, mit seiner Begleitung am Nachmittag eine Spazierfahrt im Auto zu unternehmen.

Sieg in der masurischen Winterschlacht

Vernichtung der 10. russischen Armee.

Neue Freie Presse am 17.2.1915

Eine der größten Tatsachen in diesem Weltkriege hat sich vollzogen. Gegen 2 Uhr früh ist die Nachricht eingetroffen, dass in der neuntägigen Winterschlacht in Masuren die russische zehnte Armee, die aus mindestens elf Infanteriedivisionen und mehreren Kavalleriedivisionen bestand, in nahezu völliger Einkreisung vernichtend geschlagen worden ist. Nur Reste sind über die Grenze entflohen und weit über 50000 Gefangene, 40 Geschütze und 60 Maschinengewehre und unermessliches Kriegsmaterial sind die Beute des Siegers. Schon die knappen Nachrichten zeigen, dass Feldmarschall von Hindenburg, die aus den Ereignissen des Krieges hervorspringende, mächtige Gestalt, wieder einen furchtbaren Schlag gegen den Feind geführt habe, ähnlich wie bei Tannenberg. Ein so großer Sieg, der eine ganze russische Armee sozusagen aus den militärischen Kräften von Russland ausstreicht und ihnen beiläufig zweihunderttausend Mann an Toten, Verwundeten, Zersprengten und Gefangenen nimmt, kann nicht ohne Einfluss auf die politischen Ansichten in allen Ländern von Europa sein. Der Glaube an die Unbesiegbarkeit der russischen Straßenwalze war der wichtigste Beweggrund für die französische und englische Kriegspolitik.

Wie man sich schlechter Arbeiter entledigt

Soziale Härte – der Geist der liberalen Ära.

Neue Freie Presse am 16.2.1865

Die von mehreren Fabrikanten entlassenen Arbeiter sollen bei der Stadterweiterung beschäftigt werden. Dadurch kann man dem Notstand begegnen, ohne zu dem verfehlten Mittel der Unterstützung der Arbeitslosen mit barem Geld zu schreiten, wozu für die Gemeinde keine Verpflichtung vorliegt. Der Überfluss an Arbeitern veranlasst nun auch einige Fabrikanten, sich ihrer schlechteren Arbeiter zu entledigen und dafür bessere aufzunehmen; hiedurch entsteht nun eine größere Arbeiterbewegung. Unsere Arbeiter gehören in der Regel nicht zu den sparsamen, sie sind daher in Zeiten der Not ohne Hilfsmittel, unsere nicht zum besten geleiteten Armen-Institute kennen aber größtenteils nur die Natural- und Geldbeteiligung. Wenn nun der Arbeiter sieht, dass er ohne Arbeit leben kann, so ist ihm das viel lieber, und er greift schnell zum Betteln. Er geht aber da nicht in die Armen-Institute, sondern lieber gleich zu den Fabrikanten, und da das Betteln in Masse mehr imponiert, so ziehen die Arbeiter in Kolonnen von 40 bis 50 Mann von Fabrik zu Fabrik, und verlangen mit Ungestüm ein Almosen; sie treten mit großem Lärm in die Comptoirs, schlagen die Türen heftig zu und werfen kleinere Gaben auf den Boden und verlangen mehr. Mit Recht weisen die Fabriksherren darauf hin, dass sie in dieser Lage Schutz vom Staate verlangen können.

Heute vor 90 Jahren: Einige kritische Fragen an Österreich

Ein Leitartikel von bleibender Aktualität.

Neue Freie Presse am 15.2. 1925

Fragen wir uns doch einmal, ob die Zahl der Politiker, der politischen und selbst der wirtschaftlichen Organisationen und ihrer Sachwalter, ob die Aufmachung der Staatsführung, die Gestion der Staatsbetriebe den Verhältnissen eines kleinen, armen Staates entspricht? Ob dieses Land das Missverhältnis zwischen seinen wenigen produzierenden Menschen und zwischen der Unzahl der regierenden, Gesetze gebenden, beratenden, ausführenden, überwachenden, vermittelnden Personen zu ertragen vermag? Der Abbau der Staatsbeamten ist nicht der einzige, vielleicht nicht einmal der wichtigste, den Österreich braucht. Blicken wir nach der benachbarten Schweiz, wo sich alles in viel einfacheren Formen abspielt, und lernen wir danach erkennen, wie begründet der Ruf nach Sparsamkeit im Staatshalt, in der Volkswirtschaft und in der Privatwirtschaft ist. Die Ungunst der Produktionsbedingungen, die Absperrung von den natürlichen benachbarten Absatzgebieten kann dadurch freilich nicht aufgehoben, aber immerhin die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt verbessert, die Abhängigkeit vom Ausland verbessert werden.

Lebt die italienische Presse auf dem Mond?

Phantasten denken an Untergang Österreich-Ungarns.

Neue Freie Presse am 14.2.1915

Ein Teil der italienischen Presse beschäftigt sich seit dem Ausbruch des Krieges sehr viel mit Österreich-Ungarn und erörtert das Thema, ob wir schon im Sterben sind oder ob wir uns vielleicht noch einmal aufraffen können. Uns, die wir täglich neue Scharen wohlausgerüsteter Soldaten entschlossen ins Feld rücken sehen, mutet diese Diskussion an, als wenn die Leute, die sie führen, im Monde lebten. Wir fühlen unsere Kraft und sind voll Zuversicht. Phantasten wollen der italienischen Nation den Glauben beibringen, dass sie zu einem Befreiungskrieg gegen Österreich-Ungarn ausziehen müsse, man will die italienische Nation zu einem Kampfe verleiten, der, wie immer er auch ausfiele, ob glücklich für uns oder glücklich für Italien, eine tiefe, blutige Furche zwischen die beiden Länder graben würde, aus der immer nur Gift hervorsprießen könnte. Kein denkender Politiker wird es für möglich halten, dass ein großes Reich sich von der Meeresküste abdrängen lassen wird, nur um einer Handvoll von Übernationalisten, die auf seinem Gebiete leben, einen Gefallen zu tun.

Japan will China beherrschen

Demütigende Forderungen des japanischen Kaiserreichs.

Neue Freie Presse am 13.2.1915

Japan setzt, da England und Russland nicht eingreifen können, China den Revolver an die Brust und verlangt von ihm nichts weniger, als einen Akt, der zur vollen Leibeigenschaft in wirtschaftlicher und schließlich auch in politischer Beziehung führen müsste. Japan verlangt mit einem Hieb, es wolle die gesamten Bergwerksrechte in der Ostmongolei, und keine Eisenbahn dürfe dort ohne Zustimmung Japans gebaut werden, die Japaner allein sollten das Recht haben, in der östlichen Mongolei und in der südlichen Mandschurei Land zu erwerben, ist die Frage. Russland will sich erst mit China über die Mongolei verständigen, aber Japan wartet nicht, sondern geht gerade los auf sein Ziel. Japan sagt, China dürfe keinen Teil seiner Küste und keine Insel an eine fremde Macht abtreten oder verpachten. Das heißt nichts weniger, als dass China in seinem primitivsten Souveränitätsrecht geschmälert wird, und es heißt ferner, dass England alle Hoffnung aufgeben muss, in dem Jangtsegebiet, das es stets als zu seiner Sphäre gehörig betrachtet hat, einen Hafen oder ein Stück Landes zu erwerben. 

Schneesäuberung in Wien funktioniert nicht

Man möchte „keinen Hund hinausjagen“.

Neue Freie Presse am 12.2.1865

Das seit zwei Tagen anhaltende Schneegestöber darf nicht mehr lange anhalten, wenn wir nicht alle Freiheit, uns zu bewegen, und selbst die Möglichkeit, uns mit dem nötigen Mundvorrat zu versehen, verlieren sollen. Die Local-Korrespondenzen erzählen eine Reihe von Unglücksfällen: Zusammenstoßen von Wagen, Arm- und Beinbrüche in Folge des Ausgleitens usw.  Die Viktualienmärkte waren heute nur sehr wenig besucht, am Hof erschienen kaum ein Dutzend Landweiber. Die Stellwagen konnten nur mit Mühe oder mittelst Vorspann ihre Route befahren, die Mehrzahl der von entfernteren Stationen mit Wien verkehrenden blieb gänzlich aus, da die Straßen um Wien an manchen Stellen mit Bergen von Schnee verlegt sind. Die Schneesäuberung in Wien selbst ist so ungenügend zu ihrer Arbeit, wie etwa eine Schneeflocke um einen heißen Stein abzukühlen, trotzdem der Magistrat 16000 Arbeiter und an 300 Wagen zu diesem Geschäfte aufgenommen. Da das Wetter so ist, dass man, wie das Sprichwort sagt, „keinen Hund hinausjagen möchte“, wird die Trottoir-Reinigung natürlich größtenteils dem – Winde überlassen.

Hausfrauen rufen zum Fleischboykott auf

Den Konsumenten sind die Preise nicht mehr zumutbar.

Neue Freie Presse 11.2.1915

Die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs schreibt uns: Die starke Steigerung der Schweinefleischpreise veranlasst die Hausfrauen, Repressalien zu ergreifen, um endlich den ununterbrochenen Preissteigerungen ein Ziel zu setzen. Daher ergeht an alle Hausfrauen der dringende und warme Appell, sich zu einem vierzehntägigen Boykott des Schweinefleisches zu organisieren. Wenn so dem auf den Markt gebrachten Schweinefleisch der Absatz abgesperrt ist, wird es jenen Faktoren, die an den Preissteigerungen schuld sind, zum Bewusstsein kommen, dass man selbst in der Kriegszeit den Konsumenten nicht alles zumuten darf und dass in einer Zeit, da Lebensmittel nicht nur teuer, sondern auch rar werden, bei der Preisgestaltung der Lebensmittel seitens der Produktion und des Handels mit mehr Rücksicht auf die Konsumenten vorgegangen werden muss

Über das Recht, zu töten

Zur Debatte um die Sterbehilfe.

Neue Freie Presse am 10.2.1925

Das Schicksal der Schauspielerin Uminska, die jetzt von den Pariser Geschworenen freigesprochen wurde, muss jeden, der am Gedanken des Sterbens nicht feig vorbeidenkt, wie eine persönliche Sache bewegen. Jeden geht es an. Diese Schauspielerin hat im vorigen Juli ihren Verlobten erschossen. Der Verlobte, ein Maler und Schriftsteller namens Zinowski, war krebskrank. Die Ärzte hatten ihn aufgegeben. So verlangte er, da er aus Körperschwäche selber dazu nicht fähig war, von seinen Freunden, sie mögen ihn töten. Die Freunde weigerten sich. Sie aber tat es, Stanislawa Uminska, die ihn liebte. ... Was ist dies, wenn ein dem Tod unrettbar und wissend Verfallener sich einer anderen Hand bedient, um sich den Tod zu geben, anderes als Selbstmord? Er beschließt zu sterben, und ein anderer leiht ihm, da er selbst dazu nicht mehr die Stärke oder die Gelegenheit hat, nur die Hand. Jeder Mensch ist Herr über sein Geschick. Er muss, einzig er, bestimmen dürfen, ob er zu leben, ob er zu sterben die Kraft besitzt. Daran darf keine Hand ihn hindern, und jede, die ihm dazu hilft, hilft ihm zu einem obersten Menschenrecht. Welch ein Trost, welch ein unendlich stärkendes Gefühl wäre es, dies zu wissen: Ich werde nicht leiden müssen. In dem Augenblick, da ich der Qual unrettbar verfalle, streckt eine Hand sich nach mir aus. Eine, die nicht mordet. Eine, die mich liebt.

Entbindung der Erzherzogin Zita

Gemahlin des Thronfolgers bekommt ihr drittes Kind.

Neue Freie Presse am 9.2. 1915

Erzherzogin Zita, die Gemahlin des Thronfolgers Erzherzog Karl Franz Josef, ist heute um ¾ 10 Uhr nachts eines gesunden Knaben entbunden worden. Es ist das dritte Kind, das der am 21. Oktober 1911 in Schwarzau am Steinfelde geschlossenen Ehe des Thronfolgerpaares entstammt. Am 20. November 1912 kam Erzherzog Franz Josef Otto in der Villa Wartholz bei Reichenau zur Welt und am 3. Januar 1914 in Hetzendorf bei Wien sein Schwesterchen Erzherzogin Adelheid. Erzherzogin Zita hat sich, während ihr Gatte im Hauptquartier und bei den kämpfenden Truppen verweilt, mit regem Eifer den verschiedenen Zwecken der Kriegsfürsorge gewidmet. Sie hat bei den Spitalsbesuchen, die sie bis in die letzte Zeit absolvierte, ihr persönliches Interesse an kranken und verwundeten Soldaten in herzerquickender impulsiver Weise an den Tag gelegt. Das junge Mutterglück, das der Erzherzogin in ernster und schwerer Zeit lächelt, wird sicher in der ganzen Monarchie sympathischen Widerhall finden.

Zahlreiche Theaterbrände in London

Das Volk sucht bei Bränden „den bestmöglichen Anblick“.

Neue Freie Presse am 8.2.1865

Es liebt der Engländer in seinem rauchigen Klima die starken Farbenkontraste. Die flackernde Glut des Kamins ist ihm ein gemütliches Bedürfnis, und auch der Fremde, der einmal an sie gewöhnt ist, wird ihren Zauber nicht los. Vielleicht hängt es mit diesem Gemütsbedürfnis des Engländers zusammen, dass es in London tagaus tagein brennt – brennt im wirklichen feuersbrünstlichen Sinne! Man rechnet über 11.000 Brände per Jahr in dieser Hauptstadt, darunter etwa 1500 eigentliche Feuersbrünste. Dem Volk ist dies Schauspiel immer ein Genuss, vorausgesetzt, dass der Brand die gehörigen kolossalen Dimensionen hat. Dann stürzt man sich aber auch förmlich auf den Schauplatz und saugt den Genuss der prasselnden Flammenglut in stummer Gier ein. So erpicht war die Masse auf den bestmöglichen Anblick des kürzlich in London brennenden Surrey-Theaters – dessen rötlicher Schein ohnehin einen ganzen Stadtteil erfüllte! – dass der Pöbel das Gitterwerk einer Anzahl Häuser niederbrach, um zur freien Betrachtung zu gelangen.

Frauen wollen an die Front

Dienstpflicht der Frauen als ein naheliegendes Thema.

Neue Freie Presse am 7.2.1915

Frauen in Österreich wie in Ungarn haben in öffentlichen Erklärungen stürmisch danach begehrt, man solle sie in die Front lassen, solle ihnen den Zwang einer Dienstpflicht auferlegen, ihnen das Opfer einer Kriegsbereitschaft abfordern wie den Männern. Solch ein Verlangen muss uns ein Zeichen sein, dass die Frauen selbst von ihrer Leistung nicht befriedigt sind, dass sie die Kraft zu mehr, zu größeren Dingen in sich fühlen. Alle Tage hört man von Frauenlippen die ungeduldige Frage: „Was könnten wir denn tun?“ … Zum Männer-Kriegsdienst sollen die Frauen ja nicht herangezogen werden. Kein Vernünftiger denkt an derlei Experimente. Jeanne d’Arc-Naturen hat es freilich da und dort immer einmal gegeben. Fast in jedem Kriege hat irgendein Mädchen, verkleidet oder nicht, die Flinte getragen oder den Säbel geschwungen. Niemand zieht aus solchen Einzelfällen den Schluss, die Frauen müssten nun zum Waffenhandwerk taugen. Doch dass die Frauen ebenfalls dienstpflichtig werden sollen, hat im Grunde nichts Erstaunliches an sich. Dass er jetzt aufwacht und sich regt, erscheint so einfach wie die Ordnung im Abc. Weil es uns dieser Krieg tief in die Seele schreibt, dass wir alle ohne Ausnahme heran müssen, dass wir alle dem Staate, dessen Gemeinschaft uns umhegt, zu Dienst und Opfer pflichtig sind.

Der Kaiser bedankt sich beim Volk

„Mit Glut und Blut für das Vaterland“.

Neue Freie Presse am 6.2.1915

Der Kaiser hat an den österreichischen Ministerpräsidenten ein Handschreiben gerichtet, in welchem er in herzlichen Worten die Dankbarkeit für die opferfreudige Haltung der Bevölkerung während des Krieges zum Ausdruck bringt. Der Kaiser sagt den Bewohnern Österreichs, sie hätten sich den großen Anforderungen der Krise gewachsen gezeigt, sie haben sich den außerordentlichen Bedürfnissen angepasst und auch in der Fürsorge für die Opfer des Krieges ihren Patriotismus bewiesen. Der Kaiser fühlt sich durch diese Erfahrung in seiner Zuversicht gestärkt und begründet diese Zuversicht auch mit den Waffentaten, welche neuerlich den Ruhm unserer Armee vermehrt haben. Er fühlt es als eine unumstößliche Gewissheit, dass die Bevölkerung auch weiterhin mit Glut und Blut zum Vaterlande stehen und die Lasten des Krieges bis zum guten Ende weitertragen wird. Der Kaiser bringt der Bevölkerung den Ausdruck seiner wärmsten Anerkennung und seines Dankes zur Kenntnis. Der Friede muss den Lohn bringen für alle Mühen und für die Leiden und Gefahren des beharrlich ausgefochtenen Kampfes.

Blockade soll England in die Knie zwingen

Deutschland erklärt „Krieg bis aufs Messer“.

Neue Freie Presse am 5.2.1915

Die größte Seemacht der Welt wird zu einem Krieg bis aufs Messer herausgefordert. Deutschland erklärt, dass die Gewässer ringsum Großbritannien und Irland vom achtzehnten Februar angefangen Kriegsgebiet geworden seien.  England wird getroffen, wo seine Empfindlichkeiten am größten sind. Dort leben nur wenige Menschen von dem, was auf ihrem eigenen Grund und Boden wächst; dort sind Millionen und Millionen von Arbeitern, deren Ernährung eine der obersten Pflichten jeder gesellschaftlichen Politik ist. Wenn die deutschen Unterseeboote ihre Wache beziehen, die englischen Kauffahrteischiffe und ihre Waren versenken und die Vorräte aufgezehrt sind und das Brot zu fehlen beginnt und die Preise unerschwinglich werden und die Unruhen und Gärungen sich verbreiten, dann sind nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Krieg  verschärft sich bis zu dem Äußersten, wo die Entscheidung bald fallen muss, oder die Partei, die so viel Unglück über das Volk gebracht hat, wird vom allgemeinen Hasse erdrückt und bricht zusammen. Ein weiteres Schleppen des Kampfes zwischen Deutschland und England, das bloße Sticheln und Necken und gelegentliche Schlagen werden schwerlich lange fortzusetzen sein. Der englische Hochmut wird durch die Erklärung der britischen Gewässer als Kriegsgebiet wie von einem Peitschenhiebe getroffen werden.

Hinrichtungen in Sarajewo

Tod am Galgen für drei Mittäter des Attentats am Thronfolger.

Neue Freie Presse am 4.2.1915

Heute früh wurden drei wegen Teilnahme an der Ermordung des Thronfolgers Erzherzogs Franz Ferdinand und Hochverrats zum Tode Verurteilte hingerichtet. Es sind dies die Lehrer Veliko Cubrilovic und Danilo Ilic und Kaufmann Misko Jovanovic. Die Hinrichtung, die der hiesige Scharfrichter Alois Seiffert vornahm, fand um 9 Uhr früh im Hofe des Festungsgefängnisses statt. Publikum wurde nicht zugelassen. Nachdem den Delinquenten das Urteil mit einer kurzen Begründung vorgelesen worden war, wurden sie auf den Richtplatz geführt, wo drei Galgen errichtet waren. Ein Soldatenkarree sperrte den Platz ab. Als erster wurde Cubrilovic zum Galgen geführt. Er ging auf den Geistlichen zu, küsste dreimal das Kreuz und sagte zum Geistlichen: „Grüßen Sie meine Frau und sagen Sie ihr, dass ich in diesem Momente an sie denke.“ Ruhig ließ er sich binden. Als er bereits am Galgen war, rief er: „Adieu, es lebe das Volk, es lebe …“ In diesem Momente fiel Trommelschlag ein, und er hatte auch schon die Schlinge um den Hals, sodass er nicht mehr weitersprechen konnte. Dann folgte Jovanovic, am ganzen Leibe zitternd. Doch beim Galgen angelangt, fasste er sich rasch und rief ebenfalls aus: „Es lebe das Volk!“ Ilic, der als letzter gehängt wurde, war vollkommen apathisch.

Deflation: Österreich am Abgrund?

Panikmache im Ausland.

Neue Freie Presse am 3.2.1925

Es ist auf das tiefste zu bedauern, dass selbst in so bedeutenden Organen wie dem „Daily Telegraph“ und der „New York Times“ die österreichische Situation in so ungünstigem Lichte erscheint und dass der drohende wirtschaftliche Zusammenbruch an die Wand gemalt wird. Österreich erlebt eine Deflationskrise genau so, wie sie noch jeder Staat erlebt hat, der von der giftigen Speise der Massenerzeugung von Papiergeld gekostet hat. Die Bankenkrise ist längst zu Ende, eine wirkliche Industriekrise ist nicht zum Ausbruch gekommen, alle großen Unternehmungen stehen fest, und wenn auch die Notlage eine ernste ist, von einem drohenden Zusammenbruch können nur Menschen sprechen, die Österreich nicht kennen. Der Titel „Österreich am Rande des Abgrundes“ (New York Times) ist sicherlich nicht böswillig gemeint, ist aber in Wirklichkeit doch eine blutige Schädigung unseres Rufes und unseres Kredites.

Ein neues City-Café eröffnet

Treffpunkt in der Rotenturmstraße.

Neue Freie Presse am 2.2.1890

Der Bau in der Rotenturmstraße Nr. 24, welcher zugleich die Ecke der Adler- und Griechengasse bildet und nun seiner gänzlichen Vollendung entgegensieht, ist eigens und hauptsächlich für die Zwecke eines großartigen Cafés bestimmt, welches eine Sehenswürdigkeit und der Anziehungspunkt für Fremde werden und alle ähnlichen Etablissements, wie zum Beispiel das „Café Bauer“ in Berlin, das „Café Luitpold“ in München und andere sowohl an Größe wie an Comfort und Eleganz der Ausstattung weit übertreffen soll. Das Gebäude, das mehr als 700 Quadratmeter Fläche hat, wird in seinem ganzen Parterregeschoß wie auch im ersten Stock lediglich den Kaffeehauszwecken dienen, so, dass das Parterre mit dem großen Glashof eine einzige große Halle bildet, während im ersten Stock eigene Lese- und Spielzimmer, sowie auch eigene Damensalons untergebracht sind.

Die hygienischen Verhältnisse in Wien

Der Kampf gegen Typhus.

Neue Freie Presse am 1.2.1890

Der Einfluss der Hochquellenleitung auf die Gesundheitsverhältnisse Wiens ist, unter der Voraussetzung, dass wir genügend Hochquellenwasser haben, bekannt. Nicht nur der Typhus, sondern auch die Erkrankungen des Magens und des Darmes haben in Wien bedeutend abgenommen; alleine es scheint, dass wir aus einer Leitung nicht genügend Wasser beziehen können. In dieser Hinsicht sei die schon oft  ventilierte Nutzwasserleitung entschieden notwendig. Wenn der Wiener sich nicht geniert, im Donaukanal zu baden, dann kann es dem Wiener auch nicht schaden, wenn mit dem aus der Donau geschöpften Wasser die Straßen bespritzt, die Kanäle durchschwemmt werden. Ein zweiter Übelstand ist das Kanalsystem. So wie das Wasser gegen den Typhus gut ist, so verhindert eine gute Kanalisierung durch Sammelkanäle die Ausbreitung der Diphterie.

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