1967: Als der ÖSV im "weißen Krieg" mobil machte

(c) APA (Tourismusverband St.Anton)
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Frankreich war damals die führende Skination. Die heimische Industrie und der ÖSV hatten einen Geheimplan zur Aufrüstung: Der "totale Sportler" als Fixangestellter.

Die Rennsaison 1967 war für österreichische Skifans, die Athleten und Skifabrikanten, den Wintertourismus und die Österreich-Werbung ein Debakel – gelinde gesagt. Erstmals führte die FIS (Fédération Internationale de Ski) einen sogenannten Weltcup durch. Und den Gesamtsieg holte sich ein französischer Läufer, nämlich Jean-Claude Killy. Zweiter wurde zwar der rot-weiß-rote Heini Messner, aber dahinter rangierte mit Guy Périllat schon wieder die Grande Nation. Auch 1968 dominierte Killy. Bei den Damen fuhr die Kanadierin Nancy Green auf Platz eins, doch dahinter schon wieder Frankreich: Marielle Goitschel und Annie Famose. Mon dieu! Sapperlot!

Es musste etwas geschehen. Die gedemütigte Skination Österreich verlangte vom ÖSV-Rennsportleiter und Skipapst Franz Hoppichler Taten, das verwundete Herz der tausenden Skifans vor dem schwarz-weißen Fernsehkastl lechzte nach Revanche. Aber was tun? Noch waren die vergötterten heimischen Rennläufer offiziell Amateure, die bestenfalls im Geheimen von ihren Ausrüstern ein Taschengeld zugesteckt bekamen. Und wenn sie berühmt waren, bauten sie sich eine Hotelpension und hatten kaum mehr Interesse, noch ein paar Jahre als unbezahlte Amateure ihre Knochen zu riskieren.

Da offenbarte der Journalist Herbert Völker am 11.Februar 1967 im Wochenmagazin „Neues Journal“ einen sensationellen Plan, abgeschaut von den Franzosen, um die sich ein eigener Sportminister kümmerte: Der „totale Skirennläufer“ sollte geboren werden. Quasi ein Staatsbeamter. Skiverband, Handelskammer, die Skiindustrie und das Unterrichtsministerium wollten eine Gesellschaft gründen, die die Läufer des Nationalkaders als ganz normale Angestellte bezahlen sollte. Außerdem sollten begabte zehn- bis 15-Jährige im Winter für das Skitraining völlig freigestellt werden „und dafür eine spezielle Sommerschule absolvieren...“.

Damit, so schreibt Völker, „soll dieses seltsame Profitum, das bisher in Österreich herrscht, zugunsten eines klaren und eindeutigen Dreiviertelprofessionalismus verschwinden, wobei man sich dem Buchstaben nach versteifen kann, es handle sich um Amateurismus: Schließlich arbeitet der Mann ja in der Firma (wenn auch nur ein paar Wochen im Jahr), und schließlich kann man keiner Firma verbieten, ihrem Angestellten aus Sportbegeisterung einen längeren Urlaub zu geben.“ (Vom „Gendern“ hielt man in jener Zeit, wie man sieht, noch nicht sehr viel).

Der Skiindustrie war es schon lang ein Dorn im Auge, dass die Rennläufer ausländisches Material verwendeten. Sie verlangte, dass schon jeder Junior vor Beginn seiner Ausbildung einen Vertrag zu unterschreiben hätte, der ihn an die Verwendung österreichischer Ausrüstung binden sollte. Völker: „Im Ausland sind derartige Abkommen durchaus üblich.“ Und noch eine Idee tauchte auf: neue Richtlinien für ein Qualitätssiegel, das der ÖSV zu vergeben hätte.

Aus dem geplanten Angestelltenverhältnis hätte sich ergeben, dass die Skirennläufer automatisch sozialversichert gewesen wären, „wobei man sich noch nicht darüber klar ist, ob das Gehalt bar ausgezahlt oder – nach französischem Vorbild – auf ein Sperrkonto überwiesen werden soll, das erst nach Abtritt des Läufers geöffnet wird.“ Und weiter: „Österreich ist also bereit, die Escalation im weißen Krieg mitzumachen!“

Dazu kam es freilich nie. Der Amateurbegriff wandelte sich über die Jahre, obwohl noch 1972 der IOC-Präsident, Avery Brundage, Österreichs besten Rennläufer Karl Schranz als „Profi“ von den Olympischen Spielen in Sapporo verbannte. Der Aufschrei in Österreich, der triumphale Empfang für den verhinderten Olympia-Sieger in Wien – das alles gehört zum Repertoire jedes halbwegs interessierten Sportfans, wie jenes legendäre Fußballmatch gegen Deutschland in grauer Vorzeit, am 21.Juni 1978, als es für Österreich bei der Weltmeisterschaft in Argentinien um gar nichts mehr ging. Aber man freute sich nach 47 Jahren über einen knappen Sieg gegen den großen Bruder wie über einen WM-Titel.

Inzwischen stößt sich niemand mehr an der Bezahlung von Rennläufern, weder bei der FIS noch im Olympischen Comité. Aber der Anstoß durch die Franzosen war wichtig, um verlorenes Terrain gutzumachen. Was dann folgte, waren der Siegeszug von Karl Schranz und Annemarie Pröll, später verheiratete Moser-Pröll. Über mehrere Jahre hindurch dominierten sie den Skirennsport, erst Lindsey Vonn übertraf heuer den unglaublichen Rekord von 63 FIS-Weltcupsiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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